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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 13. Juni 1970, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 10. ZYKLUS-KONZERT • BEETHOVEN - PROKOFJEW Sergej Prokofjew 1891-1953 Dirigent: Lothar Seyfarth Solistin: Hannerose Katterfeld, Berlin, Alt Sprecher: Joachim Zschocke, Dresden Sinfonische Suite „Das Jahr 1941" op. 90 Im Kampf (Allegro tempestoso) In der Nacht (Lento) Für die Brüderlichkeit aller Völker (Andante maestoso) Deutsche Erstaufführung Ludwig van Beethoven 1770-1827 Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria op. 91 Erste Abteilung: Die Schlacht (Trommeln und Trom peten an der englischen Seite — Marsch: Rule Bri- tania — Trommeln und Trompeten an der französischen Seite - Marsch [Marlborough] - Aufforderung an der französischen und Gegenruf an der englischen Seite - Schlacht: Allegro - Sturm-Marsch: Allegro assai - Presto — Andante) Zweite Abteilung: Sieges-Sinfonie (Intrada: Allegro ma non troppo — Allegro con brio — Andante grazioso — Allegro con brio — Tempo di Menuetto moderato - Allegro) Erstaufführung PAUSE Musik zu Goethes Trauerspiel „Egmont" op. 84 Ouvertüre (Sostenuto, ma non troppo — Allegro) Lied (Clärchen): Die Trommel gerühret Zwischenakt I (Andante — Allegro con brio) Zwischenakt II (Larghetto) Lied: (Clärchen): Freudvoll und leidvoll Zwischenakt III (Allegro - Allegretto - Marcia vivace) Zwischenakt IV (Poco sostenuto e risoluto — Larghetto — Andante agitato) Clärchens Tod (Larghetto) Melodram (Egmont): Süßer Schlaf Sieges-Sinfonie (Allegro con brio) ZUR EINFÜHRUNG Am 22. Juni 1941 überfiel Hitler-Deutschland die friedlichen Länder der Sowjet union. Die Faschisten fanden ein Volk, das zu allen Opfern bereit war, um das Vaterland zu verteidigen. Auch die sowjetischen Komponisten unterstützten auf ihre Weise den Kampf gegen den Faschismus. Sergej Prokofjew, der zur Zeit des Kriegsausbruchs auf dem Lande bei Kratawo in der Nähe von Moskau weilte, fuhr sogleich in die Hauptstadt und erschien aufgeregt in den Räumen des Komponistenverbandes. Er erklärte, sofort die Arbeit an den heiter-friedlichen Werken „Die Verlobung im Kloster" und „Aschenbrödel" einzustellen, da die harte Kriegszeit andere Werke erfordere. So schuf er in diesen Wochen einen „Sinfonischen Marsch" op. 88, sieben Kriegslieder für Massenchor op. 89 und entwarf noch im Juli 1941 den Plan einer sinfonischen Suite „Das J a h r 1 9 4 1 " o p. 9 0. Dieses unmittelbar durch die Eindrücke der ersten Kriegstage angeregte Werk stellte er in dem Kaukasus-Städtchen Naltschik fertig, wohin er nebst and« ren sowjetischen Kunstschaffenden Anfang August 1941 evakuiert worden wa” Hier in Naltschik arbeitete er zu jener Zeit auch an den ersten sechs Bildern seiner großangelegten Tolstoi-Oper „Krieg und Frieden". Die noch ungedruckte sinfonische Suite „Das Jahr 1941" besteht aus drei Sätzen, die programmatische Titel haben: Im Kampf — In der Nacht — Für die Brüderlichkeit aller Völker. Der Komponist selbst sagte über die einzelnen Teile des Werkes: „Der erste ist ein Bild des heißen Kampfes, den die Zuhörer bald aus der Ferne, bald unmittelbar auf dem Schlachtfeld erleben. Das zweite Bild erzählt von einer Nacht, über der die Spannung einer bevorstehenden Schlacht schwebt. Das dritte Bild ist eine feierlich-lyrische Hymne auf den Sieg und die Brüderlichkeit unter den Völkern." Die 1943 in Swerdlowsk uraufgeführte Suite, die heute als deutsche Erstauffüh rung erklingt, gab die Grundlage zu Prokofjews im Dezember 1942 geschriebener Musik zu dem sowjetischen Film „Partisanen der Steppe". Die Schlacht- und Siegessinfonie op. 91 stellt ein Kuriosum im Schaffen Ludwig van Beethovens dar. Heute kaum noch aufgeführt, darf sie jedoch im Zusammenhang mit den großen Sinfonien des Meisters nicht übergangen werden. Sie verdient unser Interesse, weil sich in ihr eine vaterländi sche Begeisterung äußert, die das Verständnis für die in der gleichen Schaffens periode entstandenen und von dem gleichen Enthusiasmus erfüllten Sinfonien Nr. 7 und Nr. 8 fördert. Wurde sie doch auch in Gemeinschaft mit diesen Sinfo nien bei den großen, patriotischen Wiener Akademien im Dezember 1813 und mit kolossalem Aufwand aufgeführt, enthusiastisch begrüßt und in den nächsten Monaten mehrmals wiederholt. Fast überschattete damals ihr Erfolg den der zweifellos künstlerisch bedeutenderen Schwesterwerke und trug dazu bei, daß Beethoven als der größte Komponist Europas bewundert wurde. Die heutige Ui terschätzung ist nicht ganz gerechtfertigt. Zumindest darf die Siegessinfonie a' ein des Meisters würdiges Werk gelten. Der volle Titel der zweiteiligen Programm-Sinfonie lautet: „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria". Beethoven hielt sie für wert, mit der Werkzahl 91 in die Reihe seiner numerierten Werke eingegliedert zu wer den. Die Nachricht vom entscheidenden Sieg der Engländer unter Wellington über das napoleonische Heer in Spanien bei dem Dörfchen Vittoria am 21. Juni 1813 hatte die Wiener und mit ihnen Beethoven begeistert, da sie daraus Hoffnungen auf Erfolge für den weiteren Verlauf des Befreiungskampfes gegen den Eroberer Napoleon schöpften. Beethovens Freund Mälzel regte den Meister an, für den von ihm erbauten Musikautomaten „Panharmonikon" ein Tongemälde über das historische Ereignis zu komponieren. Beethoven folgte dieser Anregung im Som mer und Herbst 1813 und instrumentierte dann seine Schlacht- und Siegessinfonie für großes Orchester. Im ersten Teil stellt er naturalistisch die Schlacht dar, wozu HANNEROSE KATTERFELD, heute zu den besten Nachwuchs-Altistinnen unserer Republik gehö rend, wurde in Dresden geboren und wuchs in einem musikliebenden Elternhaus auf. 1955 bis 1961 studierte sie an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" in ihrer Heimatstadt und wurde nach Abschluß ihrer Studien an die Landesbühnen Sachsen verpflichtet, wo sie, bis 1966 wirkend, eine große Zahl interessanter Par tien ihres Fachs verkörpert hat. 1963 bis 1965 band sie außerdem ein Gastvertrag an die Ko mische Oper Berlin. 1966 wirkte sie erstmalig bei den Händel-Festspielen in Halle mit. Seit 1966 eine rege Gastspieltätigkeit entfaltend (u. a. an der Deutschen Staatsoper Berlin), trat die junge Künstlerin auch wiederholt mit Lieder abenden innerhalb der „Stunde der Musik" er folgreich in Erscheinung. Bei der Dresdner Phil harmonie war sie erstmalig im Jahre 1967 zu Gast. JOACHIM ZSCHOCKE, geboren 1928 in Essen, prominentes Mitglied des Dresdner Staatsschau spiels, studierte nach erster Begegnung mit künstlerischer Tätigkeit in Singegruppen und Spielgemeinschaften der FDJ an der Staatlichen Schauspielschule Berlin. Nach Engagements am Meininger Theater und am Landestheater Halle kam er 1963 an die Staatstheater Dresden, wo er seitdem eine Vielzahl bedeutender Rollen verkörperte (u. a. Richard III., Fiesko, Arturo Ui, Christian Maske in Sternheims „Snob", Alfred Loth in Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang", Reinhardt Barhaupt in Kleineidams „Von Riesen und Menschen" und Lenin in Steins „Zwischen den Gewittern"). Daneben erfüllte er zahlreiche Funk- und Fernsehaufgaben. Für sein bisheri ges verdienstvolles Dresdner Wirken wurde er 1968 mit dem Vaterländischen Verdienstorden ausgezeichnet.