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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 27. März 1971, 19.30 Uhr Kongreßsaal Deutsches Hygiene-Museurn Dresden DISKUSSIONSKONZERT in Verbindung mit dem Verband Deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler, Bezirksverband Dresden Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Rolf-Dieter Arens, Leipzig, Klavier Diskussionsleitung: Prof. Dr. Karl Laux Siegfried Köhler geb. 1927 Siegfried Kurz geb. 1930 Udo Zimmermann geb. 1943 Rainer Kunad geb. 1936 Sinfonietta op. 45 Energisch, vorwärtstreibend Gemessen, rhythmisch gespannt Sehr rasch, pointiert Erstaufführung Konzert für Klavier und Orchester cp. 32 Ruhig, aber nicht zu langsam Ruhig Lebhaft Zum ersten Male PAUSE Musik für Streicher Adagio espressivo Reflexion 1 Reflexion 2 Reflexion 3 Erstaufführung Sinfonietta Streitbar Tänzerisches Intermezzo Feierlich Erstaufführung ZUR EINFÜHRUNG Vier profilierte Vertreter der mittleren bzw. jüngeren Komponistengeneration unserer Republik, sämtlich Mitglieder des Verbandes Deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler, Bezirksverband Dresden, die im Musikleben unseres Staates längst gewichtige, geachtete Positionen einnehmen, mit zahlreichen bedeutsamen, gültigen Werken an die Öffentlichkeit traten und auch interna tionale Beachtung gefunden haben, sind in unserem heutigen Diskussionskon zert mit charakteristischen Schöpfungen berücksichtigt. Es wird für Komponisten, Interpreten und Hörer gleichermaßen nützlich sein, im Anschluß an die Auf führung der zur Diskussion gestellten Werke miteinander ins Gespräch zu kom men, einen Meinungsstreit über unterschiedliche Ansichten, Eindrücke, über An sprüche und Forderungen an unser neues Kunstschaffen usw. zu führen. Der lebendige Kontakt, die Begegnung zwischen Komponisten, Interpreten und Hörer, wie sie die Form unserer Veranstaltung ermöglicht, trägt zweifellos dazu bei, das Verständnis und die Aufnahmebereitschaft für die sozialistische Musikkultur unserer Zeit zu fördern und zu vertiefen. Solchermaßen sei das besondere An liegen unseres Diskussionskonzertes verstanden. Rolf- Dieter Arens, der Solist unseres heutigen Konzertes, wurde 1945 in Zinnwald geboren. Nach erster Unterweisung im Klavierspiel durch Prof. O. Keller in Leipzig studierte er von 1963 bis 1968 an der Leipziger Musikhochschule bei Prof. Heinz Volger. Am gleichen Institut wurde er 1968 Aspirant und 1970 Assi stent. 1966 errang der junge Pianist ein Diplom im Liszt-Bartök-Wettbewerb in Budapest, 1968 wurde er Bachpreisträger in Leipzig und erhielt im gleichen Jahr einen 2. Preis anläßlich der Weltfestspiele in Sofia. Rolf-Dieter Arens konzer tierte in der DDR, in der CSSR, in Bulgarien und in der Sowjetunion und pro duzierte zahlreiche Funkaufnahmen. Siegfried Köhler steht mit einem seiner jüngsten Werke am Beginn unseres Programms. Der 1927 in Meißen Geborene absolvierte 1946 bis 1950 sein Kompositionsstudium an der Staatlichen Akademie für Musik und Theater in Dresden und studierte anschließend bis 1955 an der Leipziger Universität Musikwissenschaft (bei Prof. Dr. Walter Serauky) und Kunstgeschichte. Seine Kompositionslehrer waren Fidelio F. Finke und Herbert Viecenz. Von 1952 bis 1957 wirkte Siegfried Köhler als 1. Vorsitzender des Verbandes Deutscher Kom ponisten und Musikwissenschaftler im Bezirksverband Leipzig. 1955 promovierte er in Leipzig mit der Arbeit „Die Instrumentation als Mittel musikalischer Aus drucksgestaltung" zum Dr. phil. Von 1957 bis 1963 war er als Direktor der Internationalen Musikbibliothek in Berlin tätig. 1959 wurde er Präsident der Ländergruppe DDR der Unesco-Organisation Association Internationale des Bibliotheques Musicales. 1963 bis 1968 gehörte er als Künstlerischer Direktor zum Verband des VEB Deutsche Schallplatten. Seitdem ist er Rektor der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden. Das kompositorische Schaffen des mehrfach ausgezeichneten, verdienstvollen Künstlers, das auf realistischen, volksverbundenen, vielfach programmatisch bestimmten Ausdrucksgehalt ebenso wie auf progressive parteiliche Wirksamkeit bedacht ist, entfaltete sich zunächst vor allem in den Genres textgebundener Musik. So schuf er viele gern gesungene Jugend- und Massenlieder (z. B. „Heut' ist ein wunderschöner Tag"). Im Bereich der Vokalsinfonik erreichte er mit dem Poem „Reich des Menschen" einen bis herigen Höhepunkt. Daß er gegenwärtig — im Auftrag der Dresdner Philharmo nie — an einer großangelegten Chorsinfonie „Wir — unsere Zeit" nach Dichtun gen Johannes R. Bechers arbeitet, sei an dieser Stelle bemerkt. Auch eine Oper, „Der Richter von Hohenburg", liegt vor. Neben der Kammermusik bedachte der Komponist nicht zuletzt die Orchestermusik. Hier sind vor allem die „Sinfonie der Jugend" (1964'65) op. 25 und die Sinfonie 69 op. 37 (1968) zu nennen. Uber seine neueste sinfonische Arbeit, die im Auftrag des Orchesters des Theaters der Stadt Cottbus entstand und am 5. März 1971 daselbst uraufge führt wurde, äußerte Prof. Köhler folgendes: „Ich habe mir die Aufgabe gestellt, in der Sinfonietta op. 45 in knapper Form Realitäten unseres Lebens, des Heute und Hier widerzuspiegeln. Geboten werden Aspekte, perspek tivische Ausschnitte und Einblicke, charakteristische Erlebnisbereiche, Gedanken modelle, Emotionen in dialektischer Konfrontation, die vom Hörer weitergedacht und -empfunden werden sollten. Die konzentrierte Form einer Sinfonietta zwingt dabei zu großer Verdichtung. Es geht mir darum, zur Klarheit des Denkens bei zutragen. Das ist nicht möglich ohne musikalische Zuspitzungen, Konflikte, Här ten, denen allerdings auch überzeugende Lösungen folgen müssen. Mein Ziel bleibt, zu einer Musik beizutragen, die — einem Wort Brechts über die Musik Hanns Eislers folgend — .Ansichten und Ausblicke einer neuen Welt aufzeigt, die sich eben bildet' und die beim Hörer .neue Zartheit und Kraft, Ausdauer und Wendigkeit, Ungeduld und Vorsicht, Anspruchsfülle und Selbstaufopferung 1 zu erzeugen vermag." Siegfried Kurz, 1930 in Dresden geboren, wurde in seiner Heimatstadt künstlerisch ausgebildet. Seit 1945 studierte er an der damaligen Staatlichen Akademie für Musik und Theater zunächst Trompete, gleichzeitig in der Kapell meisterklasse Ernst Hintzes sowie Komposition bei Fidelio F. Finke. 1949 wurde er als Leiter und Komponist der Schauspielmusik an das Staatstheater Dresden verpflichtet und wirkt seit 1960 als angesehener Kapellmeister (seit 1964 als Staatskapeilmeister) an der Dresdner Staatsoper. Seine kompositorische Hand schrift, die sich mehr und mehr von Vorbildern (wie Bartok) löste, zu eigener Note fand, ist gekennzeichnet durch ein musikantisches Temperament, durch Ein fallsreichtum und tänzerischen Schwung. Besonderen Erfolg hatte sein Trom petenkonzert, in dem das Soloinstrument mit brillanten und wirkungsvollen Auf gaben bedacht ist. Bevorzugte der Komponist in seinen früheren Werken kon zentrierte musikalische Aussagen von aphoristischer Kürze, so stieß er Ende der 50er Jahre zu ausgesponnenen sinfonischen Entwicklungen vor, gelangte er zu einem gereiften, ernsteren Stil. Im 1. Streichquartett wie in seinen beiden Sinfo nien (1958 und 1959) wurde die musikantische Haltung mit einer weitgespann ten Zielsetzung und einer konzentrierten thematisch-motivischen Auseinander setzung verbunden. Gleichzeitig wurde eine unorthodoxe Einbeziehung dode- kaphoner Mittel von dem Komponisten erprobt, der 1961 den Martin-Andersen- Nexö-Kunstpreis der Stadt Dresden und 1965 den Kunstpreis der DDR erhielt. Aus seiner Weikliste seien hier noch - neben verschiedenen Kammermusik schöpfungen — die Tänzerische Suite, das Divertimento für Klavier und Streich orchester, die Orchestermusik 1960, das Kammerkonzert für Bläserquintett und Streicher sowie eine Musik für Bläser, Streicher und Pauken genannt. Neuland erschloß sich Siegfried Kurz mit dem 1970 an der Dresdner Staatsoperette er folgreich uraufgeführten Musical „Jeff und Andy". über das am 2. Oktober 1964 von der Dresdner Staatskapelle unter Leitung des Komponisten mit Günter Kootz als Solisten uraufgeführte Konzert für Klavier und Orchester op. 32, ein Auftragswerk der Staatstheater, schrieb Ulrike Woelker: „Drei Sätze umfaßt das Klavierkonzert. Zwei bewegte Sätze umschließen einen ruhigen. Die Begleitung des ersten Satzes übernehmen Blechbläser, Schlagzeug und Harfe. Auf diesem Untergrund entstehen interes sante Klangkombinationen. Kurz wählt nicht zuletzt diese außergewöhnliche Besetzung, um dem vollgriffigen Klavierklang — im Hinblick auf das Klangvolu men — einen ebenbürtigen Partner im Orchester gegenüberzustellen. Die musi kalischen Triebkräfte im ersten Satz sind, wie immer bei Kurz, sehr vielschichtig: Lyrisches und Dramatisches, Verhaltenes und Leidenschaftliches, dynamische Spannung und statische Ausgewogenheit stehen nebeneinander, ergänzen und verschränken sich. Sowohl die Themen des ersten als auch der nachfolgenden