Volltext Seite (XML)
30. Oktober 1970, 20 Uhr Freitag, den Sonnabend, den 31. Oktober 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden Dirigent: Witold Rowicki, VR Polen Antonio Vivaldi Sinfonia C-Dur Allegro — Andante — Presto 1678-1743 PAUSE Petruschka - Burleske Szenen in vier Teilen Petruschka Der Mohr — Walzer IV. Sinfonie Nr. 94 G-Dur (Mit dem Paukenschlag) Fastnacht und Jahrmarktstreiben — Russischer Tanz Menuetto (Allegro molto) Finale (Allegro molto) Joseph Haydn 1732-1809 Igor Strawinsky geb. 1882 Adagio cantabile - Vivace assai Andante DRESDNER PHILHARMONIE Fastnacht und Jahrmarktstreiben — Tanz der Ammen — Der Bauer und der Bär — Zigeuner und Kaufmann — Tanz der Kutscher — Tanz der Masken — Streit des Mohren mit Petrusch ka — Petruschkas Tod - Polizei und der Gaukler — Petruschkas Geist ZUR EINFÜHRUNG In Venedig geboren, wurde Antonio Vivaldi zunächst gleich seinem Vater Kirchengeiger am Markusdom und war dann als Hofkapellmeister in Mantua, später als Konzertmeister bei einem venezianischen Waisenhaus orchester tätig. 1703 wurde er zum Priester geweiht (als solcher erhielt er den Beinamen „II preto rosso" = der rothaarige Priester). Zwischen 1725 und 1735 wirkte er als Opern-Impresario (zum großen Teil auf Reisen) und komponierte in dieser Zeit eine große Zahl von Bühnenwerken. Völlig verarmt soll er im Jahre 1741 in Wien gestorben sein. Vivaldi, dessen große Bedeutung in unserer Gegenwart immer mehr erkannt und gewürdigt wird, war ein außerordentlich fruchtbarer Komponist. Sein Ruhm beruht vor allem auf seinen Instrumental konzerten; daneben schrieb er u. a. Violinsonaten, Concerti grossi, zahlreiche weitere Kammermusikkompositionen, Kirchenmusik und Opern. Vor einiger Zeit hat der österreichische Musikwissenschaftler und Viva Idi-Spezia Iist Walter Kolneder noch über fünfhundert bisher unbekannte, verlorengeglaubte Werke Vivaldis entdeckt, bei denen es sich sogar um den wertvollsten Teil des Schaffens des Komponisten handeln soll. Nach der Auswertung dieser Kompo sitionen, deren Entdeckung als eine wirkliche musikhistorische Sensation gewertet werden muß, werden sich höchstwahrscheinlich noch ganz neue Aspekte für die Deutung des Vivaldischen Gesamtschaffens eröffnen. Gewiß haben Vivaldis Sinfonien nicht im gleichen Maße erregend auf seine Zeitgenossen gewirkt wie seine Orchester- und Solokonzerte. Doch sind sie seinerzeit viel gespielt worden und haben zweifellos für die Entwicklung der Gattung grundsätzliche Bedeutung. Bei diesen Werken handelt es sich um kurze dreisätzige Stücke, die meist als Vorspiele bzw. Einlagen bei Opern-, Oratorien- und Kantatenaufführungen verwendet wurden. Von dem das Musik leben seiner Zeit beherrschenden Sinfoniatypus der neapolitanischen Schule unterscheiden sich Vivaldis Sinfonien dadurch, daß in ihnen der langsame Mittelsatz bereits zu einem in sich geschlossenen Musikstück, zu einer Art instrumentalen Arie ausgebildet ist und sowohl durch seine Molltonart wie die zum Piano oder Pianissimo verminderte Tonstärke in starkem Gegensatz zu den beiden schnellen Dur-Ecksätzen mit überwiegendem Forte steht. Ein solches Werk mit ausgebauter dreisätziger Anlage bei selbständigem Mittelsatz ist die heute erklingende Sinfonia für Streichorchester C-Dur, die wahrscheinlich im Jahre 1716 als Einleitung zu einer Oper komponiert wurde und handschriftlich von dem Konzertmeister Johann Georg Pisendel der Dresd ner Hofkapelle mit nach Dresden genommen wurde (Pisendel hatte damals den Unterricht Vivaldis genossen). Aus Pisendels Nachlaß kam das Manuskript später wie so viele Vivaldi-Handschriften in den Besitz der Sächsischen Landes bibliothek. Der rhythmische Schwung und das Brio der schnellen Ecksätze, die Anmut des langsamen Mittelsatzes, überhaupt der Reichtum der melodischen Einfälle und die Leichtigkeit ihrer formalen Gestaltung machen das Werkchen zu einem Kleinod Vivaldischer Kunst. Besonders Andante- und Prestoteil, jeweils dreistimmig angelegt, beeindrucken durch ihre Eleganz und Leichtigkeit. Joseph Haydn schrieb seine Sinfonie Nr. 94 G-Dur im Jahre 1791. Sie heißt wegen eines überraschenden lauten Paukenschlages im 16. Takt des Andante des zweiten Satzes, der bis zu diesem Takte im zartesten Piano verläuft, die „Sinfonie mit dem Paukenschlag". Unter diesem Namen ist sie volkstümlich geworden. Der „Paukenschlag" ist ein Zeichen für allerlei, womit sich Haydn auseinanderzusetzen hatte. Zunächst war Haydn, den wir heute fälschlicherweise gern den „Papa Haydn" nennen, womit wir ihm eine gewisse Genügsamkeit und auch Begrenztheit seines Wesens und Temperaments andichten, zu seiner Zeit ein wagemutiger und kühner Experimentator, der in seinen Werken allerhand riskierte. Er experimentierte also in diesem Werke mit sehr unterschiedlichen nungen im internationalen Musikleben unserer Tage. Der 1914 in Taganrog geborene Künstler, Schüler M. I. Piotrowski und B. Wallek-Walewski, trat zunächst als Geiger hervor, WITOLD ROWICKI, der polni sche Meisterdirigent, Künstlerpersönlichkeit von geprägter Individualität starker Faszinationskraft, gehört zu den interessanten Erschei- von A. Malawski, ehe er sich aus schließlich als Dirigent betätigte. 1945 gründete er das Polnische Rundfunksinfonieorchester, 1950 übernahm er die Leitung der Polnischen Nationalphilharmonie Warschau, die er zu einem europäischen Spitzenorchester heranbildete. Witold Rowicki gastierte in nahezu allen europäischen Ländern sowie in Afrika, Asien, Nord- und Südamerika. Sein besonderes Verdienst ist die unermüdliche Propagierung zeitgenössischer Musik. 1966 wurde der Künstler für sein Wirken als einer der hervorragenden Initiatoren des neuen polnischen Musiklebens, als gefeierter Dirigent im In- und Ausland sowie als gesuchter Pädagoge mit dem polnischen Staatspreis geehrt. Bei der Dresdner Philharmonie war er bereits in den Jahren 1949 und 1959 ZU Gast.