Volltext Seite (XML)
von diesen Worten seines Freundes, sondern vor ollem von dessen diesbezüg lichen Schöpfungen inspirieren lassen. So komponierte er im Jahre 1935 unter dem Einfluß Kodölyscher Kinderchöre seine 27 Chöre fürgleiche Stim men (2- und 3stimmige Sätze für Kinder-, Frauen- und Männerchöre) auf Volks liedtexte, die größtenteils 1937 von Budapester Schulchören uraufgeführt wurden. Hierbei handelt es sich in keinem Falle um Volksliedbearbeitungen; sämtliche dieser Chöre, aus denen heute eine kleine Auswahl zur DDR-Erstaufführung ge langt, sind auf Bartöks eigenen Themen aufgebaut. Daß ihre Stimmung, ihr Esprit, zahlreiche Melodiewendungen trotzdem so stark an ungarische Volkslieder erinnern, ist nur zu natürlich, da die Entdeckung der ungarischen Volksmusik grundlegend seine persönliche musikalische Sprache bestimmt. Die für unsere Aufführung ausgewählten Stücke, die in ihrer Art durchaus gleich wertig mit Bartöks „großen" Werken sind, zeigen einen wunderbaren Reichtum der Formen und des Ausdrucks. Neben strophischem Aufbau, Variationsformen begegnen u. a. auch mehrthemige „Mikroformen". Außerordentlich abwechs lungsreich ist das Verhältnis der einzelnen Stimmen zueinander. Bartök hat rei chen Gebrauch von den verschiedenen Möglichkeiten der polyphonen Struktur gemacht (Imitation, Kanon, Parallel- und Gegenbewegung). Zu Beginn des „Lockliedes" wird das Thema von der schlaginstrumentalartigen Begleitung der oberen und der unteren Stimme eingefaßt. Der Rhythmuskanon dieses Stückes weist überdies auf Bartöks 1. Klavierkonzert. Im 3. Klavierkonzert, das 10 Jahre später als die Chöre entstand, findet sich in den Schlußtakten des ersten Satzes motivische Identität mit dem letzten Takt des heiteren Chores „Brotbacken", der neben den Titeln „Mädchenspottlied", „Spottlied", „Locklied" zum Typus der tänzerisch pulsierenden Bartökschen Scherzosätze gehört. Ernstere Töne schlagen die Stücke „Einsamkeit", „Geh nicht fort!" und „Abschied" an. Zur Einweihung des Fester Theaters, die im Februar 1812 stattfand, verfaßte August Kotzebue (1761—1819), erfolgreichster deutscher Bühnenschriftsteller sei ner Zeit, das Stück „Die Ruinen von Athen". Ludwig van Beet hoven sollte dazu die Musik liefern. Er schrieb sie im Sommer 1811 während seines Badeaufenthaltes in Teplitz in der kurzen Zeit von nur drei Wochen. Die gesamte Schauspielmusik umfaßt 19 z. T. umfangreiche Stücke. Die „Ruinen von Athen" waren das Schlußstück der Einweihungsfeier des Fester Theaters. Eröffnet wurde sie durch das ebenfalls von Kotzebue gedichtete und von Beethoven mit Musik versehene Festspiel „König Stephan". Der Text Kotzebues, der Beethoven als Vorlage diente, befriedigt uns heute nicht mehr; schon 1860 wurde er in ei ner Theaterkritik „ein Meisterstück an Unsinn und Geschmacklosigkeit" genannt. Es handelt sich um ein höfisches Huldigungsstück: Athene (Athens Schutzgöttin) kommt nach zweitausend Jahren wieder nach Athen und findet, bedingt durch die türkische Fremdherrschaft, nur noch Ruinen vor. Darauf gelangt sie nach Pest, wo Kunst und Wissenschaft in hoher Blüte stehen und gerade das neue Theater eröffnet wird. Sie begrüßt das Ereignis mit den Worten „Das Alte schwand — das Neue begann". Beethoven hatte sich während der Aibeit einigermaßen mit dem Stück befreun det. Die Musik dazu trägt jedoch größtenteils Gelegenheitscharakter. Eine ge wisse Ausnahme bildet allerdings die Ouvertüre, deren Einleitung nicht auf den Hauptteil vorbereitet, sondern mosaikartig Anklänge und Zitate aus späte ren Nummern des Werkes bringt. Nach dieser Vorwegnahme von verschiedenen Themen erscheint das Allegrothema des Hauptsatzes. Es trägt festlichen, heite ren und beschwingten Charakter, entsprechend der Funktion der Ouvertüre als Einleitung einer Festspielmusik. Bartöks 1. Suite für großes Orchester o p. 3 entstand bereits im Jahre 1905, wurde aber nach einer fragmentarischen Uraufführung in Wien erst 1909 in Budapest vollständig zum ersten Male aufgeführt und 1920 nochmals überarbeitet. Es ist ein frühes Werk des Komponisten, das immerhin als Krö nung seiner ersten Schaffensperiode anzusehen ist. Damals stand der Musiker noch unter dem Eindruck der durch die Namen Erkel, Liszt und Mosonyi gekenn zeichneten ungarischen musikalischen Romantik. Stilelemente dieser Komponisten sowie Einflüsse der volkstümlichen ungarischen Gesellschaftsmusik des 19. Jahr hunderts, der sogenannten Zigeunermusik, des Csärdöstanzes verarbeitete Bar tök in der 1. Suite, aber auch Stileigentümlichkeiten von Richard Wagner (be sonders der ,,Meistersinger"-Partitur) und Richard Strauss haben Bartöks Schreibweise in diesem Jugendwerk entscheidend bestimmt. So zeigt die thema tisch und strukturell noch durchaus konventionelle 1. Orchestersuite den jungen Meister als einen heranreifenden Spätromantiker. Erst nach dieser Komposition fand Bartök zu seiner typischen stilistischen Eigenart, die ihn zu einem der ganz Großen unter den zeitgenössischen Komponisten werden ließ. über die Bedeutung der 1. Suite des ungarischen Meisters sagte Antal Molnar einmal folgendes: „Sie ist zu den großen musikalischen Werken des beginnen den Jahrhunderts zu zählen. Das Werk ist in seiner Gestaltung ebenso begrün det, einheitlich und folgerichtig, wie auch leicht und elastisch. Einige Motive bil den die Fundamente des Aufbaues. Sie fassen den Zyklus nicht nur äußerlich, sondern auch organisch tief verbunden zusammen. Die schöpferische Subjektivität gewährleistet auch hier die organische Einheit. Sucht man nach irgendeinem zum Werk passenden ,Programmgedanken', so kann in diesem Falle das heiße Zugehörigkeitsgefühl des jungen Komponisten zu seinem Vaterlande als ideeller Mittelpunkt angenommen werden. Dieser Patriotismus gleicht — obwohl in ganz anderem Rahmen und anderer Richtung — dem von Smetanas Zyklus .Mein Vater land'. Seine Bilder können jedoch kaum mit bestimmten Ereignissen und Gegen ständen in Zusammenhang gebracht werden; die Flut seiner Gefühle bewegt sich in zu vielerlei Richtungen; aber sein agiles Temperament erhält seinen hohen Wärmegrad ebenfalls von der Sonne des Vaterlandes." Der erste Satz (Allegro vivace), „ein mit Variationen verwobenes und manchen Eigenarten der Sonatenform verbundenes Rondo", weist ein typisch ungarisches Hauptthema auf, das die Grundstimmung des gesamten Werkes festlegt: kraft volle Ausgelassenheit und strahlende Freude. Einen Gegensatz hierzu bringt zunächst der zweite Satz (Poco adagio), „ein pastorales Lamento“. Leidenschaft liche Sehnsucht drückt auch das Nebenthema aus. Ein fast impressionistisch an mutendes Stimmungsbild, das die ungarische Pußtalandschaft malerisch schil dert, steht in der Mitte des Satzes, der schließlich wieder lamentohaft schließt. Scherzocharakter besitzt der dritte Satz (Presto) mit seinem hurtig dahinwirbeln den Springtanz. Ungemein kompliziert hat Bartök hier das traditionelle ABA- Formschema angewandt. Träumerische Lyrik drückt der vierte Satz (Moderato) aus, der wie ein Intermezzo angelegt ist. Den Höhepunkt des Werkes bringt das tänzerisch ausgelassene und dramatisch sich steigernde Rondo-Finale des fünften Satzes (Molto vivace), dem u. a. ein turbulenter „Csürdöngölö“-Tanz zugrunde liegt. Ausgelassenheit und gute Laune triumphieren. Das Hauptthema ist eine heitere Variante des musikalischen Gedankens, der den ersten Satz eröffnet. Auch mit motivischen Erinnerungen an andere Sätze der Suite arbeitet der Kom ponist im Finale, das recht eigentlich die gedankliche Zusammenfassung des gesamten Werkes darstellt. llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllilllliiiiiiiiiliiiiiiiiiiiiiiiiiilllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll