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Uraufführung der G-Dur-Sinfonie fand am 2. Februar 1890 in Prag durch das Orchester des Nationaltheaters unter Dvoraks eigener Leitung statt, der das Werk bald darauf auch in London und etwas später in Frankfurt/Main zur Aufführung brachte. Das „herrliche Werk", wie der bedeutende Dirigent Hans Richter die Sinfonie nach der Wiener Erstaufführung in einem Brief an den Komponisten begeistert nannte, wurde überall mit viel Wärme und Begeisterung aufgenommen. Einer Zeit beglückenden friedlichen Schaffens inmitten herr licher Natur auf Dvoraks Sommersitz in dem böhmischen Dorfe Vysokä entstammend, zeigt die 8. Sinfonie im Gegensatz zu der von leidenschaftlichem, trotzigen Ringen erfüllten vor angegangenen d-Moll-Sinfonie eine heitere und lichte, friedvoll-harmonische Grundhal tung. Innige Naturverbundenheit, Volkstümlichkeit und helle Lebensbejahung sprechen aus diesem an unerschöpflichen Einfällen reichen, stimmungs- und gefühlsmäßig sehr ein heitlichen Werk. Formal bildet es vielleicht — trotz Beibehaltung der klassischen Sinfonie form — Dvoraks selbständigste sinfonische Schöpfung, die in manchen Einzelheiten von den übrigen Sinfonien abweicht und die musikalischen Gedanken in neuartiger Weise verarbeitet. Mit einem choralartigen, feierlichen g-Moll-Thema der Celli und Bläser über ruhigen Kon- trabaß-Pizzikati beginnt der erste Satz (Allegro con brio). Dieses Thema bleibt für den m^^ tivischen Aufbau des Satzes ohne konstruktive Bedeutung, erscheint aber in gleichl^F klanglicher Gestalt nochmals vor Beginn der Durchführung und vor der Reprise. Das ei gentliche Hauptthema des Satzes in G-Dur, das zuerst von der Flöte angestimmt wird und dem später ein schlichtes, etwas schwermütiges Thema in h-Moll zur Seite gestellt wird, steht in scharfem Gegensatz zu dem Einleitungsthema. Heiter und lieblich einsetzend, un terzieht sich das Hauptthema im Verlaufe des Satzes mannigfachen Wandlungen in Ge stalt und Stimmungen von lichter Freude und Heiterkeit, aber auch von tiefer, ernster Innigkeit widerspiegeln, entfaltet sich das sinfonische Geschehen. Das folgende Adagio in c-Moll, das eine nahe Verwandschaft mit einem Stück aus Dvoraks Klavierzyklus „Poetische Stimmungsbilder" op. 85, „Auf der alten Burg", zeigt und gleichsam als dessen Weiterentwicklung zu deuten ist, ist von starkem poetischen Aus drucksgehalt. Neben dem stolzen, etwas düsteren Hauptthema, das eine glanzvolle dra matische Steigerung mit feierlichen Trompetenklängen erfährt, wird im Mittelteil eine sehnsüchtig-weiche Melodie besonders bedeutsam. Träumerisch-friedvoll verklingt der reiz volle Satz. Ruhig bewegt entfaltet sich der frische dritte Satz (Allegretto grazioso). In den Violinen erklingt über Figuren der Holzbläser das kontable, leicht schwermütig angehauchte tän zerische Hauptthema des ersten Teiles, der nach einem G-Dur-Mittelteil notengetreu wiederholt wird. Im Mittelteil zitierte der Komponist übrigens eine Melodie aus einer fünf zehn Jahre früher entstandenen Oper (Lied des Tonik „Sie so frisch, jugendlich, gar so alt er“ aus „Die Dickschädel"). Die kurze Coda bringt einen temperamentvoll-beschwing ten Tanz im Zweivierteltakt, der den Satz originell und witzig beschließt. Besonders starke Beziehungen zur tschechischen Volksmusik weist das Finale (Allegro, ma non troppo) auf, in der auch das mitreißende, rhythmisch prägnante Hauptthema verwur zelt ist. Dieser meisterhaft gearbeitete, formal neben dem ersten Satz am kompliziertest^^ angelegte Satz — die klassische Sonatenform wird in Exposition und Reprise durch reid^B Variationen des Hauptthemas erweitert — beendet in elementarer Lebensfreude die~ Sinfonie. Herausgeber: Konzert- und Gastspieldirektion Rostock Redaktion: Dieter Brookmann Texte: Dr. Dieter Härtwig, E. Rudolph, Künstleragentur Druck: Ostsee-Druck Wismar II 20 8 Cn G 12 45 71