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seiner Musik, auch in den Spätwerken der 20er und 30er Jahre, immer Russe ge blieben, ein typisch russischer Künstler, dessen Schaffen deutlich nationale Merk male trägt. Das Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18 gehört neben dem populären Klavier-Prelude cis-Moll zu den bekanntesten Schöpfungen dieses russischen Meisters. Es wurde in seiner glücklichsten Schaffensperiode geschrieben und weist alle Kennzeichen seines Personalstils auf: virtuose Behandlung des Soloinstrumentes, spätromantische Farbigkeit, eine Vorliebe für ausdrucksvoll pathetische Balladenstimmung, eine dunkel-schwärmerische Lyrik, eine Neigung zu stimmungshaft-melanchoiischer Elegie, andererseits leidenschaftliche Aus brüche, ohne daß die Eleganz seiner ungewöhnlich reichhaltigen Melodik durch heftige dramatische Auseinandersetzungen beeinträchtigt würde. Das Verstehen des Werkes bietet keinerlei Schwierigkeiten. Lyrische Intensität besitzt das Haupt thema (in der Klarinette und den Streichern) des großflächig und kontrastreich angelegten ersten Satzes (Moderato). Der zweite Satz (Adagio sostenuto) stellt eine typisch Rachmaninowsche Elegie dar, die sich leidenschaftlich steigert und in Kadenzen dem Solisten Gelegenheit zu virtuoser Entfaltung gibt. Das Haupt thema dieses Satzes erklingt zuerst in der Soloflöte. Während die ersten beiden Sätze des Konzertes vor allem durch eine breite Entwicklung der Melodik gekenn zeichnet sind, so gewinnt das mitreißende Finale (Allegro scherzando) seine Über zeugungskraft vor allem aus seinen überwältigenden rhythmischen Energien. Der Kraftstrom, der von dieser Musik ausgeht, ist bezwingend. Rachmaninow hat übri gens das klavieristisch ungemein dankbare Werk selbst verschiedentlich in Deutschland gespielt. Die vor reichlich hundert Jahren von Franz Liszt begründete, in seinem Schüler- und Freundeskreis weitergeführte und dann kurz vor der Jahrhundertwende durch Richard Strauss auf ungeahnte Höhen geführte Gattung der sinfonischen Dich tung, das heißt also eines musikalischen Werkes, das einem bestimmten literari schen, malerischen oder aus der Natur geschöpften „Programm" folgt und aus ihm seine Formgesetze ableitet, hat in musikästhetischen Auseinandersetzungen seit je ein lebhaftes Für und Wider erregt. Den erlösenden Gedanken hat Richard Strauss ausgesprochen, als er sagte: „Auch Programmusik ist nur da möglich und nur dann in die Sphäre des Künstlerischen gehoben, wenn ihr Schöpfer vor allem ein Musiker mit Einfalls- und Gestaltungsvermögen ist." Einer solchen Forderung entsprach kaum ein anderer Komponist sinfonischer Dich tungen besser als Bed r ich Smetana. Schon in jungen Jahren war der zu nächst gänzlich unbekannte tschechische Musiker mit dem auf der Höhe seines europäischen Ruhmes stehenden, außerordentlich großzügigen und hilfsbereiten Franz Liszt in Verbindung getreten. Er begeisterte sich für dessen neuartige Ton sprache, vor allem aber für Liszts Überzeugung, daß die Musik des 19. Jahrhun derts nicht allein gekennzeichnet sei durch ihre innige Verschmelzung mit dichte rischen und naturhaften Vorstellungen und Programmen, sondern daß ihre Hal tung vor allem auch durch ihren nationalen Charakter bestimmt sei. So gewann Smetana sehr bald die Gewißheit, daß der Befreiungskampf der tschechischen Patrioten gegen die Habsburgische Kaisermacht und die reaktionären, zur Kolla boration mit Österreich bereiten Kreise nicht ohne die Hilfe der Musik geführt werden könne, und er entwickelte sich zu einem bewußten Kämpfer für die tsche chische Unabhängigkeit. Seine Opern und Instrumentalwerke sind nicht denkbar ohne diese von ihm klar erkannte Aufgabenstellung. Auch „Mein Vaterland", ein sechsteiliger Zyklus von sinfonischen Dich tungen, wurde ein gewichtiger Beitrag zur tschechischen Nationalkultur und ein Teil des ideologischen Kampfes. Er ist wesentlich mehr als nur eine Folge histori scher oder landschaftlicher Bilderbogen! Smetanas Tat ist um so bewundernswür diger, als er gewissermaßen einen Mehrfrontenkrieg führen mußte. Zudem traf ihn persönlich das größte Leid, das einem Musiker widerfahren kann: Wie Beet hoven verlor er sein Gehör. Aber statt zu resignieren, verdoppelte er seinen Ar beitseifer. In denselben Wochen des Jahres 1874, in denen ein Nervenleiden eine rasche Zersetzung seines Hörvermögens mit sich brachte, begann er die Arbeit am Zyklus „Mein Vaterland", den er nach Unterbrechungen durch die Komposition mehrerer Opern und etlicher Instrumentalwerke Ende 1878 beendete. Er hat also niemals mit dem äußeren Ohr vernommen, was seine Phantasie auf das Noten papier gebannt hatte! Die in der ursprünglichen Reihenfolge an vierter Stelle stehende Tondichtung „Aus Böhmens Hain und Flur" gilt der Natur des Landes, doch diese Schilderung so.l, wie der Verlauf zeigt, keineswegs als ruhiges Idyll empfunden werden. Während sich in der „Moldau" die Kontraste durch die wechselnden Landschaften und Stimmungen ergeben, tritt hier stärker ein kämpferisches Moment hervor. Es steht deutlich in Gegensatz zu den lyrischen und beschaulichen Episoden. Ohne so b^ stimmte Hinweise, wie sie uns Smetana in der „Moldau" gibt, hören wir denncÄ das Rauschen des Waldes, das Wogen der Felder und auch die Tänze und Lied^ des Volkes heraus. Indem der Komponist aber im Schlußteil der Tondichtung die fröhliche Polkamelodie mehrmals gewaltsam unterbrechen läßt, ehe sie sich voll entfalten kann, will er sicherlich mehr geben als nur „ein Erntefest oder irgendein Dorffest", wie er gelegentlich sagte. Die Unterbrechungen deuten zweifellos auf die dunklen und bösen Kräfte hin, die zur Zeit der Entstehung des Zyklus der Ent faltung einer tschechischen Nationaikultur im Wege standen. Der F'olkarhythmus verkörpert dagegen die gesunden, kämpferischen Kräfte des Volkes und gibt der Überzeugung des Meisters Ausdruck, daß sich sein Land einstmals frei entfalten wird. VORANKÜNDIGUNGEN: Sonntag, den 14. Juni 1970, 20 Uhr, Kulturpalast Dresden SONDERKONZERT zum Abschluß der II. Dresdner Sommerfesttoge Dirigent: Lothar Seyfarth Solistin: Honnerose Katterfeid, Berlin, Alt Sprecher: Joachim Zschocke, Dresden Werke von Beethoven Freier Kartenverkauf Sonnabend, den 20., und Sonntag, den 21. Ju 3. SERENADE Dirigent: Tadeusz Strugala, Wroclaw Solist: Werner Metzner. Klarinette Werke von Baird, Weber und Mozart i 1970, jeweils 18 Uhr, Schloßpork Pillnitz Freier Kartenverkauf Sonnabend, den 4., und Sonntag, den 5. Juli 1970, 18 Uhr, Schloßpork Pillnitz 4. SERENADE Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Helmut Rucker, Flöte Werke von Finke, Quantz und Haydn Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1969/70 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Hartwig Die Einführungen in die Sinfonie von Mirsojan und in das Werk Smetanas stammen von Martin Vogler bzw. Prof. Dr. Richard Petzoldt Druck: veb polydruck, Werk 3 Pirna - 111-25-12 3,2 ItG 009-70-70 (•hilhamnionii 10. PHILHARMONISCHES KONZERT 1969/70