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Dresdner Schulkonzerte SONDERKONZERT für Schüler der 9.-12. Klassen und Pädagogen Donnerstag, 3. Mai 1990, 17 Uhr, im Festsaal des Kulturpalastes Dresdner Philharmonie Dirigent: Jörg-Peter Weigle Einführung: Michael Liebscher Ludwig van Beethoven (1770-1827) Ouvertüre zu „Egmont“ f-Moll op. 84 Peter Tschaikowski (1840-1893) 5. Sinfonie e-Moll op. 64 (zum 150. Geburtstag am 7. 5.) Herausgeber: Rat der Stadt Dresden - Abteilungen Kultur und Volksbildung Text zur Einführung: Prof. Dr. phil. hab. Dieter Härtwig Redaktion und Gestaltung: Heinz Linke III 9 28 ItG 431/90 Über das sinfonische Schaffen Peter Tschaikowskis äußerte Dmitri Schostakowitsch einmal: „Tschaikowski fügt zur philosophischen Verinnerlichung in der sinfoni schen Musik Beethovens jene leidenschaftliche lyrische Aussage der verborgensten menschlichen Gefühle, die die Sinfonie, dieses komplizierteste Formgebilde der Musik, der breiten Masse des Volkes zugänglich macht und nahebringt.“ Und tatsächlich haben gerade die Sinfonien Tschaikowskis - ganz besonders seine 5. und 6. Sinfonie, die Gipfelwerke der Sinfonik überhaupt darstellen - eine Popularität wie wenige andere Werke dieser Gattung erreicht und entscheidend dazu beigetragen, den Namen ihres Schöpfers, der daneben vor allem durch seine Opern „Eugen Onegin“ und „Pique Dame“, seine Ballette „Schwanensee“, „Dornröschen“ und „Der Nußknacker , seine sinfonischen Dichtungen, seine Klavierkonzerte, sein Violinkonzert und seine Kammermusikwerke internatio nalen Ruhm errang, in aller Welt berühmt zu machen. Das gesamte, äußerst vielseitige Werk dieses großen Meisters ist durchdrungen von der tiefen Verwurzelung in der Volksmusik seiner russischen Heimat, gleichzeitig aber stets überaus eng mit dem Leben und Erleben des Kompo nisten verknüpft. Tschaikowskis 5. Sinfonie e-Moll op. 6 4 entstand im Sommer 1888 und wurde noch im gleichen Jahre unter Leitung des Komponisten in Petersburg uraufgeführt. Über ein Jahrzehnt war seit der Vollendung seiner 4. Sinfonie, der die 5. in der kompositorischen Anlage wie in ihrem Ideengehalt verwandt ist, vergangen. Nur zögernd begann er, von erfolgreichen Gastreisen im Ausland in den Jahren 1887/88 zurückgekehrt, mit der neuen Arbeit. „Ich bin nun endlich dabei, aus meinem stumpf gewordenen Hirn schwerfällig eine Sinfonie herauszuquetschen“, äußerte er in dieser Zeit. Dennoch schließlich weit eher, als beendete Tschaikowski das Werk er gedacht hatte. Aber gerade bei dieser Sinfonie kamen dem sehr selbstkritischen Kompo nisten immer wieder Zweifel, sie schwankte außerordent lich in seiner eigenen Einschätzung. So schrieb er noch kurz nach der Uraufführung: „Nachdem ich nun meine neue Sinfonie zweimal in Petersburg und einmal in Prag gespielt habe, habe ich die Überzeugung gewonnen, daß sie kein Erfolgswerk ist. Sie enthält etwas Abstoßendes, ein Über maß an Farbigkeit und Unechtheit, etwas Gewolltes, was das Publikum instinktiv erkennt . . . Bin ich denn wirklich ausgeschrieben, wie die Leute sagen?“ Wie sehr Tschai kowski sich mit diesen Zweifeln an dem bleibenden Erfolg seiner 5. Sinfonie irrte, ist längst erwiesen. Dieses Werk, dessen Programm ähnlich wie in Beethovens 5. Sinfonie die Überwindung des Schicksals, des Zweifels und der Dunkel heit durch Daseinsfreude und Zukunftslicht bildet, hat seine starke., unmittelbare Wirkung auf die Hörer bis heute immer wieder unter Beweis gestellt. .Mit einer langsamen, dunklen Einleitung, deren Thema das Grundthema der Sinfonie, ein in allen Sätzen wiederkeh rendes Schicksalsmotiv, darstellt, beginnt der erste Satz {Allegro con anima), Ein schnelles, rhythmisch-erregtes Thema, immer mehr gesteigert, folgt, „Zweifel, Klagen, Vorwürfe“ schrieb der Komponist neben die Skizze dieses Themas, Es kommt zu einer dramatischen Durchführung - dann endet der Satz düster resignierend, verlöschend im Pianissimo der tiefen Streicher, der Fagotte und der Pauke Im zweiten Satz, dem berühmten Andante cantabile, er klingt eine schwärmerische, lyrische Hornmelodie voller Sehnen und Glücksempfinden, Obwohl auch hier wieder zweimal die mahnende Stimme des düsteren Grundthemas drohend eindringt, dominiert doch in diesem Satz das an gedeutete Bild einer lichten Welt. - Ein rauschender, lang samer Walzer erscheint im dritten Satz, in dem freilich auch das dunkle Schicksalsmotiv wieder auftritt, an der Stelle des sonst üblichen Scherzos. - Doch das Finale bringt in seiner Wendung von Moll zu strahlendem E-Dur, in der Veränderung des Schicksalsthemas in einen heroischen Marsch schließlich Triumph und Sieg - die Überwindung der dunklen Mächte. Nach volkstümlichen russischen Tanz episoden im Hauptteil dieses Satzes wird das Werk in überschäumendem Jubel und Festesfreude beschlossen. JÖRG-PETER WEIGLE, 1953 in Greifswald geboren, erhielt seine erste musikalische Ausbildung mit sieben Jahren und war von 1963-1971 Mitglied des Leipziger Thomanerchores, in den letzten beiden Jahren zugleich Chorpräfekt. Von 1973 1978 studierte er an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin bei Prof. Horst Förster (Dirigieren), Dietrich Knothe (Chorleitung) und Prof. Ruth Zechlin (Kontrapunkt). Als Examensarbeit dirigierte er Bachs „Johannes-Passion“. Seine Ausbildung vervollständigte er durch Teil nahme am Weimerer Musikseminar 1976 und beim Internationalen Meisterkurs in Wien 1978. Von 1977-1980 war er Dirigent des Staatlichen Sinfonieorchesters Neubrandenburg. 1980 wurde er Leiter des Rundfunkchores Leipzig und 1985 Chefdirigent dieses Ensembles. Konzertreisen führten den Dirigenten u. a. nach Bulgarien, Öster reich. Italien, in die BRD, CSSR und nach Jugoslawien. Mit Be ginn der Spielzeit 1986/87 wurde Jörg-Peter Weigle zum Chef dirigenten der Dresdner Philharmonie berufen.