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ohilhanmooniio persifliert. Immer wilder, immer sinn- der in harmloser, derber Lustigkeit eingangs in e-Moll vorgetragenen Themas führt nach d-Moll zurück. Das Thema löst sich schließlich in seine Bestandteile auf, richtet sich wieder auf, um in einem kurzen strettaartigen Kehraus jäh in sich zusammenzusinken, auf seinen Kern reduziert. Das Konzert schließt mit der diatonisch absteigenden Triole, mit der es beginnt. Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1970/71 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in das Violinkonzert von Gottfried von Einem folgt einer Analyse von Friedrich Saathen; die Einführung in die „Zwei Episoden nach Lenaus Faust" von Liszt schrieb unsere Praktikantin Marlene Weller vom Musikwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität Berlin Druck: veb polydruck Werk 3 Pirna - 111-25-12 1,5 ItG 009-56-71 hallendes Flageolett, Gegensätze im Legato und Stakkato, wie man sie vor ihm nicht gekannt, doppelgriffige Gänge, die niemand außer ihm auszuführen ver mochte, Pizzikatos, gleichviel, ob mit der rechten oder der linken Hand, deren springende Passagen jedem anderen Geiger den Hals gebrochen haben würde, und, außer seiner fabelhaften Technik, jene dämonische Leidenschaftlichkeit, die ihm allein eigen war. Sprang ihm eine Saite, ja zwei Saiten, so spielte er auf den übriggebliebenen, soweit es deren Umfang erlaubte, mit solcher Vollkom menheit weiter, daß der eingetretene Mangel selbst für den Kenner kaum hörbar wurde; auch stimmte er die Saiten, um gewisse besondere Effekte damit zu erreichen, nach Bedürfnis anders, als durch den Gebrauch vorgeschrieben war (ein Wiederaufleben der früheren Scordatura), und da er das Geschick besaß, eine Saite selbst während des Spiels unbemerkt einen halben Ton hinaufzuziehen, so begannen selbst manche ihm zuhörende Geiger an ein Wunder zu glauben. So steht dieser mysteriöse Mensch, der die seltsamste Mischung von Genialität und Scharlatanerie, von tiefstem, bis zu Tränen rührenden Ausdruck und tollen diabolischen Kunststücken in sich vereinigte, der täuschend jeden anderen Virtuo sen wiederzugeben vermochte und dabei doch ein eigenes Spiel hatte, mit dem er niemand glich und alles übertraf, als ein Unikum in der Geschichte des Geigenspiels da" (Naumann Schmitz). Da die Paganini-Zeit, also die Romantik, die ausgefallene extrem-subjektivisti sche Gefühlsbetonung liebte, vergötterte sie den genialen Einzelmenschen. Diesen Zeitgeist vertrat Paganini in typischster Weise, hatte er doch kein anderes An liegen, als ein möglichst großes Publikum durch sein Spiel zu faszinieren. Seine wichtigsten Kompositionen — nicht alle der unter seinem Namen laufenden Werke sind echt — sind die 24 Capricci für Violine solo op. 1, die Liszt, Schumann, Brahms, Rachmaninow, Casella, Dallapiccola und Blacher zu eigenen Kompo sitionen anregten, die beiden Violinkonzerte op. 6, D-Dur, und op. 7, h-Moll, sowie zwölf Sonaten für Violine und Gitarre, Zeugnisse eines Schaffens, das aus engstem Zusammenhang mit Paganinis sensationellem Virtuosentum hervorging. Von den Violinkonzerten steht vor allem das heute erklingende unverwüstliche erste in D-Dur (1811) in der Gunst der großen Geiger unserer Tage. Natur gemäß interessieren uns heute an diesem Werk nicht so sehr die musikalische Substanz oder die satztechnische Gestaltung (das Orchester ist zumeist „dürftig" behandelt, damit der Solist um so mehr hervortreten kann), sondern vor allem die auf die Spitze getriebene Virtuosität des Soloparts. Dieser nämlich ist mit allen Kunststücken ausgestattet, mit denen Paganini seine Zeitgenossen begei sterte: Doppelgriffe in verschiedensten Lagen, Pizzikati der linken Hand und raffinierte Springbogenpassagen, Flageoletts, das bravouröse Spiel auf einer Saite. Dennoch ist das Konzert nicht nur eine brillante Aneinanderreihung geigentechnischer Aufgaben und Effekte, auch die Musik kommt durchaus zu ihrem Recht. Man denke etwa an das innig-schlichte zweite Thema des ersten Satzes (Allegro maestoso), das nach dem markanten ersten Thema bereits in der Orchestereinleitung vorgestellt wird, ehe sich das Soloinstrument der Themen spielerisch-virtuos bemächtigt, oder an das cantable Adagio espressivo, das mit seinem opernhaften Anklang an Rossini erinnert. Das Rondo-Finale (Allegro spirituoso) allerdings dient weitgehend virtuosen Zwecken, obwohl auch hier das thematische Material prägnant ist. Fast sein ganzes Leben hat sich Franz Liszt mit den Gestalten Fausts und Mephistos beschäftigt. 1853 schuf er seine gewaltige Faustsinfonie (nach Goethes „Faust"), dann folgten 1859 60 die Zwei Episoden aus Lenaus „Faust" (Nikolaus Lenau war Österreichs bedeutendster demokratisch-revolu tionärer Lyriker, 1802-1850), und später komponierte er nicht weniger als drei Mephisto-Walzer und eine Mephisto-Polka. Für Liszt war Mephistopheles der weitaus interessantere Charakter. Wie er selbst in seinen Briefen wiederholt äußerte, sah er in ihm das verkörperte Prinzip der Ironie, weniger den „Geist, der stets verneint", als den frechen sarkastischen Spötter. Die beiden Episoden aus Lenaus „Faust“, vor allem der Mephisto-Walzer, sind wohl die am leichtesten verständlichen sinfonischen Dichtungen Liszts. Der Komponist hielt sich eng an sein poetisches Sujet. In der ersten Episode, die „Der nächtliche Zug" überschrieben ist, reitet Faust in der Nacht durch einen Wald. Er begegnet einer Prozession von Nonnen und Priestern, ein Erlebnis, das ihn tief und schmerzlich bewegt. Mit einem energischen Motiv, das die zerrissene Seele Fausts darsteilen soll, beginnt die Komposition. Anschließend wird in weichen Klängen die Mondnacht geschildert, bis von fern eine liturgische Melodie ertönt. Immer mehr Stimmen fallen ein, bis das Bild einer feierlichen Prozession vor uns steht (Liszt verwendete als Hauptthema eine gregorianische Hymnensequenz). Deutlich kann man die verschiedenen Gruppen des Zuges, Nonnen und Priester, heraushören. Noch einmal erklingt das erste Motiv Fausts in lautem Aufschrei, bis es zusammenbricht. Hat Liszt in seinem „Nächtlichen Zug“ ein düsteres Geschehen gestaltet, so bietet er im „Tanz in der Dorfschenke" ein Bild von übermütigem Humor. Faust kommt mit Mephisto, der als Jäger verkleidet ist, an einem Sonntag zum Tanz in die Dorfschenke. Mephisto entreißt dem Dorfmusikanten die Fiedel und spielt selbst seinen Höllenwalzer. Daraufhin mischt sich Faust unter die Tan zenden. — Deutlich heben sich zwei Teile der Komposition ab. Der erste schildert den lebhaften Ländler der Bauern, der zweite, markant eingeleitet durch das schrille Lachen Mephistos, die bacchantische Raserei während seines Geigen spiels. Mit einer charakteristischen Imitation der Dorfmusik beginnt die Kom position. Drei verschiedene Themen, bäuerliche Weisen, wechseln einander ab. Ein Thema des Violoncellos soll die Liebeserklärung eines Burschen und dann auch Fausts an sein Mädchen vorstellen. Jetzt aber ergreift Mephisto die Geige. Er macht sich lustig über die Stümperei der Dorfmusikanten. Ein Thema der Dorfmusikanten nach dem anderen wird licher und dämonischer wird der Tanz, begonnen hatte. 10. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1970/71 Eine der schillerndsten Persönlichkeiten italienische Geigenvirtuose Niccolö sehende Wirkungen auf seine Zeitgenossen in Italien, Deutschland und Frank reich ausübte. Das Dämonisch-Abenteuerliche seiner Person führte im Bunde mit seinen einmaligen, phänomenalen geigerischen Fertigkeiten dazu, daß man ihn sogar der Zauberei verdächtigte oder ihn mit Geistern und der Hölle im Bunde glaubte. Paganini, von gelegentlichem Geigenunterricht abgesehen eigentlich Autodidakt, vereint in seiner Person, „was andere vereinzelt aus zeichnete: einen hinreißend ausdrucksvollen Vortrag, einen wunderbar großen und dabei doch der verschiedensten Stärkegrade sowie des mannigfaltigsten Timbres und Kolorits fähigen Ton, ein zauberhaftes, wie in Sphärenklängen vor ¬ der Musikgeschichte war der große Paganini, der geradezu berau-