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Der 1930 geborene Günter Kochen, Schüler von K. F. Noetel, Boris Blacher und H. Wunsch an der Musikhochschule Berlin-Charlottenburg sowie — in den Jahren 1950 bis 1953 — Meisterschüler Hanns Eislers, National- und Kunstpreis träger der DDR, Mitglied der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin, ge hört zu den profiliertesten Komponisten der mittleren Generation in unserer Republik, dessen bei der II. Musik-Biennale in Berlin jüngst uraufgeführte 2. Sinfonie beträchtliches Aufsehen erregte. Kochan begann — in seinem Violin konzert - in der Auseinandersetzung mit dem klassischen Erbe und fand in schöpferischer Weiterentwicklung zu einem plastischen, realistischen zeitge nössischen Musizierstil, dessen Kennzeichen konzentrierte thematische Arbeit und eine zunehmende Vertiefung des lyrisch-ernsten, auch dramatischen Aus sagebereiches sind, ohne aktivierende, lebensvolle und programmatische Ge staltungen zu vernachlässigen. Dem 90. Geburtstag der Dresdner Philharmonie widmete der Berliner Komponist seine Sinfonietta 1960. Ansonsten trat er mit zahlreichen Orchester- und Vokalwerken, Kammer- und Filmmusiken, Klavier stücken, Liedern hervor. Das Divertimento für Orchester (Variationen über ein Thema von Carl Maria von Weber) entstand 1964 im Auftrag des Berliner Sinfonieorchesters und wurde von diesem Klangkörper unter der Leitung von Kurt Sonderling am 1. Februar 1965 uraufgeführt. Erich Brüll schrieb u. a. über dieses Werk, das ganz im Sinne eines künstlerisch anspruchsvollen Divertimento unterhaltsame Ausdruckscharaktere — in Variationenform — ver mittelt: „Als Kochan bereits damit begonnen hatte, Variationen über ein eigenes Thema zu entwerfen, entdeckte er beim Durchspielen Weberscher Klaviersonaten (die heute kaum noch im Konzertsaal erklingen) einen melodischen Gedanken, der reizvolle Möglichkeiten variierender Umgestaltung erkennen ließ. So rückte ein Thema Webers, in Beziehung gesetzt zu eigenem musikalischen Material, in den Mittelpunkt seiner Komposition. Der Hörer — um das gleich zu sagen — bemühe sich nicht, dieses Thema in allen Abschnitten der Komposition wieder zuerkennen. Musik ist keine Schulaufgabe, und Variationen sind kein musika lisches Versteckspiel, bei dem die Zuhörer angespannt nach dem Thema haschen müssen. In Charaktervariationen, wie sie Kochan schrieb, begnügt sich der Kom ponist nicht damit, das Thema zu umspielen, es tonartlich und rhythmisch ein wenig zu verändern, ohne dabei seine Grundgestalt anzutasten, sondern er formt aus dem musikalischen Material des Themas neue Gedanken von eigenem Charakter und selbständigem Aussagegehalt. Der Aufbau des Werkes sei nun im folgenden kurz skizziert: Einleitend erklingt eine kurze, ausdrucksintensive Introduktion, deren Motivma terial der Komponist einem eigenen Thema entnahm. Sodann wird der Weber- sche Gedanke eingeführt, ein schlicht-gesangliches Mollthema: über dem Pizzikato der Streicher trägt es die Oboe vor, die Celli übernehmen es und führen es weiter. Die sich nunmehr anschließenden Variationen sind zu einzelnen Charaktergruppen zusammengefaßt, innerhalb derer sie nahtlos ineinander übergehen. Scherzando nannte Kochan die erste dieser Gruppen (Var. 1-3), die, wie die Bezeichnung schon andeutet, heitere und scherzhafte Züge trägt. Energischer tritt die folgende Tokkata (Var. 4 und 5) auf, die Elemente der Einleitung einbezieht; ohne Zäsur schließt sich eine Etüde (Var. 6 und 7) an, sie führt zu einem Ruhepunkt. In der Romanze (Var. 8-12) treten nacheinander Flöte, Wald horn und Oboe solistisch hervor. Der Romanzencharakter wird im weiteren Ver laufe dieses Abschnittes nach und nach aufgegeben, die Musik steigert sich dramatisch und führt zu einem erregenden Kulminationspunkt. Als 13. Variation tritt danach ein Intermezzo auf, das in eine Kadenz der Klarinette mündet: es ist die improvisorisch wirkende Umgestaltung der Introduktion. Der Kadenz folgt ein Ostinato über den Mittelteil des Themas; in der 16. Variation sodann sind alle Töne des Themas zu Akkorden zusammengefaßt — sie bildet die Ein leitung zum letzten Abschnitt des Werkes, einem übermütigen Capriccio. Hier wird man das nach Dur transponierte Thema Webers mühelos wiedererkennen. Eine stürmische Coda, in der noch einmal auf die Motive der Introduktion Bezug genommen wird, bildet den effektvollen Schluß des Werkes. Die Variationen sind durchweg sehr knapp, mit größtmöglicher Konzentration auf das Wesentliche gestaltet, mehr noch als in anderen Werken vermied Kochan hier jegliche ausladende Breite. Die Instrumentation erscheint bei aller Vielseitigkeit und Farbigkeit durchsichtig und ökonomisch gehandhabt, zahl reiche Instrumente treten mit dankbaren Aufgaben hervor. Nach Abschluß der Arbeit sagte Günter Kochan, er habe sich bemüht, eine Musik zu schreiben, Äk Musikern wie Hörern Freude bereitet." Fryderyk Chopins Rondo ä la Krakowiak für Klavier und Orchester F-Dur op. 14 ist ein Jugendwerk des polnischen Meisters. Der 19jährige Komponist führte es 1829 in Wien erstmalig auf. „Das ganze musikalische Wien raste förmlich und umgab den jungen Chopin mit unge wöhnlicher Herzlichkeit" — lesen wir über diese Aufführung in J. Iwaszkiewiczs Chopin-Biographie. Das glanzvolle, frische, heitere und zugleich gefühlvolle Stück hat den Charakter eines Krakowiak, eines Tanzes im Zweivierteltakt, Kra kauer Ursprungs. Nirgends wieder hat der Komponist das nationale Element in seiner Musik derartig betont, zitierte er hier doch — entgegen seiner späteren Methode — originale polnische Volksmelodien. Während das Orchester lediglich die Rolle des Begleiters spielt, ist der Klavierpart reich, ja üppig ausgeführt. „Bald laufen die Noten hier und dorthin, bald purzeln sie übereinander, in kühnen Arpeggios steigen sie auf, tanzen von Oktave zu Oktave, trippeln chromatisch einher und machen ihrer Spielfreudigkeit in den ausgelassensten Kapriolen Luft" — heißt es in einer Würdigung des Werkes aus dem 19. Jahr hundert, Am stärksten berührt uns heute die Einleitung zum Rondo ä la Krako wiak. VORANKÜNDIGUNGEN : 26. und 27. April 1969, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 15. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solistin: Monique Haas, Frankreich, Klavier Werke von Messiaen, Schubert und Beethoven 9. und 10. Mai 1969, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 16. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Ruggiero Ricci, USA, Violine Werke von Bianchi, Strawinsky und Lalö Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968 69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Hartwig Die Einführung in die 3. Sinfonie von Schubert stammt von Prof. J. P. Thilman Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 40719 III 9 5 1,4 369 ItG 009/32'69 Freier Kartenverkauf Freier Kartenverkauf »Inilhanmnonii 14. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1968/69