DRESDNER PHILHARMONIE Dienstag, den 2. Juni 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 12. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Ludwig van Beethoven 1770-1827 Dirigent: Kurt Masur Solisten: Ute Mai, Leipzig, Sopran Johannes Kemter, Dresden, Tenor Karlheinz Stryczek, Dresden, Bariton Günter Kootz, Leipzig, Klavier Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Wolfgang Berger Fantasie für Klavier, gemischten Chor und Orchester c-Moll op. 80 Adagio — Allegro — Allegretto ma non troppo PAUSE Carl Orff Carmina burana geb. 1895 Weltliche Gesänge für Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten Zum 75. Geburtstag des Komponisten am 10. Juil 1970 Ludwig van Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester c-Moll op. 80 entstand im Jahre 1808. Sie wurde für eine große „Akademie" des Komponisten im Dezember des Jahres geschrieben, bei der auch die 5. und 6. Sinfonie, Teile aus der C-Dur-Messe und das 4. Klavier konzert zur Uraufführung gelangten, und wurde erst ganz kurz vor diesem Konzert geschaffen, dessen „glänzendes Schlußstück" sie nach der Aussage von Beet hovens Schüler Czerny bilden sollte. Weiter berichtete Czerny zur Entstehung des Werkes, das in einer so ganz ungewöhnlichen Form — einer Verbindung von soli- stischen Klavierimprovisationen, Klaviervariationen und Chor mit Orchesterbe gleitung — gestaltet wurde: „Er (der Komponist) wählte ein schon viele Jahre früher komponiertes Lied, entwarf die Variationen, den Chor usw., und der Dichter Kuffner mußte dazu schnell die Worte nach Beethovens Angaben dazudichten. So entstand die Phantasie mit Chor op. 80. Sie wurde so spät fertig, daß kaum pro biert werden konnte." Bei dem „früher komponierten Lied" handelte es sich um die Vertonung des Gedichtes „Gegenliebe" von Gottfried August Bürger aus dem Jahre 1795, dessen volksliedhafte Melodie auch unverkennbare Ähnlichkeit mit dem Hauptthema des Schlußsatzes der Neunten Sinfonie aufweist. (Durch diese Tatsache und durch die bereits hier erfolgte Verbindung von Instrumental- und Chorsatz wurde die Chorfantasie — wie die Komposition allgemein kurz genannt wird — häufig als Vorstudie zur Neunten bezeichnet, womit man der Eigenart und dem eigenen Wert dieses frühen Werkes jedoch nicht gerecht wird.) Der nach träglich „schnell dazugedichtete" Text der Chorfantasie, der höchstwahrscheinlich von dem Wiener Dichter Christian Kuffner verfaßt wurde, stellte Beethoven aber, wie u. a. aus einem Schreiben an den Verlag Breitkopf & Härtel hervorgeht, nicht zufrieden. Der Wunsch des Komponisten nach einer neuen Textgestaltung bei ähnlicher Grundhaltung wurde in unseren Tagen erfüllt, als Johannes R. Becher anläßlich der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Jahre 1951 eine Neufassung des Originalgedichtes erarbeitete, in der die Kerngedanken des Textes in einer klaren und verständlichen Form den Menschen unserer Zeit nahegebracht werden. Das Werk beginnt mit einem umfangreichen, virtuosen c-Moll-Vorspiel des gleich sam frei improvisierenden Soloinstrumentes ohne Orchesterbegleitung (Adagio). Nach dieser feierlichen Einleitung setzen im Allegro-Teil die Orchesterbässe mit einem düsteren Marschthema ein, auf das das Klavier mit nachdenklichen Fragen reagiert. Dann ertönen in Hörnern und Oboen lockende Rufe, und endlich erklingt zur Hörnerbegleitung im Soloinstrument das liebliche, einfache Hauptthema der Fantasie in C-Dur. Nun wird das Thema von Orchester und Klavier in mannig facher Weise variiert, bis es — in der achten Variation — zu einem lebhaften, feu rigen Marsch gesteigert, im Orchestertutti aufklingt. Wieder ertönt anschließend das Thema des Moll-Marsches, dann leitet das Klavier, das von jetzt an nur noch als Begleitinstrument erscheint, präludierend zum Einsatz des Chores über. Die drei Strophen des Liedes, zuerst von den Frauen-, dann von den Männerstimmen und schließlich vom ganzen Chor gesungen, münden im Schlußteil (Presto) bei den Worten „Wenn sich Geist und Kraft vereinen" in eine gewaltige musikalische Steigerung von hymnisch-monumentaler Kraft.