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DRESDNER PHILHARMONIE ZUR EINFÜHRUNG Freitag, den 5. Februar 1971, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. KONZERT IM ANRECHT C Dirigent: Kurt Masur Solist: György Garay, VR Ungarn Leipzig, Violine Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu „Coriolan" c-Moll op. 62 1770-1827 Allegro con brio Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 Allegro ma non troppo Larghetto Rondo (Allegro) PAUSE Bela Bartök 1881-1945 Konzert für Orchester Introduzione (Andante non troppo) Giuoco delle coppie Elegia (Andante non Intermezzo interrotto Finale (Pesante) (Allegretto scherzando) troppo) (Allegretto) GYÖRGY GARAY, seit 1960 erster Konzertmeister des Rundfunk-Sinfonieorche sters Leipzig, ist gebürtiger Ungar. Er studierte an der Franz-Liszt-Hochschule in Budapest u. a. bei Jenö Hubay. Ab 1926 wirkte er solistisch und als Primarius des Garay-Quartetts in zahlreichen europäischen Ländern, war 1940 bis 1945 gleichzeitig Konzertmeister des Budapester Konzertorchesters, 1945 bis 1950 erster Konzertmeister des Staatlichen Budapester Opernhauses und danach in gleicher Stellung beim Staatlichen Konzertorchester. 1945 bis 1949 war er außer dem als Dozent am Konservatorium und danach bis 1962 als Professor an der Musikhochschule in Budapest tätig. Bei der Dresdner Philharmonie war er seit 1953 verschiedentlich zu Gast. Ludwig van B e e t h o v e n schrieb die O u v e r t ü r e zu dem Schau spiel „Coriolan“ von Heinrich Joseph von Collin op. 62 im Jahre 1807, in zeitlicher Nähe zur 5. Sinfonie, deren Tonart, c-Moll, sie übrigens aufweist. Die Uraufführung erfolgte in Wien im März des gleichen Jahres. Vermutlich erklang sie auch im Wiener Hoftheater zu Beginn der Auf führungen des Coriolan-Schauspieles, das der österreichische Dramatiker in freier Anlehnung an Shakespeares gleichnamige Tragödie geschrieben hatte. Während die Dichtung heute vergessen ist, gehört Beethovens Ouvertüre — übrigens seine einzige, die tragisch schließt — zum festen Bestand des Konzert repertoires. Wie die 3. Leonoren-Ouvertüre mutet auch die Coriolan-Ouvertüre wie eine sinfonische Dichtung an. Collins Schauspiel führt uns in das antike Rom. Es berichtet vom Kampf der Plebejer gegen die Patrizier. Der stolze, ver blendete Coriolan verrät sein Vaterland, läßt die Bitten seiner patriotisch gesinnten Mutter ungehört und gerät schließlich in seiner Vermessenheit in einen ausweglosen Gewissenskonflikt, der zu seinem tragischen Untergang führt. Bildhaft-realistisch hat Beethoven dieses Geschehen in seiner dramati schen, unmittelbar packenden Ouvertüre gestaltet, die sogleich mit der Vorstel lung des problematischen Helden eröffnet wird (Allegro con brio). Coriolans trotziger, aufbegehrender Charakter wird zunächst durch heftige Akkordschläge, unterbrochen von Generalpausen, angedeutet, bis das herrisch-wilde Haupt thema das Charakterbild deutlicher zeichnet. Das gesangvolle zweite Thema, die bittende Mutter symbolisierend, bringt den musikalisch-inhaltlichen Gegen satz zu der aufgewühlten Stimmung des Hauptthemas. Aus dem Konflikt dieser beiden gegensätzlichen Themen entwickelt sich die faszinierende Dramatik des Werkes. Am Ende erlischt das stolze Coriolan-Thema todesmatt, düster in den tiefen Streichern, den selbstverschuldeten Untergang des Helden ausdrückend. Beethovens einziges Violinkonzert, D-Dur op. 61, aus dem Jahre 1806 entstand in unmittelbarer Nachbarschaft mit der 4. Sinfonie, dem 4. Klavierkonzert und den Rasumowski-Quartetten. Das Konzert, das wohl das bedeutendste dieser Gattung überhaupt ist, demzufolge zu den Standardwerken der Violinliteratur gehört, hatte Beethoven für den Konzertmeister des Theaters an der Wien, Franz Clement, komponiert, der es auch am 23. Dezember 1806 uraufführte, ohne allerdings damit eine restlos befriedigende Resonanz bei der Kritik finden zu können. In einzigartiger Weise sind im Beethovenschen Violin konzert die ganz eigenen Möglichkeiten des Instrumentes erfaßt. Das Werk ist lyrisch, gefühlsbetont und ist als erstes seiner Art zum Prüfstein geigerischer Kunst geworden, obwohl es eigentlich nur im Finale ausgesprochene Virtuosität fordert. Vollendung der Form, Tiefe und Schönheit der Gedanken, idealer Aus druck klassischen Humanismus — das sind Vorzüge des Werkes, das bei aller Universalität des zur Darstellung gelangenden Weltbildes jedoch mehr zu gelas sener Ausgewogenheit als zur Überwindung dialektischer Spannungen neigt. Vier leise Paukenschläge, die im ganzen Satzverlauf späterhin motivische Bedeutung haben, eröffnen die Orchestereinleitung des ersten Satzes (Allegro ma non troppo), die das thematische Material mit sinfonischer Impulsivität an das Soloinstrument weitergibt. Zwei Themen werden entwickelt. In den Oboen, Klarinetten, und Fagotten erklingt zunächst das gesangvolle Hauptthema, dem nach einem energischen Zwischensatz ein zweites lyrisches D-Dur-Thema der Holzbläser von bezaubernder Schlichtheit folgt. Nach der Entwicklung dieses Themas, die zu einem kraftvollen Höhepunkt mit einer neuen, daraus hervor wachsenden Melodie führt, setzt die Sologeige, zurückhaltend von Bläsern und Pauken begleitet, mit leichter Abwandlung des Hauptthemas in hoher Lage ein. Und nun beginnt ein herrlicher Zwiegesang mit dem Orchester. In kaum zu