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DRESDNER PHILHARMONIE Sonntag, den 25. April 1971, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 7. KONZERT IM ANRECHT C Dirigent: Kurt Masur Solist: Ricardo Odnoposoff, Österreich USA, Violine Bela Bartök 1881-1945 Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta Andante tranquillo Allegro Adagio Allegro molto Konzert Nr. 2 für Violine und Orchester Allegro non troppo Andante tranquillo Allegro molto PAUSE Divertimento für Streichorchester Allegro non troppo Molto adagio Allegro assai RICARDO ODNOPOSOFF, einer der bedeutendsten Geiger unserer Zeit, wurde 1914 als Sohn russischer Eltern in Buenos Aires geboren, wo er sein erstes Konzert im Alter von fünf Jahren gab. Nach siebenjähriger Ausbildung bei Leopold von Auer vervollkommnete er sein Können 1927 bis 1932 in Berlin unter anderem bei Carl Flesch. Beim Internationalen Violinisten-Wettbewerb 1932 in Wien und beim Internationalen Eugene-Ysaye-Wettbewerb 1937 in Brüssel (hier gemeinsam mit David Oistrach) errang er erste Preise. In der Folgezeit führten ihn Konzert reisen durch alle Kontinente. Er konzertierte mit prominentesten Klangkörpern unter Dirigenten, wie Toscanini, Walter, Rodszinski, Bernstein, Weingartner, Furt wängler, Busch, Cluytens, Hindemith, Ansermet, Rossi, Mengelberg, Konwitschny. Zeitweilig war er Konzertmeister der Wiener Philharmoniker. Von 1944 bis 1956 konzertierte er mit großem Erfolg von New York aus und lebt seitdem als ange sehener Lehrer der Musikakademie und weithin berühmter Violonist in Wien. Seine Schallplatten bei den verschiedenen Weltfirmen erreichten hohe Auflage ziffern. Bei der Dresdner Philharmonie war er bereits 1960, 1962 und 1970 zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Die MusikfürSaiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta ist eine der hervorragendsten Schöpfungen Bela Bartoks. Dieses 1936 entstandene Werk wurde zum 10. Jahrestag des Basler Philharmonischen Orche sters geschrieben und am 27. Januar 1937 unter der Leitung von Paul Sacher in Basel uraufgeführt. Außerordentlich kunstvoll, erfindungsreich und eigenwillig gearbeitet und doch stets ganz spontan, leidenschaftlich und unmittelbar empfunden erscheinend, erzielt diese Komposition bereits durch ihre aparte instrumentale Besetzung (neben zwei Streichergruppen werden Harfe, Klavier, Celesta, Xylophon, Becken u. a. Schlaginstrumente verwendet) eine Fülle unge wöhnlicher, neuartiger Klangwirkungen. Als eine Fuge ohne Gegenthema ist der sehr konzentrierte, dichte erste Satz des Werkes aufgebaut, der besonders durch seine wirkungsvolle, faszinierende Dynamik fesselt. Pianissimo beginnend, bringen zuerst die Violen das chroma tische Hauptthema des Satzes, das als Kernthema der gesamten Komposition in verschiedenen Varianten auch in den übrigen Sätzen wiederkehrt. Unter gewaltiger dynamischer Steigerung bis zu einem Höhepunkt im dreifachen Forte erfolgen darauf die weiteren Themeneinsätze streng nach dem Quintenzirkel geordnet, wobei die geraden Einsätze jeweils um eine Quinte höher, die unge raden jeweils um eine Quinte tiefer als der vorhergehende Einsatz erfolgen. Nach dem klanglichen Höhepunkt bei der Erreichung der Tonalität Es gehen die dynamischen Stärkegrade wieder zurück; bei einem verkürzten Rückweg erfolgen jetzt die Themeneinsätze in umgekehrter Reihenfolge, und das Thema erscheint in der Umkehrung. Der Schluß des Satzes, der mit einer Coda endet, verklingt wieder im Pianissimo. Scherzocharakter trägt der in traditioneller Sonatenform angelegte lebhafte, vor allem rhythmisch interessante zweite Satz (Allegro), dessen zwei gegen sätzliche Hauptthemen auf beide Streichergruppen verteilt erklingen. Die Themen werden in erweiterter und veränderter Form verarbeitet, wobei auch das Fugen thema des ersten Satzes andeutungsweise auftaucht. Geheimnisvolle Nachtstimmung wird im anschließenden, dem Impressionismus nahestehenden Adagio heraufbeschworen, in das gleichfalls wieder Abschnitte aus dem Hauptthema des Anfangssatzes eingearbeitet wurden. - Tänzerisch ist endlich das musikantische, deutlich von ungarischer Folklore beeinflußte Finale des Werkes gehalten, das in besonderem Maße instrumentale Klang kombinationen von ungewöhnlicher Schönheit aufweist. Das fröhliche Haupt thema dieses Allegrosotzes steht in lydischer Tonart; das Fugenthema des ersten Satzes, ursprünglich chromatisch gebildet, kehrt hier in einer diatonischen Variante wieder. Hat Bartoks zweisätziges erstes Violinkonzert aus den Jahren 1907 08 noch als Jugendwerk zu gelten, entstanden in der Auseinandersetzung mit dem Geiste Berliozscher und Lisztscher Monothematik, gehört das heute erklingende Konzert Nr. 2 für Violine und Orchester, das in fast 1 Vajährigem Ringen 1937 38 — als nächstes auf die Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta folgendes Orchesterwerk — komponiert wurde, zu den eigengepräg- testen, reifsten Werken seines Schöpfers aus seiner letzten, heute schon klassischen Schaffensepoche, in dem Inhalt und Form zu meisterlicher Einheit