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ZUR EINFÜHRUNG Der Engländer John Dowland (1562—1626) war der größte Lautenvirtuose seiner Zeit. Der Ruf, den er bei Lebzeiten und noch viele Jahre nach seinem Tode genoß, war außerordentlich bedeutend. Dowland stand an verschiedenen Höfen und Adelshäusern in einem Dienstverhältnis, so wie es für die Musiker des 16. Jahrhunderts charakteristisch war. Fünf Jahre wirkte er im Dienste des englischen Gesandten in Paris. Später führte ihn eine Studienreise nach Italien. Danach folgte er dem Ruf als Hoflautenist an den dänischen Hof; hier erhielt er ein Gehalt, das dem eines Staatsministers gleichkam. Erst 1612 erreichte er das ersehnte Ziel, am englischen Hof Hoflautenist zu werden. Den größten Teil seines kompositorischen Werkes hatte er damals bereits vollendet. Er ver öffentlichte vier Liedersammlungen und eine Sammlung von Tänzen für Violen und Laute. Dowlands Lautenkompositionen gehören zu den schönsten ihrer Art. Leidenschaftliche Schwermut kehrt immer wieder, sowohl in seiner Instrumental ais auch Vokalmusik. Es gibt aber bei Dowland auch viele Stücke heiteren Charakters. Im übrigen rechnet man den englischen Meister zu den besten Liederkomponisten seiner Zeit. Heute erklingen aus seiner Feder Fünf fünfstimmige Stücke für Streichinstrumente, die 1605 veröffentlicht wurden. Ihrem Charakter nach sind es schon reine Instrumentalkompositionen. Die Instrumentalmusik war zu dieser Zeit erst in ihrer Entwicklung, d. h. ihrer Loslösung von der Vokalmusik begriffen. Aus solchen losen Aneinanderreihungen verschiedener Stücke ent wickelte sich später die Suite. Die ersten drei Stücke sind Pavanen, eigentlich Tanzlieder, die aus dem Süden stammen. Es folgen eine Galliarde (wie die Pavane eine Form des Tanzliedes aus Italien) und eine Allemande, ein ursprüng lich französischer Tanz. Trotz italienischer Einflüsse findet Dowland eine eigene, in der englischen Volksmusik wurzelnde stilistische Haltung und kommt zu einer bis dahin ungekannten starken und individuellen Aussagekraft. Gleich in der ersten Pavane „Lachrimae Antiquae“ (alte Tränen), von Dowland selbst als sein Lebensgesang bezeichnet, herrscht Ausdruck tiefsten Schmerzes. Der be rühmt gewordene, klagende Anfangsgedanke kehrt im zweiten Stück und in vielen anderen Kompositionen des Meisters wieder. Die Galliarde, dem König von Dänemark gewidmet, und die Allemande haben heiteren und fröhlichen Charakter. Bei Johann Sebastian Bachs Klavierkonzerten (der Meister verwendete bis zu vier Soloinstrumente) handelt es sich in den meisten Fällen um Über tragungen von Violinkonzerten, zum Teil von fremder Hand stammend. Aus derartigen Transkriptionen ist die Gattung des Klavierkonzertes überhaupt entstanden. (Unter dem Klavier verstand man in der Bach-Zeit natürlich nicht den modernen Hammerflügel, sondern das Cembalo, dessen Saiten nicht „angeschlagen“, sondern „angerissen" werden). Von den sieben erhaltenen Klavierkonzerten Bachs für ein Soloinstrument und Orchester sind die Konzerte in d-Moll (BWV 1052) und in f-Moll (BWV 1056) am bekanntesten geworden; aber gerade diese Werke, besonders das erste, werden von einigen Forschern als nicht „echt" bezeichnet. Möglicherweise hat der Komponist hier, wie es zu seiner Zeit allgemein üblich war, fremde Kompositionen auf seine Weise umge arbeitet, vor allem kontrapunktisch bereichert. Bachs heute wohl populärstes Klavierkonzert, das d-Moll-Konzert BWV 1 052, bezeichnete Hans von Bülow noch um 1850 als „Nicht-Musik" und weigerte sich, es zu spielen. Hier hat Bach auf ein Konzert für ein Streichinstrument zurückgegriffen, das er auf das „Klavier" übertrug, es sowohl für Cembalo als auch für Orgel einrichtete (als Einleitung zu einer Kantate), Ungeachtet aller Echtheitsproblematik, die in erster Linie die Fachwelt beschäf tigt, ist das Werk ein herrliches, substanzreiches und tiefgründiges Stück Musik, das in vielen Details (Figuration des Soloinstrumentes, motivisch-imitatorische Begleittechnik des Orchesters) die unverkennbaren Züge der Bachschen Hand schrift trägt. Ein ernstes, häufig wiederkehrendes Tuttithema der Streicher, scharf synkopiert, das gleich zu Beginn vorgestellt wird, prägt den Charakter des ersten Satzes (Allegro). Neue Klangfiguren dazu entwickelt der Solist. Am Beginn und am Schluß des Adagios steht eine einstimmige Figur von dunklem Ausdruckscharakter, über die sich eine stark verzierte Melodie entfaltet. Cembalo und Violinen duettieren in kanonischer Führung. Ein energisches Profil besitzt der Schlußsatz, der auf die gegensätzlichen Themen von Tutti und Solo begründet ist und seine Spannungen aus deren Widerstreit erhält. Wie sich unzweifelhaft aus der Art des Werkes ergibt, stellt auch das f-Moll- K o n z e r t B W V 1 0 5 6 die Übertragung eines Violinkonzertes dar. Ein ständig wiederkehrendes, kraftvoll-prägnantes Thema, das zu Beginn sogleich im Tutti vorgestellt wird, bildet das Fundoment des ersten Satzes. Der kurze zweite Satz (Largo) besteht aus einer zusammenhängenden, reich mit Ornamentik verzierten und stark figurierten Kantilene des Soloinstrumentes, die durch eine sparsame, durchsichtige Pizzicato-Begleitung der Streicher gestützt wird. Dieser Satz wurde von Bach übrigens auch als Instrumental-Einleitung zu seiner Kantate Nr. 156 („Ich steh' mit einem Fuße im Grabe“) verwendet, wo er das ausdrucksvolle, gesangliche Largo-Thema der Oboe anvertraute. Unmittelbar leiten dann die Violinen in das mit auffallenden dynamischen Kontrast-Effekten versehene abschließende Presto über, das sich weniger durch prägnante Thematik als durch brillanten motorischen Elan und kontrapunktische Arbeit auszeichnet. Der aus dem oberösterreichischen Eferding stammende Johann Nepomuk David, der am 30. November vorigen Jahres 75 Jahre alt wurde, einst Kompositionsschüler von Joseph Marx in Wien, kam wie sein Landsmann Anton Bruckner über die Orgel und die geistliche Vokalmusik zur Auseinandersetzung mit der großen sinfonischen Form, in die er ernste polyphone Geistigkeit ein strömen läßt. Das Jahrzehnt seiner Leipziger Tätigkeit von der Mitte der