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Strick um den Hals. Mitgenommen wird er, ans Pferd gebunden. Den Bambergern nehmt noch die Harnische ab und sagt sie -um Teufel. Es sind arme Schelme, denen vor Angst die Zähne klappern. Aber schickt euch, wir retten." Böse Stunden kommen für Jörg. Den Strick um seinen Hals hat ein Netter au seinen Sattelbock gebun den, und Jörg muß nebenher traben; wen» er stolpert oder langsamer laufen will, zerrt ihn der Neiter oder schlägt ihn mit dem Lanzenschast, und cs ist eine elende Schinde rei. Die Placker Hetzen und treiben roh und unbarm herzig. Sie haben Eile, aus dem bambergischen Gebiet zn kommen, weil ihnen nichts daran liegt, noch etwa mit einer größeren Abteilnng bambergischer Reisiger zusam- menzustoßeu. Aber schließlich kann Jörg nicht mehr weiter, er bricht zusammen, und alle Stöße und Schlüge bringen ihn nicht mehr ans die Beine. Da hat der Ritter Hans Thomas von Alsberg ein Einsehen, nur der Gebende kann ihm Nutzen bringen, nicht der Tote, er läßt Jörg auf einem der bambergischcn Pferde festbinden, und dann geht es weiter. Es ist schon längst Nacht geworden, aber der Ritt hat immer noch kein Ende, nnd dem Jörg ist ganz elend zumute, er wankt im Sattel hin nnd her nnd würde hcruntersallcn, wenn mau nicht seine Beine so fest an aas Pferd geschnürt hätte. Endlich wird ein Schloß erreicht. Bei Fackelschein reitet die Schar in den geräumigen Hof, sitzt ab, auch Förg wird vom Pferde gezerrt, und als er nicht stehen kann, rasch von ein paar Kerlen gepackt und in einen Ucndcu Keller geschleppt. Hier Wersen sie ihn auf die naßkalten Fliesen und vcrschwinoen wieder. Er hört, wie die Tür verschlossen wird, aber ihm ist alles gleich gültig, er ist vollkommen erschöpft, dreht sich mühsam auf die Seite nnd schläft sofort ein. Plötzlich rüttelt ihn jemand aus seinem lodähnlichen Schlafe ans. Jörg erblickt das zitternde Flämmchen einer Talgkerze nnd schließt geblendet wieder die Augen. „Ans, Schott!" sagt eine bekannte Stimme zu ihm, „auf, ich hab' Euch etwas zu sagen." Das ist der Wurl. Entsetzt reißt Jörg die Augen auf, starrt in das struppige Panditengesicht seines ehemaligen Gesellen. Der grinst ihn an. Weiß, das; er das Leben Jörgs in den Händen Hai. lind das weiß anch Jörg. „Macht's kurz, wenn Ihr Euch rächen wollt," röchelt der Gefesselte heiser und erschrickt über den schwachen Klang seiner eigenen Stimme. „Dummer Teufel, wer sagt denn, daß ich dich nm- bringcn will. Ich denke nicht daran. Zn Ehren und Würden sollst d". kommen, Tropf." „Einen WeyAoscn zu verhöhnen ist keine Ehre." „Setzt Euch auf, Schott", erwidert Wurl rasch, packt ihn bei den Schultern, zerrt ihn hoch. „Hört, ich hab' dem Absberger gesagt vor Eurer Kunst des Stempel schneidens. Ihr wißt selbst, Schott, wenn wir die bam bergischen Gefäße zerschlagen und zu dem Hebler nach dem Böhmischen bringen, gibt's wenig Geld dafür, 's ist mir Bruch. Ihr werdet einen sauberen Münzstempel schneiden, einen rechtschaffenen Nürnberger Gulden und einen zierlichen Florentiner Goldgulden, und werdet uns artige Münzen aus dem Bruchsilber und -gold schlagen. Wir haben noch mehr von dem Metall. Es geht dann in einem dahin. Ihr versteht mich doch?" „Einen Münzstempel schneide ich nicht. DaS wäre Falschmünzerei." „Depp, elendiger, um dein Leben geht'?!" „Das ist so hin. Wenn ich den Stempel geschnitten habe, schlagt ihr mich toi. Tut ihr s nicht, und mich er wischen die Nürnberger, werde ich gebangt." „Saugrob werde ich, wenn du noch lange so damisch daherschwgtzt. Auf jetzt, sag' ich, oder ich mache dir Füße, zum Absberger gehst du mit!" Bom Wurl gezerrt und gestoßen, kommt Jörg müh selig auf die Beine, er kann sich kaum auf ihnen batten. Sie Braulsahrl Eine Geschichte von Christa Nulanr.. >„Sl. Cyr-sur-mö'r-la-Cadivrc", ruft streng dcr Statwns- vorsteher, der in den Pausen seiner dienstlichen Obliegenheiten für die Artischocken seines Gartens zu sorgen hat. Niemand wird ein- oder auösteigcn um diese Zeit, denkt er mißmutig, heute ist kein Markttag, und die Badegäste halten Mitlagsrast. Ein vierschrötiger, dunkelgekleideter junger Mann erhebt sich von der weinlaubumsponnenen Bank und steigt schwerfällig auf die hohen, abgetretenen Stufen des Personcnzuges. Ter Stationsvorsteher hat Mühe, ihn zu erkennen: es ist der kleine Gaston, Melanies Sohn, aufgeiakelt wie zum Jahrmarkt: gewichste Schnürstiefel, blankgcbürstcter Anzug, gepunktene Krawatte, Schirmmütze. Was mag er vorhaben'? Während er mechanisch den Zug abwinkl, läuft langbeinig schlaksig der Sonderling vom Hotel de la Plage zum Zuge und schwingt sich in Gastons Abteil; er wird, wie dem Stationsvorsteher bekannt, seinen Filtcrkafsee in Cassis trinken und stundenlang den Leuchtturm anstarren, als ob man seine Zeil nicht besser anwenden könnte. Der Zug knattert gemächlich, aber mit hörbarer Anstren gung, durch Sandgruben, Otwenwäldchen, Weingärten. T-e sengende provenzalische Sonne fällt aus das Wagendach. Gaston wischt sich die schwarze, zottige Haarfranse von der niedrigen, gutmütigen Bullenstirn; sein wollener, steifer An zug klebt an seinem gedrungenen Körper. Dem Kurgast ist luftig; er trügt die grobgewebte Leinenhose, das offene, horizonwlaue Fischcrhemd, das vor drei Jahren dcr Prince os Wales, voroildlich für alle an der südfranzösischen Küste weckenoen Fremden, als Tageskleidung wählte. Ter Kurgast, .Uvrrcipondent englischer Blätter, versäumt keme Gelegenheit, Einblick in die französische Volkcheele zu tun; so uncngli'ch wie möglich sich gebärdend, außer in seiner Aussprache, bc- gmm er, ivo er kann, Unterhaltungen. „St. Cyr... Cadihre, em langer Name für einen so kleinen Ori, nicht wahr, Monsieur?" — Gaston versteht ihn n^cht sogleich. „Ja, dies war St. Chr. Klein, sagen Sie? Gwimeu Sie imr, wenn man mit vollbepacktcn Körben von n , '.er Ferme bis zum Bahnhof gehtj an Markttagen, ist Mir das groß genug. Sie müssen wissen, daß unsere Ferme auf e.mm Hügel liegt, und manchmal wird unser Esel gebraucht, dann maß ich viel schleppen. Meine Mutter ist eine famose Äurmerm, aber sie versteht keinen Spaß. Mein Bruder sorgt für den Acker und für den Wein, meine Schwester ist ver- heiraiei, da bleibt für mich genug Arbeit. Mein Bruder bat «uch nichts zu lachen, obwohl er der Herr des Hoses ist." „Lebt Ihr Bater nicht mehr?" „1916 gefallen, m den Vogesen." „Es war schwer, ohne Baler auszuwachscn." „Was wollen Sie, ich war nicht der einzige. Aber nicht feder hat jo ein« Mutier... Mein« Kinder sollen das Dach wte zerschlagen kommen sie ihm bor. Aber der Wurl läßt ihm nicht viel Zeit, stößt ihn vor sich her zum Keller hinaus, über eine erbärmliche ausgeschliffene Steintreppe nach oben. Tag ist es — denkt Jörg und ist erstaunt, als er ins Helle kommt und der rohe Begleiter seine Kerze auslöscht. Und wie eine Erleichterung empfindet er es, daß er die erste Nacht schon hinter sich hat. Wurl schleift ihn gerade zu über den Hof, im Vorüberstolpern sieh« Jörg mehrere Kriegsknechte herumarbeiten, einer klopft einen zerbeulten Harnisch zurecht, und ein anderer flickt sein Gewand, einer striegelt einen Gaul, ein dritter bessert Sattelzeug aus. Auch ein Hufschmied ist bei der Arbeit, beschlägt ein Pferd. Jörg bekommt den Geruch des sengenden Hufes in die Nase. An einem Hacklotz wird Holz ge spalten, während zwei Männer Holzscheite zersägen. Dann stößt ihn Wurl sck'.on in eine enge Lür des Hauptgebäudes, eine Wendeltreppe geht's hinauf, laute Stimmen, Lachen ist zu hören. Und plötzlich steht Jörg mit seinem Quälgeist in einem Saale — an einem langen Tische sitzen die Ritter. Platten mit Fleisch, Brot, Becher nnd Humpen, Teller mit Speiseresten im wüsten Durcheinander auf dem Tisch. Man scheint bereits am Ende der Tafelei angelangt zu sein und dem Wein reichlich zugesprochen zu haben, die Unterhaltung der Ritter ist laut und trinkselig. Speisen geruch und Weindunst erfüllen den Naum, schlagen wie eine Woge Jörg entgegen, erwecken krampfartigen Magen- drnck bei ihm. Jetzt erst fühlt er, wie ausgehungert er ist. Mehrere von den Rittern wenden ihm die Gesichter zn, tasten ihn förmlich ab mit starren, bohrenden Blicken. Nnd wenn auch manches Auge von Wcingenuß gläsern und stier blickt, Milde verrät nick» eins, Grausamkeit und Blutgier glitzern in allen. Nur einer lächelt, schaut freundlicher als die anderen, winkt. „Das ist mein Herr, der edle Ritter Hans Thomas von Absberg", flüstert der Wurl dem Jörg zn, „er ist sehr gnädig heute, jetzt steht's in deiner Hand, wie's ans- geht." Und er führt den Gefangenen an den Tisch. „Tu seine Stricke ab, Wurl", sagt der Ritter mitlei dig-spöttisch, „sie werden ihn arg gezwickt haben. Geh her, Goldschmied, saus nnd friß", er weist mit einer Handbe- weckung ans ein großes Flcifchstück auf einer Platte, „schau, da ist ein Mordstrumm, 's wird schon langen für dich!" Jörg kann anfangs seine Armee nicht bewegen, als Wurl ihn von den Stricken befreit hat. Er läßt sie kraftlos und schlaff hängen, ihm ist, als wenn alle Gelenke zer brochen seien. Das Kribbeln des jetzt wieder lebhafter pulsenden Blutes schmerzt ihn, Schwäche wandelt ihn an, er wankt, fällt lantlos Wurl in die Arme. Rach einer Weile kommt er wieder zu sich, man hat ihn auf einen Stuhl gesetzt, Fleisch und Wein stehen vor ihm. „Friß, Goldschmied", sagt der Absberger zu ihm, „damit du deine Gedanken hernach beieinander hast, ich hab' 'nen Auftrag für dich. Hast's ihm schon gesagt?" fragt er den Wurl. Als der bejaht, wendet sich der Ritter wieder seinen zechenden Kumpanen zu. Jörg nimmt ein Messer, versucht das Fleisch zu schneiden, er ist zu kraftlos, legt das Messer neben den Teller. „Schneid' mir's vor, ich kann nicht", sagt er leise bittend zu seinem Wächter. Nasch zerkleinert Wurl daS Fleisch in mundgerechte Stücke, und langsam beginnt Jörg zu essen, nimmt auch mal einen Schluck Wein zwischendurch. Der Absberger blickt grinsend zu ihm hinüber, plötz lich rückt er mit seinem Stuhl dicht neben Jörg. „Also, du weißt, einen Münzstempel sollst mir schneiden, damit ich aus dem Bamberger Gelumpe Geld schlagen kann — verstehst?" Jörg kaut unverdrossen, mit vollem Munde ant wortet er: „Hernach — Herr Ritter — bin zu — ausgehungert — bab' kein Gedanken nit." Wmlber-Zirklts Esel zur Musik durch Reifen spring«» hinter einem dummen August her, Turner sieht man am Trapeze schwingen einen Mann mit einem Bären ringen, und ein and'rer stemmt Gewichte schwer. Augen jetzt und Herzen zu entzücken, tänzelt eine schöne Reiterin, leicht auf eines Apfelschimmels Rücken, dessen Mähne blaue Bänder schmücken, lichtbestrahlt um die Manege hin. Aber dann schwingt sich mit einer Stange hoch ein Knabe auf bas Seil hinan. Vorwärts, rückwärts im geschwinden Gauge läuft er lächeln- längs dem schwanken Strangs und beweist, was Zucht, was Wille kann. Beifall jubelnd in die Hände schlagen rings die Jungen auf den Bänkcreih'n, hell begeistert, selbst etwas zu wagen und fortan in allen Lebenslagen so voll Mut und Gleichgewicht zn sein. Kurt Erich Meurer. „Das glaub ich', du Tropf. Friß nur. Und sauf. Hernach besprechen wir unser Sach'." Jorg atmet auf, als der Absberger wieder von ihm läßt, er hat schon eine Angst ausgestanden, daß man ihm vas Essen fortnehmen werde. Endlich hat er das Fleisch vertilgt, fühlt sich gesättigt, fast behaglich lehnt er sich in den Stuhl zurück. „Wurl, jetzt ist mir wohler, sag' deinem Herrn, daß ich ihm auch schön danken tu. Und jetzt führst du mich wieder in den Keller hinunter." „Das möchtst, gelt? Na, mein Lieber, das gibt's nit, fressen und sausen und danach wieder ausschlafen. Tun mußt etwas für die Bewirtung. Leben wie die Herren, das tun wir, aber nit unsere Gefangenen." Der Absberger winkt schon. „Geh her, du Freßsack", und als Jörg neben ihm steht: „Also jetzt gehst du mit dem Wurl in die Schmiede und machst den Stempel." Er holt aus der Gürteltasche einen Nürnberger Gulden, wirft ihn auf den Lisch. „Hier ist das Vorbild." „Herr Ritter, ich bank' auch schön für Speis' und Trank, aber Stempel für Falschmünzer schneid' ich nicht." Einen Augenblick ist der Absberger starr. Aber ohne ein Wort zu sagen steht er auf nnd schlägt Jörg mit der geballten Faust mitten ins Gesicht, daß ihm bas Blut gleich aus Nase und Mund hervorbricht und Jörg rück lings auf die Dielen schlägt. Wurl zerrt ihn wieder auf, stellt ihn auf die Füße. Der Absberger steht mit funkelnden Augen vor Jörg. „Willst den Stempel schneiden, Vieb. drecketes?" «Fortsetzung folgt). «Sssel-M Palindrom. Küßt warm mich auch -er Sonne Strahl, Mein Haupt blei-t schneebedeckt, Schaut ernst das Leben, wie's im Tal Dcr Frühling neu erweckt. Rückwärts gelesen hält der Staat Mich in der festen Hand, Zu sorgen, -aß nach seinem Nat Das Gel- wird angewandt. überm Kopf haben, sagt sie, und wissen, wie das eigene Brot', der selbst aezogene Wein munden. Ich langweile Sie, Monsieur?" „Nein, ich bin froh, das alles zu hören." „Monsieur, ich bin glücklich, mich mit Ihnen zu unter halten. Ich will sagen, ich denke dann nicht daran, wie un glücklich ich bin." „Sic sind ping und gesund. Sie haben eine prächtige Mutier und ein Heim, wie können Sie unglücklich sein. Bei Ihrem Alter denkt man — Liebeskummer." „Ja und nein. Sie sind sehr scharfsichtig für einen Frem den, wenn ich das sagen darf. Wie ist das in Ihrem Lande, kann mau heiraten, wen man will?" „Tas ist selten, in allen Ländern. Aber jedenfalls ver- suchi man cs, oder man redet es sich ein." „Ich möchie cs mir auch emrcdcn können." „Ist Ihnen Ihre Verlobte unsympathisch?" „Ich habe sie nie gesehen. Nicht einmal ein Photo. T2as Wollen Sie? Meine Mutter hat sic für mich ausgesucht. Sie ist das Nichtige für dich, hat sie gesagt, und damit basta. Mein Bruder, und dcr ist doch Hoferbe, hat auch nicht zu muckcn gewagt. Nachher ist er ganz glücklich geworden, sie haben Kinder. Meine Schwester, die hat nicht gefragt, aber die hatte ein Metier, zur Tapeziererin hat meine Mutter sic ausbiiden lassen, weil sie so geschickte Hände hat. Meine Mutter, das muß man ihr lassen, trifft das Nichtige. In die feinsten Häuser ist meine Schwester gekommen. Und dann hat sie einen sehr ernsten Mann geheiratet, er ist Cafetier in Cassis. Monsieur war in Cassis?" „Ich fahre jetzt wieder hi». Ta gibt es ein Cafercstau- rant am Strande, mit zwei Tischen auf einer weißen Terrasse, meist bedient die Patrone, blaß, mit schwarzen Haaren." „Monsieur, ich bin glücklich, Ihnen zu sagen, daß dies meine Schwester ist." . „Sie macht den besten Filtcrkaffce zwischen St. Chr und Marseille. Ich möchte sie nach London verpflanzen." „Monsieur lebt in London? Muß das nicht traurig machen, der Nebel? Ich, mein .Herr, liebe die Sonne nnd die Fröhlichkeit. Tu bist nicht ernst genug, sagt meine Mutter. Ich tanze gern, ich singe. Kennen Sie das Lied, das sie im andern Abteil singen? Ich habe cs oft gehört. Monsieur erlaubt, daß ich cs oorsinge?" „Ich gina die lange Straße Von Canis nach Paris. Ich trat drei hübsche Mädchen Aus unirem Paradies. Ihr Kirschen, süße Beeren, Der rosa Heimatwcin, Ihr schönen Dörflerinnen. Es muß geschieden sein. Die Jüngste wird m ich küssen. Sie ist di« Schönste auch.. „Warum singen Sie es so traurig?" „Hat Monsieur acht gegeben? ,Sie ist die Schönste auch...' Und ich soll ein häßliches Mädchen umarmen? Wie oft habe ich geträumt: eine Chataine, kastanienbraun, müßte cs sein, schwarz bin ich selber. Eine große, geschmeidige, mit Weißen Zähnen, gut zum Tanzen, gut ^-m Küssen... meine Mutter sagt: gut für die Arbeit. Meine Freunde werden grinsen, wenn ich mit einer Teufelsziege ankomme." „Wie können Sie so von Ihrer zukünftigen Frau sprechen? Besser, weigern Sie sich zu heiraten. Sogar Mädchen heiraten bei uns, wen sic wollen." „Nicht bei uns. Und was soll ich machen? Mein« Schwester war Handwerkerin, aber ich bin ein Bauer. Ich habe sonst nichts gelernt. Ich tauge auch zu nichts anderem. Soll ich im Hotel de la Plage den Fremden die Schuhe putzen, ohne Sie beleidigen zu wollen, mein Herr?" „Nicht im mindesten. Aber sehen Sie, Sie tragen Stiefel, nnd ich Espadrilles, Sroffsandalen, von Ihrem Torfkrämer. Viel luftiger, und die Strippcnsvhlcn besser für den Stein strand." „Das schmeichelt uns, Monsieur. Die Schuh« drücken mich, aber was wollen Sie, wenn man seiner Braut vor- gcstellt wird... Mein Gott, wenn sie zu ihrer Ferme, die sie erbt, als einzige Tochter, auch noch ein wenig hübsch wäre. Oder wenn man Ersparnisse hätte, sich Land zu kaufen. Wie soll ein Landmann zu Ersparnissen kommen heutzutage? Meine Mutter kann stolz sein, daß sie uns so durchgebracht hat. Aber nicht einmal ein Photo hat sie mir schicken wollen. Deine Braut ist nicht bucklig, schrieb sie mir, nicht einäugig, hübsch ist sie auch nicht, aber ordentlich. In unserer Gegend sind die Mädchen nicht reich, aber — haben Sie mal sonn tags vor der Kirche gestanden? Eine hübscher als die andere." „Es würde mir schwerfallen, Ihnen zu widersprechen. Aber wenn Ihre Braut sonst richtig ist, wird sie Ihnen mit der Zeit lieber sein als ein hübsches Frätzchen." „O Monsieur, ich bin gleich angekommcn. Erlauben Sie mir, Ihnen für die Unterhaltung zu danken. Meine Mutter erwartet mich mit meiner Brant am Bahnhof." Gaston fährt sich mit dem bunten Taschentuch über das Gesicht, prüft den Glanz seiner Schuhe und nimmt die guten Wünsche seines Gegenübers mit dcr Fassung deS Opfers entgegen. Der Kurgast stellt sich ans Fenster. Unter der Citro- vude steht eine resolute ältere Frau, neben ihr «in junges bildhübsches Mädchen, deren tiefgeschlungmer Knoten schwer und rotbraun auf dem weißen Nacken liegt. Gaston kommt linkisch heran, wortlos; die Mutter, sehr würdevoll, sagt etwas und gibt ihm dann einen kleinen, ermunternden Stoß. Der Zug fährt wieder an, und der Kurgast sieht noch, daß die drei tn einen Wagen steigen, di« Mutter die Zügel ergreift, Gaston über das ganj« Gesicht strahlt und wie verzaubert fein« Braut anstarrt, di« ihm ernst zulächelt.