Volltext Seite (XML)
ÄfOopauer Gonntassvlatt »eilage rum ZfGopauer Tageblatt «uv Anzeiger ' - " —V . -- ' I > > I», , -- - .. . . Nr. 24 ! Sonnabend, den 17. Juni 1939 Sie Kauen des Zörg Schölt Ein Roman aus dem alten Nürnberg von Hellmuth Guast-Peregrin L Fortsetzung. Meister Discher ist wie mit einem Schlage um gewandelt, seine Miene, eben noch grämlich und verbittert, ist freudig erregt; eifervoll, mit schnellen Schritten, eilt er zu dem Fürsten, begrüßt ihn. Jörg ist in der Ecke zurückgeblieben, beobachtet, ver gleicht die beiden miteinander, den Handwerksmeister im abgeschabten Lederschurz mit dem armseligen Käpp- lein und den Fürsten m der halblangen, mit breitem Zobelpelz besetzten Schaube, unter der das kostbare Wams hervorschimmert, Samt, Seide, Goldstickerei. Die ganze Werkstatt wird betrachtet, die Formen, die Modelle. Der Kurfürst ist ein aufmerksamer Zuhörer, auch Kaspar Nützel und der päpstliche Kämmerer, der Herr von Miltitz, nehmen regen Anteil, während einigen vom Gefolge die Umgebung nun gar nicht zusagt. Jörg sieht, wie diese Herren die Köpfe zusammenstecken, mit hämischen Mienen Bemerkungen austauschen. Dann geht die ganze Gesellschaft nach dem oberen Geschoß. Meister Vischer wird jetzt seine berühmte Samm lung alter fränkischer Statuen zeigen. Jörg verläßt schnell die Ecke, er will unbemerkt ver schwinden, trifft Barbara, die sich zwischen Modellen ver steckt gehalten hatte und jetzt zum Vorschein kommt. Lachend sieht er, wie sie eifrig ihren Rock abklopft, mit dem sie von dem Holzmodell eines der seligen Bischöfe den Staub abgewischt hat. „Schau nur an. Vor dem Fürsten hast d.u's Hasen panier ergriffen und mit den alten Herren da reibst du dich? Wenn das der Peter wüßte!" „Sag ihm nichts, daß er nicht hadert mit mir", gibt sie ihm lachend zurück, eilt an ihm vorüber, ruft Hans und Paul zu sich, sie sollen ihr behilflich sein, sie muß doch schnell etwas für den hohen Besuch Herrichten. Versonnen blickt Jörg ihr nach. Könnte er nicht den Peter beneiden um seine Frau, die ihm mit jedem neuen Tag lieblicher erblüht? Ist Barbara schon ein hübsches Mädchen gewesen, so ist sie jetzt als Frau noch reizvoller geworden. Hätte er damals nicht freiwillig für den anderen den Platz geräumt, sie wäre Wohl in ihrer Liebe ohne Be sinnen mit ihm gegangen. Hinaus in die Welt. In eine ungewisse Zukunft. Zornig beißt sich Jörg auf die Lippen: «Fort, Versucher, ich mag kein ehrlos' Spiel." Siebentes Kapitel In den herrlichen Sommermorgen hinein ist Jörg mit zehn bambergischen Reisigen geritten, leicht und frei ist ihm zumute, als ob er eine endlos lange Reise vor sich habe in die schöne lichte Welt jenseits der hohen Manern Nürnbergs. Wie ausgehungert fühlt sich Jörg nach Freiheit, nach Sonne. Lange schon hat er sich danach gesehnt. Einmal fort aus der stickigen engen Werkstatt mit ihrer vielen Arbeit, fort ans dem Alltag mit seinem Einerlei. Wen» es auch diesmal nur die kurze Reise nach Bam berg ist, die Jörg nicht vergleichen kann mit der Wander fahrt, die er einst Barbaras wegen unternahm, so fühlt er sich doch heute so unbeschwert, so sorgenlos, als ob er wie ein junger Bursch die ganze Welt offen vor sich liegen sähe. Denn zu Hause ist alles geordnet, der Oheim sitzt in der Werkstatt an seinem altgewohnten Platze, ist unterrichtet über die Arbeiten, über alle Außenstände und Schulden. Ganz unheimlich ist es dem alten Manne gewesen, als Jörg ihm so ausführlich Rechenschaft gab über Wohl und Wehe der Werkstatt. Gebrummt hat er, es sei doch noch nicht Zeit zum Testament machen, oder ob er davou- gehcn wolle. Jörg lacht in sich hinein. Er denkt ja noch gar nicht an ein Testament und an ein Davongehcn ebensowenig. Der Oheim soll sich nicht bangen, er wird ihn nicht im Stiche lassen. In ein paar Tagen wird er hcimkehren, und der alte Mann ha» dann wieder seine wohlverdiente Ruhe. Der qnält sich ja so schon genug mit Vorwürfen, die er sich selbst macht, weil er so sehr gedrängt hatte zur Ehe mit der Brigitte die nun fortgelaufen ist. . . . Daran haben wir alle gleich schuld — denkt Jörg — oder keiner hat sie, das ist eben Schicksal gewesen. Durch Erlangen und Forchheim sind sie schon geritten, und wenn auch der Weg an der Regnitz entlangführt und die Nähe des Flusses wenigstens etwas Kühle bringt, so brennt doch die Sonne unbarmherzig hernieder. Den Bambeigern wird es allmählich zu heiß in ihren schweren Panzern. Die Helme haben sie schon abgenommen und an den Lauelknopf gehängt, und am liebsten möchten sie anch die Harnische abschnallen. Sie sehen den Wald, der sich hinter den Aeckcrn der an der Straße liegenden Ortschaften hinzieht, dort könnten sie im Schatten reiten, und schließlich schwenkt auch der Führer an einem schmalen Fußsteige ab; er hat es satt, sich noch länger von der Sonne braten zu lassen. Wie erlöst atmen sie alle auf, als das dichte Wipfel- dach der Bäume die stechenden Sonnenstrahlen abfängt, und in aufgelöster Orduuug reite» sie zwischen den Stämmen des weglosen Waldes hindurch, wobei Jörg eifrig auf das Packpserd achtgibt, damit es glicht irgendwo hängenbleibt und die ansgeschnallte Kiste hcrunierreißl. An einer kleinen Lichtung, die ein Bach durchrieselt, macht der Führer halt, die Pferde sollen erst getränkt werden, ehe es weitergeht. Die Reiter steigen ab, ver treten sich die vom Ritt steif gewordenen Beine nnd lassen die Tiere aus dem Bach saufen. Die behagliche Stille des Waldes ladet zur Nast ein, und die eisernen Harnische drücken ganz abscheulich. Eine Stunde Ausruhen kann Roß und Reiter nur stärken, der Sonnenbrand wird dann auch etwas nachgelassen haben, die eine Stunde kann nachher ans der Landstraße im Trab bald aufgchott werden. Der Führer befiehlt die Nast, die Harnische werde» aufgesch»allt und einige legen sie ganz ab. Brot und Käse werden hervorgeholt, der frische Trunk fließt nahebei, und dann lagert man im üppigen Grase, ist mit sich und der Welt recht zufrieden. Jörg gefällt es gar nicht, er wäre lieber schlank durch- aeritten, und Wohler wird ihm erst werden, wenn der kostbare 7"bolt der Kiste in Bamberg abgeliefert ist. Aber der Füh <> hat für seine Einwendungen kein Ohr. er lächelt nur höhnisch und meint ganz trocken, die adligen Buschklepper scheinen die Nürnberger doch mächtig ver schüchtert zu haben. Ob Jörg nicht wisse, daß sie sich auf Bamberger Gebiet befänden. Hier könne er seine Kiste getrost tagelang ' die Straße stellen, es würde sich kein Mensch an ihr vc" reifen. Jörg mag sich nicht als Feigling verspotten lassen, aber recht behaglich ist ihm hier im Walde nicht. Und als sich nun dieser und jener von den Neisigen auf den Rücken legt und zu schnarchen beginnt, bleibt er aufrecht im Gras sitzen, beobachtet unablässig das Unterholz, das die Lich tung wie eine Hecke umgibt. Denn auf die Wachsamkeit des Reiters, der bei den Pferden Posten steht, gibt er nicht viel, der Mann hält sich an seiner Lanze fest und döst schläfrig vor sich hin. Wenn auch die Hitze unheimlich ist nnd Tier und Mensch gehörig ausgepumpt sind, so ärgert sich Jörg doch über die Reisigen, die ihm der Bischof auf seinen Brief als Geleite geschickt hat. Der alte Vischer hatte schon recht, als er sagte, sie stehlen dem lieben Herrgott nur den Tag ab, die Kerle sind faul, sie hatten doch schon bei Erlangen und Forchheim gerastet. Sie hätten nun endlich bis Bam berg durchreiten können, das jetzt vor Mitternacht nicht mehr z» erreichen ist. Plötzlich zuckt Jörg zusammen. Bewegen sich nicht Zweige drüben? Für Sekunden erscheint ein dunkles bärtiges Gesicht, starrt ihn an mit weil aufgerissenen Augen. Verzieht sich zu einem Grinsen Verschwindet wieder. „Der Wurl", entringt sich's Jörgs Lippen. Mit einem Satz ist er auf den Beinen. Schreckt den Posten aus seinem Halbschlaf. „La ist doch einer gewesen", ruft er ihm zu, zeigt nach dem Busch. „Oh nah, i hoab nir merkt", antwortet der bedächtig nnd ist überzeugt, daß der Nürnberger schon vor lauter Angst Gespenster sicht. „Da war einer, ich hab ihn sogar erkannt", braust Jörg erregt auf, die stumpfe Gleichgültigkeit des Mannes könnte ihn rasend machen. „Sacradi", brüllt der Führer wütend, Jörgs laute Stimme hat ihn aus seinem schönen Schlummer geschreckt, „hältst glei' dei' Kosche, du Sauhader, du dreckiger." Mit zwei Schritten steht Jörg vor ihm. „Hängen laß ich mich, wenn da drüben nicht ein Kerl Im Busch gesteckt hat. Ich hab das Gesicht deutlich gesehen. Er ist ein entlaufener Geselle von mir, den man wegen Raufhandels zum Tore hinausgepeischt hat." Verdrossen legt sich der Neiterführer wieder ins Gras zurück, sieht Jörg mit unsäglicher Verachtung an. „An Angsthuber bist, un pazzo miserabile, leg di nieder nnd schlaf, 's ist g'scheiter, als hier um'nand z'schrein." „lind ich hab mich nicht getäuscht, 's war doch . . ." „Herrgott Sakra", brüllt der Reiter plötzlich, springt wie rasend auf. Auf, auf, zu den Waffen! Reiter kommen! Ich hab's deutlich gehört!" Er greift nach seinem Harnisch, klappt sich die Vorder schale gegen die Brust, die andere Hälfte gegen den Rücken. „Schnallt ihn zusammen!" schreit er Jörg an, „Mann, steht nit lang, helft mir." Ein irres Durcheinander ist auf der Wiese, einer ist s dem andern behilflich, zwei, die fertig sind, rennen zu ihren Pferden, der Posten sitzt schon im Sattel. Krachen und Splittern im Busch, Stampfen, Dröhnen, Geharnischte breche» hervor, parieren ihre Pferde, stehen mit zum Stoß gesenkten Lanzen. Alle mit geschlossenem Visier, keiner ist zu erkennen. „Stehenbleiben, wer sich bewegt, wird sofort nieder- gestoßen!" brüllt einer die Ucberfallencn an. „Ihr seid Bambergische, mit euch haben wir nichts zu schaffen, gebt uns den Nürnberger heraus und ihr könnt unbeschwert heimrcitcn." Der bambergische Führer läßt sich nicht einschüchtcrn. „Also, de» Nürnberger geben wir nit Herans, der steht unter bambergischcm Schutz. Und sein Sach können wir euch nit gebe», das gehört Seiner Bischöflichen Gnaden." „Schwätz nit lang. Gibst den Nürnberger heraus lNachdruck verboten). oder nit?" „Nein!" „Schelm, armseliger!" brüllt ihn der Ritter an, „freien Abzug sollst haben, wenn du den Nürnberger her gibst. Oder ihr beißt alle ins Gras." Blitzschnell packt der Bamberger seine Lanze, senkt sie, stürzt auf den Reiter los. „Dranf, Leute, stecht Ihnen die Pferde . . .", in einem gurgelnden Nufbrüllcn erstickt sein Schreien, die Lanze des anstürmenden Reiters ist ihm in die Stirn gedrungen. . Und dann ist alles nur noch ei» wirrer Knänel von Berittenen nnd Fußkämpfern. Jörg schlägt mit seinem Degen um sich wie ein Rasender, von zwei Kerlen wird er angegriffen, plötzlich fühlt er einen furchtbaren Schlag über den Schädel, er glaubt, dicht vor sich Wurls Gesicht zu sehen, dann wird Ihm schwarz vor den Augen. Achtes Kapitel. Ein Sturz Wasser über Kopf und Gesicht bringt Jörg wieder zum Bewußtsein, er schlägt die Augen auf. Ein paar Kerle stehen um ihn herum und grinsen ihn höh nisch an. „Der Nürnberger lebt", ruft einer einem Fernstehen- den zu. „Die Aengcrl hat er bereits anfgeklappt, nur noch 'n bißl saudumm schaut er drein." „Alsdann her mit ihm", antwortet eine Stimme von weitem, „bringt ihn auf die Füße." Das lassen sich die Gesellen nicht zweimal sagen, -si< packen ihn an den Armen, zerren ihn hoch. „Auf mit dir, hast genug geruht, auf, sonst machen wir dir Beine, aus!" Sie gehen nicht sanft mit ihm um und schleppen ihn zum Busch hinunter. Flüchtig sieht er nur, daß ein paar Tote aus der Wiese liegen, denen man jetzt Waffen und Kleider nimmt. Die Pferde der Bamberger führt man eben in den Busch, sie sind eine gute Beute. Die übrioen Bamberger stehen zerbläut und blutig auf einen Haufen zusammengcdrängt und werden von wild aus sehenden Kerlen mit langen Spießen bewacht. Und dann sieht Jörg auch noch die auseinandergeschlagene Kiste auf der Wiese liegen. Der Bischof von Bamberg wird Mon stranz, Tiborium, Muttergotteskrone nie in seine Hände bekommen. Jörg wird durch die Hecke geschleift, steht plötzlich vor einer Gruppe bis an die Zähne bewaffneter Ritter. Einige haben die Visiere hochgeschlagen, die Gesichter, die Jörg zu sehen bekommt, sind roh und wetterhart, die Augen grausam und unbarmherzig. Einer steht vor den im Grase liegenden Goldgeräten, stößt verächtlich mit dem Fuß dazwischen. „Ist das alles, was in der Kiste war? Und um das Gelumpe haben wir zwei unserer besten Leute verloren?" Wütend starrt er Jörg an. „Das bezahlst du mir", brüllt er, „da ist ein Baum stumpf, hin mit ihm.« Mag hernach seine Pratze dem Rat auf den Tischen legen." Die Knechte stoßen den Gefangenen vorwärts, z» dem Baumstumpf hin, der Ritter folgt ihnen mit seinen Kum panen. Die Hand schlägt er mir ab — geht es Jörg durch den Kopf —, dann kann ich heimgehen als Krüppel, zu nichts mehr nutze. Er sieht nach rechts und links, überall wüste Kerle um ihn, eine Flucht ist unmöglich. Da hört er dicht hinter sich die Stimme des Ritters wieder und eine an dere. Die kennt er, das ist Wurls Stimme. Unwillkürlich versucht er zu lauschen, aber er kann nichts verstehen. Und was wird der Wurl schon zn sagen haben, Hetzen wird er, Rache an ihm nehmen für die vom Henkersknecht erhal tenen Stockhiebe. Jetzt stehen sie mit Jörg vor dem Baumstumpf. „Die rechte Hand legst auf den Stumpf," herrscht ihn einer an. Da ist auch schon der Ritter, hat den bloßen Degen in der Faust. Hinter ihm steht der Wurl mit lauernden Augen. „Legst die Hand hin", sagt er drohend, hebt daS Schwert zum Schlage, „oder 's kostet dein Leben." Jörg blickt ihm gefaßt In die flimmernden Augen. Betteln um das bißchen Leben? Nein. Schon um ocn Wurl nicht. „Schlagt mich schon ganz tot. Ohne Hand muß ich auch verhungern. Ein rasches End' ist mir schon recht. Der Ritter mustert ihn mit höhnischem Blick. „Auf den Knien magst du um dein Leben flehen, dann schenke ich's dir vielleicht." „Nein, ich knie nur vor Gott." „Da am Baumstumpf kniest dich hin, damit ich dir den Kopf abschlag.' „Ich bin kein armer Sünder und Ihr seid kein Hen ker. Ich mein', Ihr seid noch immer ein Ritter!" „Ein Schelm bist, Goldschmied", sagt der Ritter lachend, „aber Schneid hast. Dich werd' ich brauchen kön nen, der Wurl hat nttr deine Kunst gelobt, werd' sehen, was daran wahr ist." Er schiebt den schweren Degen in die Scheide, wendet sich an seine Leute. „Dem bindet di« Hände auf den Rücken und einen