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Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1780077211-193907275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1780077211-19390727
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1780077211-19390727
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Zschopauer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-07
- Tag 1939-07-27
-
Monat
1939-07
-
Jahr
1939
- Titel
- Zschopauer Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1939
- Autor
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Zschopauer Tageblatt «ab Anzeiger Nr. »7. Rascher Wandel Erzählung von A l f r e H>R i ch t e r. Die junge französische Republik Halle ihre Feinde, und eS galt, Kriege zu führen. Tas war schwer, denn von Mannes- rucht konnte unter den jakobinischen Horden zunächst nicht die Rede sein. Es gelang aber schließlich, sie dennoch leidlich brauch bar zu machen, und als helvorragender Führer galt damals Dumouriez. Er siegle glänzend bei Jemappes, um so trauriger war die Niederlage, die ihm am 18. März 1793 die Oesterreicher in der Ebene vou Tirlemont bei Nerwinden beibrachten. „Das ist Verrat!" schrien sogleich die Männer der Blutgerüste. Der Regimentskommandeur Macdonald, neuernannser Oberst, der dem ihm zugeteilien Infanterieregiment der Picardie nachreiste, begegnete verwundert den Flüchtlingen von Nerwm- den, die alle Waffen weggeworfen hatten, aber aus vollem Halse patriotische Lieder brüllien, ein Gegensatz, den Macdonald nicht begriff. Er sollte bald noch größere Gegensätze erleben. Er fand sein Regiment in Olchies in Quartieren, nahe am Feind, der sich jetzt ruhig verhielt, und dies verstärkte abermals den Verdacht gegen Dumouriez, bestochen gewesen zu sein. Nun, das war er nicht, aber er machte einen der herr lichsten geschichtlichen Witze, die bekannt sind. Macdonald saß gerade beim Mittagessen, als ein Diener ihn eilends zur Post- halterci holte. Dort lehnten in ihrem Staaiswagen behäbig und würdevoll vier Mitglieder des gefürchteten Konvems. Sie hatte den Kriegsminister Beurnonville dabei, Macdonalds früheren Brigadegeneral, und sie waren auf der Fahrt zu Dumouriez, um ihn abzusetzen. Ties sagten sie zwar keinem Menschen, denn ie hielten es noch für ein Staatsgeheimnis, aber jedermann ah ihnen dieses Staatsgeheimnis an den Nasenspitzen an. Ja, ie wollten Dumouriez nicht nur absctzen, sondern ihn verhaften! Macdonald, in Eile nach den näheren Umständen des Rückzuges ausgefragt, konnte zu seinem Glück nichts aussagen, denn er war nicht dabei gewesen und wurde in Gnaden entlassen. Der Wagen rollte davon, alles schrie begeistert „Vive la republique!", und Macdonald ging in trüben Gedanken heim. Sehr fürchtete er für seinen Freund und Gönner Dumouriez. Am nächsten Tage war unter den Truppen ein Gewisper und Raunen, Augenzwinkern und Lachen. Am lustigsten war der Brigadeführer General Miaczinski. Und warum so viel heilloses Vergnügen? Nun, der unerschrockene Dumouriez hatte den fünfköpfigen Staatsbesuch in seinem Hauptquartier zu Saint-A/nand, sowie nur die Rede vom Verhaften war, selber verhaftet, nach Tournai abführen und geraden Weges den Oester reichern übergeben lassen. Er selber gedachte sogleich nach Paris zu rücken und den großmächtigen Konvent abzusetzen. Zuvor mußte er sich freilich, als Rückhalt, der festen Plätze Nordfrank reichs versichern. Vor allem brauchte er die Festung Lille, und sein Vertrauter Miaczinski sollte sich in ihr einniste«. Taher also Miaczinskis Freude, als er von der geglückten Verhaftung der Verhafter erfuhr. Und nun warf er sich aufs Pferd, übergab dem Oberst Macdonald — der von allem nichts ahnte — die Brigade mit dem Befehl, nach Lille nachzurücken, und galoppierte voraus. Aber Verrat über Verrat: Miaczinski hatte seine Umgebung ins Vertrauen gezogen, und einer dieser Offiziere, Georges, stahl sich fort, jagte nach Lille und verriet, was er wußte. Als Miaczinski lächelnd einritt, wurde er in ein Verlies geworfen. Dann schützte man sich gegen einen Ueberfall so, wie das bei Festungen möglich ist, und Macdonald, der nach wenigen Stunden an der Spitze der erwartungsvollen Brigade ankam, sah sich verwundert vor verschlossenen Toren und hochgezogenen Zugbrücken. Was war los? Niemand konnte es ihm sagen. Man klopfte, schrie und schalt, und endlich lugte ein Spitzgesicht herab und forderte den Oberst auf» allein hereinzukommen. Macdonald lehnte ab. Mit Recht. Er durfte seine Truppe nicht verlassen. Der droben verschwand, und die hungrigen Soldaten drunten sahen sich so verblüfft wie mißvergnügt an. Macdonald redete ihnen gut zu,, und sie machten sich Biwakfeuer, und da sie nichts aus die Zähnt bekamen, so sangen sie wenigstens, natürlich patriotische Lieder. Das heißt, Lobpreisungen auf die Republik. Natürlich. Den König hatte man ja glücklich ab- geschafft. Inzwischen geschahen neue Zurufe von oben. Man lockt« die Truppe in die Vorstadt Madeleine. Dort wären Zelte mit Lebensmitteln jeder Art aufgestellt, sie brauchten nur zuzulan gen. Wie die wilde Jagd stob die ganze Meute davon. Mac donald konnte nichts tun als folgen. Aber in der Vorstadt Made leine standen gar keine Zelte. Noch weniger gab es Lebensmittel. Und erneut wurde gefordert, daß der Oberst ohne Begleitung in die Stadt einircien sollte. „Warum?" schrien die erbosten Soldaten hinauf. Eine Weile war droben Stille. Dann hieß eS zögernd: „Er soll vorm Standgericht erscheinen!" Da war es vorbei mit dem Eiser für die von solchen arg listigen Wichten vertretene Republik. Zuerst schrien die Soldaten wütend: „Bluthunde! Ihr habt uns unseren Capet ermordet, nun soll wohl unser Kommandeur auch noch dran?" Und sie ließen „Ludwig Capet", den unglücklichen geköpften König, hoch leben und mit ihm das ganze Königtum. Macdonald beruhigte sie abermals. Ihm war der Vorfall peinlich. Und da er Furcht nicht kannte — er war der gleiche Macdonald, der später Marschall war —, so erklärte er, nun gerade würde er vor den Gerichtshof hintrelen, koste es ihm auch den Kopf, und die Soldaten schrien, er wäre ein Held und sollte es nur tun, und wenn man ihm in Lille auch nur ein Haar krümme, so wären sie auch noch da und würden die ganze Stadt in Asche legen. So schlimm wurde es dann nicht. Macdonald wurde zwar mit Mißtrauen behandelt, denn er entstammte einer Adels familie, und das war schlimm, aber von dem Verdacht der Mit wisserschaft beim Verrat Dumouriez' konnte er sich reinigen, und so ward er wieder aus dem Tore hinausgelassen. Seine Soldaten hatten unterdessen mit brennenden Lunten gewartet, fest über zeugt, daß man ihren Obxrst drinnen ermorden würde. Aber dann sollte auch Lille zur Hölle werden! , Wie nun der schon Totgeglaubte über die Zugbrücke daher- kam, empfing ihn unermeßliches Jubelgeschrei. Und um die guten Menschen gänzlich zu beruhigen, denn man durfte ihren wilden Naturen alle möglichen Ausschreitungen zumute«, sagte Macdonald leicht und obenhin: „Es war gar nichts. Kein Mensch denkt, daß ihr Verräter seid." Es wurde still. «Aber, was wollten sie denn von Ihnen, Oberst?" fragte endlich ein alter Sansculotte, der vorhin am lautesten „Es lebe der König" gerufen hatte. . „Es handelte sich einzig um euch, Kinder, um euer anstandi- ges Unterkommen für diese Nacht und um eine tadellose Ver pflegung." Das letzte war nicht mehr verständlich. Es ging unter m dem allgemeinen, donnernden Geschrei: „Es lebe die Republik!^ * Der Gmtz vom User Erlebnis auf einer KdF-Norwegenfahrt, erzählt von Karl Kurt Zregler. Jobst Herkins ist Matrose auf dem Krast-durch-Freud^ Dampfer „Oceana", der viele Hunderttausend« ferienfroher Ur- lauber aus allen Teilen unseres Vaterlandes in das Wunder land des Nordens schon gebracht hat. Jobst ist ein braver Ham- kurzer Jung mit einem großen Herzen, hat seine dreißig Lenze auf dem Buckel und den Schalk in den Augenwinkeln. Aber er hat auch ein Körnlein von dem, was man „Verstehen" heißt, das Schauen in die Seele eines anderen Du. — Ja, das kann er, der Jobst, und es ist oft so, daß er darüber ganz still wird, obgleich ihm das Pfeifen und Singen, und das Lachen in den Donnerstag, den S7. Inst lSSS lauten Tag gar nicht io fern liegen. Darum fällt es ihm auch immer so verdammt schwer, imocechten Augenblick still helfen z» könne«; dam ist e»ebe» zu ,raah und hart geworden in den Ahien auf See. Ein Hä«dedr»ut"sagt bei ihm alles, was ein anderer in schlichte Worte fassen könnte. Wenn aber Jobst eine Sache ganz tief z« Herzen geht, dann steckt er die Hände in die Hosentaschen, zieht die Oberlippe ein und spuckt ganz Plötzlich in den Wind, so heftig und so explosiv, als hatte ihm etwas die Kehle zugeschnürt. ? Als wir durch das steingewordene Märchenbuch des Har danger- und des Sör-Fjords fuhren und rechts und links aus smaragdenen Wassern die Felsen aufstiegen in die Eisweiten, da stand Jobst neben nns am Bug des Schiffes, um sich nach der Tagesarbeit in der frischen Brij« zu erholen, mit den Mädchen zu scherzen oder mit den Möwen sein Brot zu teilen. Ruhig fuhr die „Oceana" ihre Bahn, vorbei an den kleinen Gehöften und den schmalen Weiden und Feldern am Ufer. Von zer klüfteten Höhen stürzten die Schneewasser zu Tal, in den letzten Sonnenstrahlen sprühten die Wasserkristalle. Das Schweigen ringsum hatte jedes laute Wort aus unse rem Kreis verbannt. Andächtig ließen die Kameraden den Zau ber dieser nordischen Landschaft auf sich einwirken, von der ge sagt wurde, daß sie die Heimat unserer Ahnen gewesen. „Jetzt sind wir gleich in Odda", erklärte Jobst. „Backbord daS große Kraftwerk, das einen beträchtlichen Teil des Landes mit Strom versorgt, und dann sehen wir Muttchen." „Muttchen? Wer ist das?^' fragten neugierige Stimmen zu gleicher Zeit, wobei Jobst scharf beobachtet wurde, ob sich in seine blauen Augen nicht wieder der Schalk eingeschlichen habe. Doch Jobst war ganz ernst. „Tscha! Muttchen..." meinte er gedehnt, und es war, als ob er lange überlegen müsse, ob er erzählen dürfe, was vielleicht nur er erlebt hatte. „Muttchen ist eine alte Norwegerin. Immer wenn unser Schiff vorüber fahrt, winkt sie uns Grüße zu. Lange und unermüdlich, bis wir um den Fels herumgesahren sind. Mn schon über hundert mal mit unserer ,Oceana' hier im Sör-Fjord gewesen, jedesmal stand Muttchen vor ihrem weißen Haus am Wasser und rief und winkte mit dem Tuch ..." Einige wurden ganz still, andere hatten ein Lächeln auf den Lippen — kein spöttisches, nein! — ein Lächeln, wie cs beim Beschauen eines schönen, rührend-schlichten Bildes ersteht. „Warum heißt die Frau Muttchen'?" wollte jemand wissen. Jobst sah ihn lange mit großen Augen an, dann drehte er sich wieder dem Bug zu und sagte wie in Gedanken: „Weil nur eine Mutter so herzlich die Kameraden zu Schiff grüßen kann. Vielleicht fährt ihr Junge irgendwo in der Welt umher und sie grüßt ihn durch diesen Gruß für uns!" -Jetzt klang das dumpfe Tosen der Turbinen vom Kraftwerk Tysiedal herüber, in schwindelnde Höhen stiegen die Rohrleitun- geEjauf, gischtend stürzten die überschüssigen Wasser über die Felsen. Dann erschien steuerbord bas weiße Häuschen. Die Ferngläser tasteten jeden Punkt am Ufer ab... doch keine winkende Gestalt war zu erspähen. Jobst tröstete: „Muttchen wird schon kommen. Vielleicht ist sie im Stall bei den Tieren oder beim Nachbar. Kommen wird sie bestimmt!" Nah am Haus glitt die „Oceana" vorbei. Odda lag vor uns mit seinen Gebäuden, Fabriken und Werkstürmen, über ragt von hohen, ncbelunldunsteten Bergen. Langsam drehte der Dampfer bei und fuhr aus dem Fjordende wieder heraus. Aber mals ging die Fahrt am Weißen Häuschen vorbei, und diesmal — ja, da stand eine Frau am Felsvorsprung am Ufer und winkte mit einem Weißen Tuche. Muttchen! Sie trug einen langen, grünen Rock und eine enge Bluse aus blauem Stoff, ein Kopftuchende flatterte im Winde. „Das ist Muttchen!" sagte Jobst — weiter nichts! Er hatte die Hände in den Hosentaschen. „Ein Heil für Muttchen!" schrie einer laut, und hundert Kehlen fielen ein, laut und fröhlich übertönte der Ruf den Lärm der Maschinen. Das Echo trug ihn von den Bergwänden zurück, und Muttchen winkte schneller. Jobst stand an der Bordwand. Er hatte die Oberlippe ein gezogen und spuckte Plötzlich gegen den Wind, so heftig und ex plosiv, als hätte ihm eben etwas die Kehle mgcükniirt... i !!!!! Ikoman von krans ltreueo (Nachdruck verboten.! 23. Fortsetzung. ^Du brauchst mir gar nicht weiter zu erzählen! Ich errate alles andere. Sie ging in das Konzert, erkannte, wie schmählich du sie beschwindelst hast ..." „Ich habe sie nicht beschwindelt!" „Und ist aus Zorn auf und davon, um mit einem Betrüger von deinem Ausmaß nicht mehr zusammen zutreffen-! Also — hast du in ihrem Herzen eine arge Verwüstung angerichtet! Denn im andern Falle hätte sie es nicht nötig, auszurcißen!" „Aber ich hatte doch gar nicht die Absicht ..." „... sie zu heiraten? Das ist ein verwerfliches Tun, Bruderherz!" „Wenn du jetzt nicht ernst bist ..." „... haust du mir eine runter, ich weiß! Unglück lich Verliebte brauchen einen Blitzableiter ... und dazu ist der teure Bruder gerade gut genug!" lachte Ernst Löckner. „Aber, Hans ... mal wirklich ernsthaft ge sprochen: es liegt kein Grund zur Tragik vor ... die junge Dame wird ja nicht spuklos verschwunden, son dern zu finden sein." „Sie ist im Schillertheater engagiert!" „Na also ... dann stellst du dich einfach Vorm Schiller theater auf und wartest, bis du schwarz wirst ... oder bis die Dame deines verschwiegenen Herzens auftaucht! Kommt sie ahnungslos an ... dann drauf wie Blücher, mit Pauken und Trompeten!" „Renate Petersen ist keine Frau, die man ..." Ernst Löckner unterbrach seinen Bruder mit der Miene des Wissenden: „Das ist alles eins, Hans! Frauen muß man imponieren. Junge, Junge, willst du oder willst du nicht? Paß mal auf ... ich hab die kleine Ilse Unger wiedergetroffen — du erinnerst dich doch noch? — und dabei die betrübliche Feststellung gemacht, daß die süße, ungetreue Tomate sich inzwischen anderweitig Ver lobte, statt auf ihren getreuen Troubadour zu warten! Du sollst mal sehen ... wenn ich zum Angriff vorgehe, räumt der andere das Feld!" * Im Fremdenheim Bienna war eS wie an jedem Abend: Herr Nottedohm saß vor seinem Besteck und warf abwechselnd hungrige Blicke einmal auf die Uhr, einmal zur Tür. Wer nicht wußte, daß er am Mittag erst eine doppelte Portion verspeist batte, konnte alauben. Herr Notlebohm habe seit Tagen als Hungerkttnstler trainiert und sei nun zu der Ueberzeugung gekommen, daß es besser sei, das Versäumte nachzuholen. Herr Mertens hatte seinen unglaublich mageren Körper mit der Gewandtheit eines Schlangenmenschen in die Höhe geschraubt, als das kleine Fräulein Lenz erschienen war, hatte sie begrüßt, als sei sie die Exkönigin von Afghanistan, hatte ihr den Stuhl zurechtgeschoben und saß nun da mit der Miene eines gottergebenen Dulders, der wartete, daß ein Strahl der Sonne ihn berühre. Frau Ottie Märker hatte für die andern Gäste des Heims keinen Blick. Sie wartete. Auf Hans Löckner alias Laborius. Eine volle Stunde hatte sie vor dem Spiegel zuge bracht, um alle Reize, über die sie verfügte, voll und ganz zur Geltung zu bringen. Ihr Mund leuchtete, als habe sie einen ganzen Lippenstift verwendet, um ihm Hochglanz zu verleihen. Ottie Märker kannte die Männer. Sie verstand es, ihre unleugbar noch vorhandene Schönheit ins rechte Licht zu setzen. Es war drei Minuten vor acht Uhr. Eigentlich müßte ja Hans Löckner längst da sein. Er wußte doch von früher, daß mit vem Glocken- schlag das Essen aufgetragen würde. Da ... jetzt öffnete sich die Tür. Er kam. Ottie Märker setzte unverzüglich ihr reizendes Lächeln auf. Die Rivalin war nicht da ... der Trick hatte Erfolg gehabt. Ottie Märker hatte es so eingerichtet, daß der Platz neben ihr nun für den sehnsüchtig Erwarteten be stimmt war. Sie sah — unentwegt lächelnd — dem Eintretenden entgegen. „Guten Abend, allerseits!" grüßte der Ankommende und kam so forsch und zielsicher daher, daß das Lächeln auf Ottie Märkers Lippen jäh erstarb. Das war ja ... das war ja nicht Jan LaboriuS ... das war sein Bruder ... dieser vorlaute Mensch, der wie ein Schreckenskind hereinplatzte und immer gerade das sagte, was er nicht sagen sollte! Schon stand er vor ihr, streckte ihr die Hand ent gegen, als bereite es ihm das größte Vergnügen, sie wiederzusehen, und lachte: „Sieh da ... Frau Walther! Auch noch da!" Ottie Märker lächelte. „Märker bitte!" Er stutzte. „Wieso Märker? Ich habe doch ein vorzügliches Namensgedächtnis!" Ottie Märker lächelte noch liebenswürdiger. „Als wir uns das letzte Mal sahen, hieß ich noch Walther!" „Ach so ... ich verstehe! Inzwischen ist noch einer unglücklich geworden! Macht nichts, gnädige Frau ... immer feste ... die Männer verdienen's nicht anders!" Er machte eine Sammelverbeugung zu ven anoern Gästen hin. — Fräulein Lenz nickte ein ganz klein wenig und lächelte dazu, wie der Frühling eben lächelt: vorsichtig, auf der Hut vor einem im Hintergrund lauernden Schneeschauer. Herr Nottebohm knurrte irgend etwas. Es hörte sich an wie das verhaltene Knurren eines Tigers, der sich im nächsten Augenblick auf seine Beute stürzen will. Nur Herr Mertens schoß wie ein Blitz von seinem Sitz hoch, machte Miene, sich zu verbeugen, als begrüße er den Maharadscha von Jaipur, kam aber glücklicher weise nicht dazu, da Ernst Löckner geistesgegenwärtig abwinkte: „Nur keine Huldigungen, meine Herrschaften... ich habe alle Triumphe bereits hinter mir!" Worauf Ottie Märker mit bezaubernd Heller Stimme lachte und Herr Nottebohm abermals knurrte, als ver bitte er es sich, vor der Fütterung gereizt zu werden. Glücklicherweise erlöste ihn der Schlag der Uhr vor der Gefahr des Hungertodes. Das Lieserl kam herein, das Auftragbrett mit dem Essen in beiden Händen. Frau Mutzenbauer thronte in hoheitsvoller Gelassen heit an der Spitze der kleinen Tafel und leitete das Lieserl. Als Lieserl zu Ernst Löckner kam, benahm er sich wieder einmal ein bißchen daneben, indem er das arme Mädel in den Weichen, rundlichen Arm kniff, so daß cs vor Schreck beinahe das Brett fallen ließ. Das Lieserl lächelte. „Noch immer keinen Schatz?" flüsterte er ihr zu. Sie wurde rot wie ein Granatapfel und konnte nur den Kopf schütteln. Frau Mutzenbauer drohte ihm huld voll mit dem Finger. „Immer noch derselbe!" lächelte sie. „Mit Nichten!" lachte Ernst zurück. „Ich habe mich sehr verändert!" „Das merkt man Ihnen gar nicht an!" nahm Ottie Märker das Wort. „Wo ist übrigens Herr Laborius?" „Herr Laborius hat diese gastliche Stätte verlassen und ist auf höhere Weisung ins Adlon übergesiedelt! Um die Pension Vienna und unsere verehrte Frau Mutzen- bauer nicht ganz verwaist zurückzulassen, hat er mir seinen Platz überlassen! Hoffentlich sind Sie mit dem Tausch zufrieden, gnädige Frau?" Ottie Märker tat das, was sie, wenn sie sich mit einem Mann unterhielt, am liebsten zu tun Pflegte: sie lächelte. Schon, um dem Mann zu zeigen, daß sie über herrliche Zähne verfügte. Ottie Märker lächelte aber jetzt auch noch auS einem andern Grunde: sie lächelte sich über ihre eigene Ent täuschung hinweg. Hans Löckner — Laborius hatte sie treulos verlaffen, bevor er den Weg zu ihr sand. Sie tonnte ihm nicht gut ins Adlon nachlaufen. Das Opfer war also umsonst gebracht. Renate Petersen hätte gar nicht hinan sg »ekelt zu werben brauchen. lFortsetzuim solgtj
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