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DRESDNER PHILHARMONIE Donnerstag, den 27. August 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 1. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solist: Hannes Kästner, Leipzig, Orgel Johann Sebastian Bach Suite Nr. 3 D-Dur BWV 1068 1685-1750 Grave-Vivace Air Gavotte I und II Bourree Gigue Georg Friedrich Händel Konzert für Orgel und Orchester F-Dur op. 4 Nr. 4 1685-1759 Allegro Andante Adagio Allegro PAUSE Richard Strauss 1864-1949 Eine Alpensinfonie für großes Orchester und Orgel op. 64 Nacht - Sonnenaufgang - Der Anstieg - Eintritt in den Wald - Am Wasserfall — Auf blumigen Wiesen - Auf der Alm - Durch Dickicht und Gestrüpp auf Irrwegen _ Auf dem Gletscher — Gefahrvolle Augenblicke — Vision - Nebel steigen auf - Die Sonne verdüstert sich allmählich — Elegie - Stille vor dem Sturm - Gewitter und Sturm, Abstieg — Sonnenuntergang — Ausklang — Nacht HANNES KÄSTNER, Jahrgang 1929, war vom 10- bis zum ’ 8 ' Lebensjahr Mitglied des Leipziger Thomanerchores. Seit dem 13. Lebensjahr erhielt er Orgelunterricht von Prof. Günther Ramin, bei dem er auch von 1948 bis 1951 an der Leipziger Musikhochschule studierte. Noch vor Ab schluß des Studiums - am 1. Januar 1951 - wurde er in das Amt des Leipziger Thomas- organisten berufen. Hannes Kästner, der als Cembalist Mitglied des Bach-Orchesters des Leip ziger Gewandhausorchesters ist, außerdem im Fach Orgel an der Leipziger Musikhochschule lehrt, unternahm Konzertreisen (teils mit dem Thomanerchor, dem Bach-Orchester, teils allein) nach 30 Ländern Europas, Afrikas, Nord- und Südamerikas und Asiens. ZUR EINFÜHRUNG Johann Sebastian Bachs vier Orchestersuiten, von denen die beider ersten vermutlich noch der Zeit entstammen, in der er als fürstlicher Kapellmeister in Köthen wirkte, während die zwei anderen in Leipzig geschrieben wurden, stellen Musterbeispiele der Suitengattung dar und werden durch die besonderen Kenn Zeichen seines Stiles, durch die selbst in den Tanzsätzen spürbare kontrapunktische Arbeit und den Reichtum der Erfindung weit über den Charakter der Gebrauchs musik herausgehoben, als die sie ihr Komponist und seine Zeit wahrscheinlich nur empfanden. Der erste Satz (Ouvertüre) der dreichörigen Suite Nr. 3 in D-Dur für zwei Oboen,drei Trompeten, Pauken, Streich quintett und Continuo beginnt mit einem feierlichen Grave-Einleitungs- teil im punktierten Rhythmus, dem sich ein ausgedehntes Fugato anschließt. Trom peten und Pauken setzen helle Glanzlichter. Der zweite Satz ist der berühmteste ein Air, was Lied, Gesang, Arie bedeutet. Die unerhört ausdrucksvolle, ergreifende und zugleich trostvolle Melodie der Violinen dieses vom Streichquartett auszu führenden Satzes gehört zu Bachs gefühlsreichsten Einfällen (kein Wunder, daß sie in einer romantisch-gefühlvollen Bearbeitung verfälscht wurde). In den an schließenden beiden Gavotten wirken die Trompeten mit tonangebend. Nach einer Bourree folgt eine längere Gigue, in der ebenfalls der Trompentenchor register- haft eingesetzt ist. Georg Friedrich Händel, der große Zeitgenosse Bachs, in vielem sein Antipode, ließ im Jahre 1738 bei seinem Londoner Verleger John Walsh als Opus 4 eine Sammlung Orgelkonzerte erscheinen, mit denen er diese Gattung gewissermaßen begründete. Bekanntlich war es eine Gewohnheit Händels, sich zwischen den Akten seiner Oratorien auf der Orgel hören zu lassen. Er begann, wie Zeitgenossen uns überliefert haben, zunächst mit einem Präludium, dem er dann das Concerto folgen ließ, „welches er mit einem Grade von Geist und mutiger Sicherheit ausführte, dem niemals einer gleichzukommen sich vermaß". Was er bei derartigen Aufführungen meist improvisatorisch darbot, faßte er nun in die strenge Form eines Konzertes von drei bis vier Sätzen, „im Widerspiel von Tutti und Solo und ihrer gelegentlichen geistvollen Durchdringung“ (W. Siegmund- Schultze). Dabei hat er für seine Orgelkonzerte stets nur die intime Kammerform der einmanualigen Orgel benutzt, ohne jede Pedalwirkung. Das Orgelkonzert F-Dur op. 4 Nr. 4, wohl Händels berühmtester Schaffensbeleg in dieser Gattung, bereits 1735 vollendet, ist ein besonders welt frohes, beschwingtes Werk. Der prächtige erste Satz (Allegro) beginnt mit einem aus volkstümlichen Dreiklangsbrechungen gebildeten Thema in unisono, das in seiner lapidaren Einfachheit eine der einprägsamsten Melodien Händels darstellt. Noch schöner ist der folgende B-Dur-Andantesatz, dessen Hauptthema sogleich vom Soloinstrument eingeführt wird. Der Satz ist in seiner Verbindung von Innig keit und Kraft, von kontrapunktischer, virtuos-ornamentaler und volksliedhafter Thematik eines der herrlichsten Instrumentalstücke Händels. Nach einem kurzen Adagio folgt sodann das wirkungsvolle Schluß-Allegro mit einem wiederum sehr einprägsamen Kopfmotiv. In den Jahren 1911 bis 1915 - neben der Arbeit an der „Ariadne auf Naxos" op. 60, dem „Festlichen Präludium" op. 61, der „Deutschen Motette" op. 62, der