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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 29. Mai 1971, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 11. AUSSERORDENTLICHES KONZERT • Dirigent: Kurt Masur Solistin: Silvia Marcovici, SR Rumänien, Violine Leos Janäcek 1854-1928 Taras Bulba - Rhapsodie für Orchester Andreis Tod Ostaps Tod Prophezeiung und Tod Taras Bulbas PAUSE Edouard Lalo 1823-1892 Symphonie espagnole für Violine und Orchester op. 21 Allegro non troppo Scherzando (Allegro molto) Intermezzo (Allegretto non troppo) Andante Rondo (Allegro) Maurice Ravel 1875-1937 Bolero iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiini ZUR EINFÜHRUNG Leos Janäcek, neben Bedrich Smetana und Antonin Dvorak eine der profi liertesten und eigenständigsten Persönlichkeiten der tschechischen Musikge schichte, ist den deutschen Musikfreunden vor allem durch seine meisterlichen Opernschöpfungen — darunter „Jenufa", „Katja Kabanowa", „Die Ausflüge des Herrn Broucek“, „Das schlaue Füchslein“, „Die Sache Makropulos“ und „Aus einem Totenhaus“ — vertraut geworden, aber auch durch verschiedene Instru mentalwerke wie die temperamentgeladene, trompetenüberglänzte Sinfonietta, das humorvolle Klavierconcertino, die Lachischen Tänze und hochbedeutsame Kammermusikwerke. Alle Kompositionen Janäceks künden von der überragen den schöpferischen Kraft und Originalität dieses mährischen Meisters. Die Quellen der Janäcekschen Musik liegen in der Volksmusik seines Heimatlandes. Er sammelte Volksliedermelodien und gab wertvolle Sammlungen heraus, in seinen neun Bühnenwerken gelangte der Komponist zu einem ganz eigenen realistisch-sensiblen Sprachgesang, der mit dem selbständig-sinfonischen Or chestergeschehen zu einer zwingenden Einheit verschmilzt. Auch impressionistische und expressionistische Einflüsse begegnen im urwüchsigen, vitalen Oeuvre Janäceks, der erst im siebenten Jahrzehnt seines erfüllten Musikerlebens inter nationale Anerkennung fand. „Während des ersten Weltkrieges komponierte Janäcek zwei bedeutungsvolle Werke: den zweiten Teil der Oper ,Die Ausflüge des Herrn Broucek auf den Mond und in das 15. Jahrhundert' und die Rhapsodie für Orchester Jaras Bulba'. Der .Broucek' ist eine scharfe Satire auf das beschränkte, egoistische, in Zeiten nationaler Not zum Verrat neigende Spießertum. Janäcek war sich aber klar, daß es nicht genügt, nur den negativen Typ anzuprangern; der Künstler muß auch einen positiven Typ bilden, der dem Volk als Beispiel dienen kann. So griff er nach Gogols bekannter Erzählung Jaras Bulba'. Er sagte selbst: .Weil es in der Welt kein Feuer, keine Qualen gibt, welche die Kraft des russischen Volkes brechen könnten — wegen der Worte, die in die beißenden Funken und Flammen des Scheiterhaufens fielen, auf dem der berühmte Kosaken-Hetmann Taras Bulba den Tod fand, habe ich diese Rhapsodie nach der Sage, die Gogol nieder geschrieben hat, komponiert.' Janäceks Verherrlichung russischen Heldentums hatte während des ersten Weltkrieges und der Oktoberrevolution einen politisch aufrüttelnden Sinn; sie wurde auch von vielen so begriffen und geschätzt. Die sinfonische Dichtung Jaras Bulba' besteht aus drei Teilen: 1. Andreis Tod: Andrei, der jüngere Sohn Taras Bulbas, verliebt sich in die schöne Tochter des polnischen Herzogs und desertiert aus dem Kosakenheer. Der em pörte Vater jagt Andrei nach, spricht über ihn das Todesurteil und vollzieht es mit seinem Schwert. Den ersten Abschnitt dieses Teiles beherrscht der süße Gesang der Oboe, ein verlockender Liebesgesang, dem Andrei erliegt. Sobald dieses Thema den Höhepunkt erreicht hat, fällt der unerbittlich strenge Taras ein. Dreimal, immer drohender, läßt die Musik sein Urteil hören. Nur einen Augenblick erklingt eine liebliche Kantilene; sie wird sofort wieder unbarmherzig unter brochen — das gerechte Urteil ist vollstreckt. Die abschließende Stretta zeichnet die wilde Flucht Taras Bulbas von dem Ort, wo Andrei starb. 2. Ostaps Tod: Ostap, der zweite Sohn Taras Bulbas, wurde von den Feinden gefangengenommen. Sie führen ihn zur Hinrichtung. Aus einem kurzen, kargen Motiv, das viermal wiederholt wird, entwickelt sich die umfangreiche Einleitung. Sie malt mit ihrem schweren Marschrhythmus ein plastisches Bild vom letzten Weg des Verurteilten. In Ostaps Gedächtnis taucht die Erinnerung an das vergangene schöne Leben auf. Seine Reminiszenzen werden aber bald von der bedrückenden Furcht abgelöst, ob er mitten unter den Feinden die Kraft finden wird, die Foltern heldenhaft zu ertragen. Der Richtplatz ist gefüllt von einer Volksmenge, die sich an Ostaps Leiden ergötzt. Die Tanzszene wird von einem schmerzvollen Stöhnen unterbrochen. Es ist Ostap, der in höchster Not seinen Vater ruft. In die danach SILVIA MARCOVICI, 1952 in Bacau (Rumänien) geboren, begann ihr Violin- studium im Alter von sieben Jahren an der Musikschule ihrer Geburtsstadt und gewann bereits als 10- und 12jährige jeweils einen 1. Preis im nationalen Wettbewerb für junge Künstler. Zunächst Schülerin Prof. Avachians, seit 1965 Schülerin Stephan Gheorghius, studiert sie gegenwärtig noch am Bukarester Konservatorium. 1968 spielte die 16jährige Geigerin erstmals außerhalb ihrer Heimat in den Niederlanden und errang einen sensationellen Erfolg, der sich auch bei ihrem ersten DDR-Gastspiel, im Januar 1970 bei der Dresdner Philharmonie, wiederholte. Kurt Masur hatte die junge Künstlerin in den Nieder landen kennengelernt und sie sofort nach Dresden verpflichtet. 1969 gewann Silvia Marcovici den 2. Preis und den Sonderpreis des Internationalen „Marguerite-Long-Jacques- Thibaud-Wettbewerbes" in Paris, und 1970 wurde sie 1. Preisträgerin im Internationalen George-Enescu-Wettbewerb Bukarest.