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„Turandot" und „Doktor Faust", Kantaten, Chöre, Lieder und zahlreiche Be arbeitungen) wie auch von seinen schriftstellerischen Arbeiten nur noch wenig bekannt. Busoni prägte für das ihm vorschwebende musikalische Ideal den Begriff der „neuen Klassizität", worunter er die „Meisterung, die Sichtung und Ausbeutung aller Errungenschaften vorausgegangener Experimente; ihr Hineintragen in feste, schöne Formen" sowie vor allem „das Wiederergreifen der Melodie — als Be herrscherin aller Stimmen, aller Regungen, als Trägerin der Idee und Erzeugerin der Harmonie" verstanden wissen wollte. Seine individuelle, grüblerische Ton sprache, durch starkes Formempfinden gekennzeichnet und durch seine Leit sterne Bach, Mozart und Liszt zweifellos beeinflußt, erwuchs vornehmlich aus der Klangwelt des Klavieres, dankte er doch diesem Instrument in erster Linie seinen internationalen Ruf. Dabei stieß er in neue Bereiche der Harmonik vor und verließ die Basis von Dur und Moll. Die Indianische Fantasie für Klavier und Orchester o p. 4 4, 1913 komponiert und zuletzt 1927 in einem Philharmonischen Konzert erklungen, ein überaus virtuoses Konzertstück, verdankt ihren spezifischen Reiz vor allem „der Eigenart des melodischen Materials, das Busoni der Musik nord amerikanischer Indianer, mit der er auf seinen Konzertreisen bekannt geworden war, entnahm. Der monotone, oft in Synkopen rhythmisch starr bohrende Cha rakter dieser einfachen, meist pentatonischen Melodien gibt dem Ganzen das Gepräge. Daneben setzt der Komponist durch kontrapunktische Arbeit, impressio nistisch schillernde Harmonik, charakteristische Folgen von leeren Quinten sowie eine an Liszt geschulte bravouröse Anlage des Klavierparts wirkungsvolle Kontraste, die in ihrer Mischung das exotische Klangbild noch mehr unter streichen. In freier Fantasieform ist das Ganze angelegt. Marsch- und tanzartige Teile werden durch rhapsodische Kadenzen des Soloinstrumentes miteinander verbunden“ (S. Liberovici). Beim Anhören dieses Werkes sollte man auch daran denken, daß Ferruccio Busoni es war, der jenen wichtigen Satz prägte: „Das weiß das Publikum nicht und mag es nicht wissen, daß, um ein Kunstwerk zu empfangen, die halbe Arbeit an demselben vom Empfänger selbst verrichtet werden muß. Anton in Dvoraks 9. und letzte Sinfonie e-Moll op. 95 ent stand 1893 in New York während des Amerikaaufenthaltes des tschechischen Meisters. Er war 1892 in die „Neue Welt" gekommen, um drei Jahre lang als Direktor des Konservatoriums in New York tätig zu sein. Die Rationalität und Betriebsamkeit des amerikanischen Lebens, die neuen Maschinen, Wolkenkratzer usw. machten großen Eindruck auf Dvorak, der sich gewiß gerade auf die Ge staltung des ersten und letzten Satzes der 9. Sinfonie, seines ersten „amerika nischen" Werkes, ausgewirkt hat. Besonders wichtig jedoch waren die menschli chen Begegnungen für Dvorak, seine Berührung mit den schlichten Liedern der Ureinwohner Amerikas, der Indianer, und mit den Gesängen der Neger. Ein Widerhall dieser amerikanischen Volksmusik ist in der Partitur der Sinfonie „Aus der Neuen Welt" unmittelbar festzustellen, ohne daß der tschechische Meister irgendwelche fremden Melodien verwendet hätte: „Ich habe von keiner dieser Melodien Gebrauch gemacht. Ich habe nur eigene Themen geschrieben, denen ich die Besonderheiten der Indianermusik verlieh. Indem ich diese Themen zum Vorwurf nahm, habe ich sie mit allen Errungenschaften der modernen Rhythmik, Harmonik und Kontrapunktik sowie des Orchesterkolorits zur Ent wicklung gebracht." Die Uraufführung der Sinfonie erfolgte am 16. Dezember 1893 in der New Yorker Carnegie Hall unter der Leitung von Anton Seidl, einem Freunde Richard Wagners. Als Dvorak von den amerikanischen Kritikern als „Erfinder der ameri kanischen Musik" gepriesen wurde, entgegnete er mit dem ihm eigenen Humor: „Es scheint, ich habe ihnen den Verstand verdreht! Bei uns zu Hause wird man begreifen, was ich meinte!" In der Tat: Dvorak ließ mit der Sinfonie „Aus der Neuen Welt" eines seiner besten und zugleich typisch tschechischen Werke in die Welt hinausgehen, das seitdem zu den volkstümlichsten, beliebtesten Schöp fungen des internationalen sinfonischen Repertoires gehört. Eine schwermütige, langsame Einleitung ist dem ersten Satz vorangestellt, aus der sich zunächst zaghaft, dann immer bestimmter der Hauptsatz (Allegro molto) mit seinem zweiteiligen markanten Hauptthema, eine plastische Dreiklangs- Melodie, entwickelt. Freudig bewegt ist das zweite Thema, vom ersten abge leitet. Dieses Material bildet die Grundlage des einfach, übersichtlich und vor allem mitreißend gestalteten Satzes. Einen der schönsten langsamen Sätze der sinfonischen Weltliteratur stellt das anschließende Largo dar, das durch die Szene eines Indianerbegräbnisses aus Longfellows Epos „Hiawatha" angeregt wurde. Das Englischhorn stimmt die ergreifende, melancholische Trauermelodie an, die Klage über den Tod von Hiawathas treuer Gefährtin Minnehah. Das Largo ist dreiteilig angelegt. Der Mittelteil weist eine gleichsam indianische Intonation auf, ist erregter in seiner Haltung und führt zu einem feierlichen Gesang der Holzbläser. In großer Stei gerung erklingen schließlich die Hauptthemen des ersten Satzes, bis dann wieder die erhabene Klage des Anfangs einsetzt. Nach dem gedankenreichen Largo führt uns das Scherzo (Molto vivace) in eine gänzlich andere Welt. Wieder liegt ein Bild aus Longfellows Dichtung zugrunde: der Festtanz der Indianer zur Hochzeit Hiawathas. Ein rhythmisch akzentuierte^ harmonisch geführtes Thema charakterisiert den Indianertanz. Ein anmutigem! lyrischer Mittelteil mit walzerartigem Rhythmus löst die lebhaft wirbelnde Bewe gung ab. In der Überleitung zum Trio erscheint unvermutet das Hauptthema des ersten Satzes. Nun erklingt eine echte tschechische Tanzmelodie mit lusti gen Sprüngen und zarten Trillern der Holzbläser — Ausdruck sehnsuchtsvoller Erinnerungen des Komponisten an seine Heimat. Eine strahlende Coda krönt die Wiederholung des Scherzo-Hauptteiles, in der das Hauptthema des ersten Satzes von den Hörnern kraftvoll vorgetragen wird. Zart klingt sodann der Hochzeitstanz aus. Einen freudig erregten, ungestümen, aber auch erhabenen Charakter hat das Finale (Allegro con fuoco). Marschhaft, energisch ertönt sogleich das Haupt thema, das im weiteren Satzverlauf mit den Hauptthemen aus den vorangegan genen Sätzen verbunden wird. Nicht nur Empfindungen über die „Neue Welt", sondern auch Gedanken an die ferne, geliebte Heimat sind in diesem schwung vollen, mitreißenden Satz dem Komponisten aus der Feder geflossen, der gerade mit besonders starkem Heimweh über der Arbeit am Schlußsatz saß. Immerhin erwartete er zu jener Zeit die Ankunft seiner Kinder in Amerika, die er ein ganzes Jahr nicht gesehen hatte. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN : 16. und 17. Mai 1969, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr Dr. Dieter Härtwig 9. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solisten: Pal Lukäcs, VR Ungarn, Viola Radu Aldulescu, VR Rumänien, Violoncello Werke von Jentzsch, Henze und Strauss 25. und 26. Mai 1969, jeweils 18.00 Uhr, Schloßpark Pillnitz 1. SE R E N A D E Dirigent: Kurt Masur Chor: Kinderchor des Philharmonischen Chores Werke von Haydn, Hessenberg und Tschaikowski Anrecht B Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1968 69 - Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 40999 III 9 5 1,4 469 ItG 009/44'69 l•lnillnamnlOMi 8. ZYKLUS-KONZERT 1968/69