am Sonntag, dem 7. Februar 1971, 19.30 Uhr Konzert der Dresdner Philharmonie Dirigent: Kurt Masur Solist: György Gary, VR Ungarn Violine PROGRAMMFOLGE: Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu „Coriolan" c-Moll op. 62 1770 -1827 Allegro con brio Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 AUegro ma non troppo Larghetto Rondo (Allegro) PAUSE Bela Bartök 1881—1945 Konzert für Orchester Introduzione (Andante non troppo) Giuoco delle coppie (Allegretto scherzando) Elegia (Andante non troppo) Intermezzo interrotto (Allegretto) Finale (Pesante) ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethoven schrieb die Ouvertüre zu dem Schauspiel „Coriolan“ von Heinrich Joseph von Collin, op. 62, im Jahre 1807, in zeitlicher Nähe zur 5. Sinfonie, deren Tonart, c-Moll, sie übrigens aufweist. Die Uraufführung erfolgte in Wien im März des gleichen Jahres. Vermutlich erklang sie auch im Wiener Hoftheater zu Beginn der Aufführungen des Coriolan-Schauspieles, das der österreichische Dramatiker in freier Anleh nung an Shakespeares gleichnamige Tragödie geschrieben hatte. Während die Dichtung heute vergessen ist, gehört Beethovens Ouvertüre - übrigens seine einzige, die tragisch schließt - zum festen Bestand des Konzertrepertoires. Wie die 3. Leonoren-Ouvertüre mutet auch die Coriolan-Ouvertüre wie eine sinfonische Dichtung an. Collins Schauspiel führt uns in das antike Rom. Es berichtet vom Kampf der Plebejer gegen die Patrizier. Der stolze, ver blendete Coriolan verrät sein Vaterland, läßt die Bitten seiner patriotisch gesinnten Mutter ungehört und gerät schließlich in seiner Vermessenheit in einen ausweglosen Gewissenskonflikt, der zu seinem tragischen Unter gang führt. Bildhaft-realistisch hat Beethoven dieses Geschehen in seiner dramatischen, unmittelbar packenden Ouvertüre gestaltet, die sogleich mit der Vorstellung des problematischen Helden eröffnet wird (Allegro con brio). Coriolans trotziger, aufbegehrender Charakter wird zunächst durch heftige Akkordschläge, unterbrochen von Generalpausen, angedeutet, bis das herrisch wilde Hauptthema das Charakterbild deutlicher zeichnet. Das gesangvolle zweite Thema, die bittende Mutter symbolisierend, bringt den musikalisch inhaltlichen Gegensatz zu der aufgewühlten Stimmung des Hauptthemas. Aus dem Konflikt dieser beiden gegensätzlichen Themen entwickelt sich die faszinierende Dramatik des Werkes. Am Ende erlischt das stolze Coriolan- Thema todesmatt, düster in den tiefen Streichern, den selbstverschuldeten Untergang des Helden ausdrückend. Beethovens einziges Violinkonzert D-Dur, op. 61, aus dem Jahre 1806 entstand in unmittelbarer Nachbarschaft mit der 4. Sinfonie, dem 4. Klavier konzert und den Rasumowski-Quartetten, Das Konzert, das wohl das be deutendste dieser Gattung überhaupt ist, demzufolge zu den Standardwerken der Violinliteratur gehört, hatte Beethoven für den Konzertmeister des Theaters an der Wien, Franz Clement, komponiert, der es auch am 23. Dezember 1806 uraufführte, ohne allerdings damit eine restlos befriedigende Resonanz bei der Kritik finden zu können. In einzigartiger Weise sind im Beethovenschen Violinkonzert die ganz eigenen Möglichkeiten des Instrumentes erfaßt. Das Werk ist lyrisch, gefühlsbetont und ist als erstes seiner Art zum Prüfstein geigerischer Kunst geworden, obwohl es eigentlich nur im Finale ausge sprochene Virtuosität fordert. Vollendung der Form, Tiefe und Schönheit der Gedanken, idealer Ausdruck klassischen Humanismus - das sind Vor züge des Werkes, das bei aller Universalität des zur Darstellung gelangenden Weltbildes jedoch mehr zu gelassener Ausgewogenheit als zur Überwindung dialektischer Spannungen neigt.