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52 Saiteninstrumente durch unter schiedlichste Spieltechniken er zeugt - formt ein derart dichtes Ausdrucksgewebe, übersteigerte Klangballungen und dramatische Verdichtungen, bis am Ende ein überwältigender, im Fortissimo ein setzender Cluster-Klang (jedes der 52 Instrumente formt einen Ton, der sich vom Ton des Nachbarn durch eine Winzigkeit nach oben bzw. nach unten unterscheidet, im No tenbild dargestellt durch einen dicken Balken) langsam bis zur Un hörbarkeit entschwindet. Für uns, die wir solche Klänge niemals vor her gehört hatten, war das damals rational kaum faßbar, emotional hingegen unsagbar erregend, er schauernd, ja zerschmetternd, von einer schockartigen Wirkung, die von restloser Ablehnung bis zu kompromißloser Zustimmung reich te. Wir fühlten die furchtbare Bom be förmlich, erahnten die Schrek- kensbilder eines Weltuntergangs, spürten körperlichen Schmerz. Aber Musik? War das Musik? Aber gerade dieses Werk wurde später hin - in meiner Erinnerung jeden falls - zu einem Synonym für Pen- dereckis „Schreibart" in dieser Zeit. Und es wurde oftmals aufge führt, mehrfach auch durch die Dresdner Philharmonie, 1988 dort ein bisher letztes Mal. „Penderecki, der in den 60er Jah ren zu den Initiatoren einer soge nannten 'Klangfarbenkomposition' gehörte und damit wesentlich dazu beitrug, die in der Phase davor recht esoterische Neue Musik wie der fürs breite Publikum zu öffnen, erwies sich jedoch als kluger und innovativer Komponist gerade da durch, daß er bei den 'Errungen schaften', die ihn berühmt machten, nicht stehenblieb" (Hartmut Lück). Er öffnete sich nach den Werken mit extremen Geräusch- und Klang effekten aus seiner „Sturm- und Drang"-Zeit mehr dem melodischen Gestus und näherte sich wieder einer mehr traditionellen Klang- und Form-Aura, durchaus auf das 19. Jahrhundert zurückschauend. Er vertraute zunehmend mehr auf eine direkt ansprechende musikali sche Kraft, auf eine musikalische Ausdruckspalette, die in weiterem Umfang verstehbar ist. Avantgar degebaren wurde ihm selbst frem der. Aber gerade das machte ihn suspekt, ja er galt rasch bei den sich avantgardistisch Gebärden den als Abtrünniger, zumindest aber als ein Komponist, der sich ur plötzlich dem Geschmack eines größeren Publikums anbiedern wollte. Doch ganz so einfach la gen die Dinge nicht. „Man darf sich nicht beeinflussen lassen, wie die Außenwelt reagiert" - meinte Pendercki. Ein Suchender kann, ja muß in alle Richtungen sehen, nach vorn natürlich, aber auch Zurück liegendes beachten, darf nicht bei dem einmal Erreichten stehenblei ben. Penderecki wollte künstlerisch ausloten, welche weiteren Möglich keiten sich noch entwickeln lassen aus den musikgeschichtlich ge wachsenen Gegebenheiten. Er kann heute als ein Meister der mu-