Volltext Seite (XML)
DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 22. Mai 1970, 20 Uhr Festsaal des KuJturpalastes Dresden 5. KONZERT IM ANRECHT C ♦ Dirigent: Klaus Tennstedt, Schwerin Solistin: Natalia Gutman, Sowjetunion, Violoncello NATALIA GUTMAN wurde im Jahre 1942 geboren. Mit fünf Jahren begann sie bereits Cello zu spielen. Ersten Unterricht erhielt sie im Gnessin-Musikinstitut und in der Zentralmusik schule in Moskau. Schon als Schülerin konzer tierte Natalia Gutman in Riga, Kiew und Woronesch. Im Januar 1959 gab sie ihren ersten Soloabend, im Sommer des gleichen Jahres wur de sie beim Instrumentalisten-Wettbewerb wäh rend der Weltfestspiele der Jugend und Studen ten in Wien mit dem ersten Preis und einer Goldmedaille ausgezeichnet. Im Herbst 1959 trat Natalia Gutman ins Moskauer Staatliche Kon servatorium ein. 1961 errang die junge Künst lerin beim Allunionswettbewerb den zweiten Preis und beim Internationalen Dvoräk-Wettbe- Bb für Cellisten während des „Prager Früh- s" den ersten Preis sowie eine Goldmedaille. Leopold Stokowski, der berühmte amerikanische Dirigent, sagte bei dieser Gelegenheit, daß das Konzert von Natalia Gutman den stärksten Ein druck während jenes „Prager Frühlings" auf ihn gemacht habe. Die junge Cellistin, die heute Aspirantin am Leningrader Konservatorium in der Klasse des sowjetischen Meistercellisten Rostropowitsch ist, gehörte beim zweiten Inter nationalen Tschaikowski-Wettbewerb 1962 wieder um zu den Preisträgern. Mit der Dresdner Phil harmonie musizierte sie erstmalig 1965 und 1969. Ludwig van Beethoven 1770-1827 Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 C-Dur op. 72 a Sergej Prokofjew 1891-1953 Sinfonisches Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 125 Andante Allegro giusto Andante con moto - Allegro marcato Erstaufführung PAUSE Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Andante sostenuto — Moderato con anima Andantino in modo di canzona Scherzo (Allegro) Finale (Allegro con fuoco) zum Kapellmeisterberuf Von 1954 bis 1957 war er meister an den Städtischen Karl-Marx-Stadt tätig. 1958 Musikalischer Oberleiter an bühnen Sachsen in Dresden-Radebeul und wurde hier zum Generalmusikdirektor er nannt. 1962 bis 1969 wirkte er als Musi kalischer Oberleiter am Mecklenburgi schen Staatstheater Schwerin und entfaltet seitdem eine umfangreiche Gastspieltätig keit. Konzertreisen führten den Künstler u. a. in die CSSR, nach Westdeutschland, Schweden, Jugoslawien, Österreich und in die Sowjetunion. 1966 erhielt er den Fritz-Reuter-Kunstpreis, 1968 den Kunst preis der DDR. Mit der Dresdner Philhar monie musizierte er bereits in den Jahren 1966, 1967, 1968 und 1969. Anfang Januar 1952 schloß Sergej Prokofjew, bereits von schwerer Krankheit gezeichnet, die Partitur seines 2. Violoncellokonzertes ab, das er dem Meistercellisten Mstislaw Rostropowitsch widmete, der wesentlichen Anteil an der Gestaltung des Soloparts hatte. Mit Rostropowitsch als Solisten erlebte das Werk am 18. Februar 1952 in Moskau seine Uraufführung. Die küble Aufnahme veran laßte den Komponisten, im Laufe des Jahres 1952 eine Neufassung unter dem Titel Sinfonisches Konzert fürVioloncello e-Moll op. 125 vorzulegen. In dieser Gestalt darf das letzte Instrumentalkonzert, das Prokofjew fertigste"!len konnte, einen Platz in der Reihe der besten Werke des sowjetischen Meisters einnehmen. In Moskau erklang es erstmalig im Januar 1957 mit Rostro powitsch als Solisten und Kurt Sonderling als Dirigenten. Das jugendlichen Opti mismus ebenso wie verklärte Altersweisheit zum Ausdruck bringende, vornehmlich lyrische Werk nutzt orignell den großen Tonumfang des Soloinstrumentes in den tiefen wie hohen Klangregistern. Seine hohen technischen Ansprüche reihen es unter die schwierigsten Cellokonzerte. Die im Rückgriff auf freilich stark veränder tes Material des mißglückten 1. Cellokonzertes (1934 38) geschaffene Komposition hat drei Sätze: „ein langsames lyrisch-dramatisches Andante, ein breit ausgear-' beitetes, in seiner Thematik sehr abwechslungsreiches Scherzo (Allegro giusto) und ein kräftiges Finale mit Variations-Charakter. Der erste Satz stellt eine lyrische Einleitung dar. Die beiden Themen sind für die melodische träumerische Lyrik des späten Prokofjew typisch. An den zart gefärbten harmonischen Rückungen, an der Kühnheit und Eigenart der Intervall-Folgen ist die Eigenart des Komponisten leicht zu erkennen. Das erste Thema ist energisch, sein Lyrismus bezwingt durch innere Kraft und Männlichkeit. Das zweite Thema, ebenfalls von verhaltener Energie, erinnert an ein Leitmotiv Aschenbrödels. — Der zweite Satz nimmt in der Komposition den zentralen Platz ein. Das Hauptthema ist von mächtiger Energie und dramatischer Kraft erfüllt. Ein scharfer Kontrast entsteht in der Überleitung, in der der kraftvolle energische Ton von der grotes ken Komik eines halb phantastischen Tanzes abgelöst wird. Diese eigenartige Episode erinnert an den frühen Prokofjew. Das Streben nach liedhaft-melodischer Gestaltung erkennt man hingegen wieder in dem herrlichen Seitenthema. Aus KLAUS TENNSTEDT, den bedeutendsten Dirigentenpersönlich keiten unserer Republik gehört, wurde 1926 geboren. Er studierte in den Jahren 1942 bis 1944 Violine und Klavier an der Hochschule für Musik in Leipzig, wirkte dann zunächst als Konzertmeister in Hei delberg und Halle, ehe er 1951 in Halle überwechselte, als Kapell- Theatern in ging er als die Landes- ZUR EINFÜHRUNG Die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 C-Dur op. 72a, nach der „Eroica und in derem Geiste geschaffen, ihrem künstlerischem Gewichte nach weit mehr eine sinfonische Dichtung selbständigen Charakters als eine Opern-Ouvertüre, ist eine der meisterlichsten Schöpfungen Ludwig van Beethovens. Ge schrieben eigentlich für die Aufführung der zweiten „Fidelio"-Fassung am 29. März 1806 im Theater an der Wien, hat das Werk heute — wie auch die bei den Vorgängerinnen — längst seinen ihm gebührenden Platz, nämlich im Konzert saal, erhalten. Gewiß gleichen Konzeption und Hauptgedanken der 3. Leonoren- Ouvertüre der 2. Doch wurden die Themen bereichert, wurde die Struktur des Ganzen verfeinert, die Instrumentation glanzvoller ausgeführt und vor allem die sinfonische Entwicklung, ihre Dramatik differenzierter gestaltet. Dumpf und düster kündet die Adagio-Einleitung von Florestans Geschick. Hoff nung bringt der Allegroteil: einstimmig beginnen Celli und erste Geigen mit derrj Leonoren-Thema. Leonores Heroismus wird mit der finsteren Macht des anti humanen Gegners Pizarro konfrontiert. Auf dem Höhepunkt der dramatischen Auseinandersetzung kündet ein fernes Trompetensignal die Befreiung an. Auf atmend, tröstend gleichsam steigt nun jene Melodie auf, zu der in der Oper Leonorens Worte „Ach, du bist gerettet" ertönen. Dann wird der Hauptteil, als neugestaltete Erinnerung an den überstandenen Kampf, wiederholt. Ein triumphal jubelnder, revolutionärer Siegesmarsch und das Leonoren-Thema beenden das Werk mit hinreißendem Elan.