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DRESDNER PHILHARMONIE Donnerstag, den 20. Mai 1971, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 9. ZYKLUS-KONZERT BEETHOVEN-BARTOK Dirigent: Lothar Seyfarth Solistin: Annerose Schmidt, Leipzig, Klavier Bela Bartok 1881-1945 Tanz-Suite Moderato Allegro molto Allegro vivace Molto tranquillo Comodo Allegro Rhapsodie für Klavier und Orchester op. 1 PAUSE Ludwig van Beethoven Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 1770—1827 Allegro moderato Andante con moto Rondo (Vivace) ANNEROSE SCHMIDT studierte nach langjähriger Ausbildung bei ihrem Vater an der Leipziger Musikhochschule bei Hugo Steurer und bestand nach drei Jahren 1957 das Staatsexamen mit besonderer Auszeichnung. Sie ist Preisträgerin des V. Internationalen Chopin-Wettbewerbes 1955, 1. Preisträgerin im Gesamt deutschen Pianisten-Wettbewerb Leipzig 1955 und internationalen Schumann- Wettbewerb 1956. 1961 erhielt die Pianistin den Kunstpreis der DDR sowie 1965 — während der 13. Westdeutschland-Reise der Dresdner Philharmonie, an der sie als Solistin teilnahm — den Nationalpreis unserer Republik. Konzertreisen führten Annerose Schmidt u. a. nach der Sowjetunion, VR Bulgarien, Jugoslawien, West deutschland, Finnland, Schweden, Dänemark, den Volksrepubliken Polen und Ungarn, England, Holland, der CSSR, der SR Rumänien, dem Libanon, Ägypten, Österreich. Bei der Dresdner Philharmonie ist die prominente Künstlerin ständiger Gast. ZUR EINFÜHRUNG Ein für die Entwicklung des Bartökschen Orchesterstiles wesentliches Werk ist die im Jahre 1923 für ein Festkonzert anläßlich der Fünfzigjahrfeier der Vereinigung von Buda und Pest zur Großstadt Budapest komponierte Tanz- Suite, die neben Dohnänyis „Festouvertüre" und Kodälys „Psalmus Hun- garicus" erstaufgeführt werden sollte. Es handelt sich hierbei um fünf originelle tänzerische Sätze, die durch ein gleichbleibendes, elegisch-besinnliches und leicht variiertes Ritornell mit sinfonischen Mitteln sehr einheitlich zusammengefaßt werden. Uber die Themen der einzelnen Sätze äußerte sich der Komponist folgendermaßen: „Teil No. 1 ist teilweise, No. 4 ganz orientalischen (arabischen) Charakters, das Ritornell und No. 2 ist madjarisch, in Teil No. 3 wechseln ungarische, rumänische, sogar arabische Einflüsse miteinander; das Thema von No. 5 ist aber so primitiv, daß man von nichts anderem reden kann als von primitiv-bäuerlichem Charakter und verzichten muß, der Nationalität nach zu klassifizieren Bei kühner Satztechnik und Harmonik gelang Bartok mit der Tanz-Suite ein übersprudelnd musikalisches, mitreißendes Werk. In sehr originellen Variationen, von verschiedenen Instrumenten vorgetragen, wird im ersten Teil (Moderato) die vor allem rhythmisch akzentuierte thematische Substanz mannigfaltig beleuchtet. Die Themen des zweiten (Allegro molto) und des dritten Teiles (Allegro vivace) sind lebhafte Tanzmelodien. Von schwermütigem Charakter ist das Thema des vierten Teiles (Molto tranquillo), während das stürmische Finale (Allegro), in dem die Themen der einzelnen Tanzsätze miteinander wetteifern, die Suite in un gestümer, freudiger Stimmung und mit hämmernden fonwiederholungen krönt. Im Jahre 1904, also in der ersten Periode seiner schöpferischen Entwicklung, schrieb Bartok in einem fieberhaften Zustand, angeregt durch das ihn aufwühlende Erlebnis der sinfonischen Dichtung „Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss, die er in Budapest hörte, sein Opus 1, die Rhapsodie für Klavier und Orchester. Bartok war selbst ein glänzender Pianist, der den Klavierpart dieses Werkes mit der pianistischen Technik ausstattete, die ihm selbst zu Gebote stand. Er war Schüler des Liszt-Schülers Istvän Thoman und lernte von ihm die Grundlagen der Lisztschen Klaviertechnik, die auch in der Rhapsodie durchaus zum Ausdruck kommen. Formal ist das Werk frei behandelt. Es stellt in seinem Schaffen einen W'endepunkt dar, denn trotz der Opusziffer 1 geht dem Werk die sinfonische Dichtung „Kossuth" vom Jahre 1903 voraus. Die Wende vollzieht sich von einem Stil internationalen Charakters, wie ihn Liszt entwickelt hatte, zu einer Musik streng nationaler Prägung, für die dann später Bartok auf Grund seiner Volksliedforschungen beispielhaft wurde. Csardas melodien und -rhythmen, die ihm damals, noch unter dem Einfluß von Liszts Ungarischen Rhapsodien stehend, als einzig charakteristisch für Ungarns Musik erschienen, erfüllen dieses Werk. Stellen von bedeutender Poesie stehen da neben, voll farbigen Glanzes und angefüllt mit einer Virtuosität, die Bartok später zugunsten einer größeren kompositorischen Strenge wieder aufgegeben hat.