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se Ehrung sollte nicht nur ein über Dresden hinaus bedeutsames Lebenswerk, sondern zu gleich eine 40jährige enge Zusammenarbeit zwischen Mauersberger und dem Orchester würdigen, denn die meisten Oratorienauffüh- rungen, viele Ur- und Erstaufführungen sowie die überwiegende Zahl an Vespern zu Weih nachten, Ostern und Pfingsten wurden von den Philharmonikern mitgestaltet. Die Philharmo nie ist dasjenige Orchester gewesen, dem im Zusammenwirken mit dem Kreuzchor unter Mauersberger der Hauptanteil zufiel. Greifen wir beispielsweise das Jahr 1932 her aus: Die für die deutsche Bachpflege denk würdige erstmalige Aufführung der „Mat- thäuspassion" nur mit Knaben- und Jünglings stimmen, also fernab einer bis dahin aus schließlich üblichen Besetzung mit Erwachse nenstimmen, fand gemeinsam mit Mitgliedern der Dresdner Philharmonie statt — ebenso die Konzerte mit Kurt von Wolfurts „Weihnachts oratorium" (EA) und Helmut Meyer von Bre mens „Offenbarung Johanni" (UA). Vor einem halben Jahrhundert dirigierte Mauersberger am Vorabend seines 50. Geburtstages Bachs h-Moll-Messe mit Kreuzchor, Bachverein, So listen und der Philharmonie. Aufgrund der zu nehmend stärkeren Konzentration Mauersber gers auf die A-cappella-Literatur ging die Repertoirebreite der gemeinsam musizierten Literatur in den 50er und 60er Jahren zurück. Selbstverständlich wirkte der Kreuzchor auch in philharmonischen Konzerten und Zwingerse renaden, also philharmonieeigenen Veran staltungen mit: 1941 zum Beispiel mit Motetten vor Bruckners 8. Sinfonie unter Eugen Jochum. Das „Dresdner Te Deum“, am 3. Ok tober 1948 in der Martinskirche in Dresden von Kreuzchor, Bachchor und Philharmonie unter des Komponisten Leitung zur Urauffüh rung gebracht, ist das einzige abendfüllende Werk Mauersbergers in chorsinfonischer Be setzung und schöpft wohl alle seine kompo sitorischen Möglichkeiten aus. Es ist zudem dasjenige Werk, mit dem sich Mauersberger am längsten gedanklich beschäftigt hat. Die erste Idee kam 1914 auf, nachdem seine erste Wirkungsstätte, die Lycker Kirche, bereits nach einmonatiger Anstellung zerstört worden war und der damals 25jährige Musiker davon zu träumen begann, eines Tages in dem wieder errichteten Bauwerk ein eigens dafür kompo niertes Te Deum nach Cäsar Flaischlens Wor ten aufzuführen (statt dessen komponierte er während des ersten Weltkrieges als Bad Lau sicker Militärmusikleiter eine Sinfonie sowie etliche Werke für Soli und Chor). Zu Beginn der 40er Jahre wurde diese Idee, wie Mauersberger mitteilt, erneut geboren: „Durch das grausige Geschehen im zweiten Weltkrieg und schließlich durch die Zerstö rung der (Dresdner) Kreuzkirche entstand ge wissermaßen eine Parallele . . . Ich begann den Plan eines Te Deums aufs neue ins Auge zu fassen . . . An dem 3. Satz, der die Text stellen enthält: ,Gott widerstehet dem Hof färtigen, aber dem Demütigen gibt er Gna de . . .' und .Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten . . .' arbeitete ich, während unter den Fenstern meiner Wohnung . . . die lauten Kommandorufe des damals neugegründeten Volkssturms ertönten. Die Unterbrechung c^ Unterrichts- und Probenzeiten durch Luftala^^ wurde ausgenützt zur Fortsetzung der Kompo sitionsarbeit . . . Als ich dann, total ausge bombt, Zuflucht in der Heimat fand, nahm ich nach Überwindung der ersten seelischen Er schütterungen . . . die Arbeit an dem Te Deum wieder auf und gestaltete . . . einen beson deren Teil, der das Kriegsgeschehen in den Vordergrund stellte. Noch während die Bom ber und Tiefflieger der letzten furchtbaren Kriegswochen auch das abgelegene Erzgebir ge bedrohten, entwarf ich dann aber den gro ßen Schlußteil, der die Überwindung des Krie ges darstellt und mit dem großen fünfstimmi gen Geläut der Kreuzkirchenglocken und dem Friedenschoral von 1648 endet." Unser Konzert stellt den im Sommer 1944 komponierten 1. Satz „Gott, mein Gott, ich will deinen Namen loben", den in Worten des deutschen Psalters ausgedrückten großen Lob gesang, einschließlich der (zum Teil erst 1961 entstandenen) Einleitung („Anrufung"), vor. Mauersberger zieht alle ihm komposito risch wie instrumentatorisch möglichen Re gister, wenn es um die Schilderung der durch Kriegsereignisse existentiell bedrohten göttlichen Schöpfung geht. Dabei sind stische Reminiszenzen an jene Zeit, als er Mr. ersten Male ein Te Deum konzipiert hatte, kaum überhörbar. Während dieser weit aus gesponnene Satz noch dem konzertanten Ora- torienstil verpflichtet ist, erweisen sich die nach der Zerstörung Dresdens komponierten Teile experimentierfreudiger. Jene liturgische Gesamtanlage, die im Schlußteil sogar einen Geistlichen einbezieht, und die sich daraus ergebende mehrchörige Aufstellung der Chor gruppen würde den Rahmen einer Saalauf führung sprengen. Deshalb kann hier nur ein repräsentativer Werkausschnitt, der mit dem „Dresdner Amen" beschlossen wird, zur Dar bietung kommen. Rudolf Mauersberger: Aus dem „Dresdner Te Deum“ Deus in adjutorium meum intende, Domine ad adjuvandum me festina. (O Gott, merk auf meine Hilfe, Herr, eile, mir zu helfen.) Herr, tue meine Lippen auf, daß mein Mund deinen Ruhm verkündige! Laß dir Wohlgefal len die Rede meines Mundes und das Ge spräch meines Herzens vor dir, Herr, mein ■ und mein Erlöser! Kommt, laßt uns an- n und knien und niederfallen vor dem Herren, der uns gemacht hat. Hebet eure Hände auf im Heiligtum und lobet den Herrn! Lobet den Herrn! Gott, mein Gott, ich will deinen Namen loben immer und ewiglich. Alles Land bete dich an und lobsinge dir, lobsinge deinem Namen. Denn Gott ist König auf dem ganzen Erdbo den. Denn in seiner Hand ist, was unten in der Erde ist, und die Höhen der Berge sind auch sein. Denn sein ist das Meer, und er hat's gemacht, und seine Hände haben das Trockene bereitet. Lobet, ihr Himmel, den Herrn, lobet ihn in der Höhe! Ihr Heiligen, lobsinget dem Herrn, danket und preiset seine Heiligkeit. Heilig, heilig, heilig! Heilig ist der Herr! Lobet ihn, alle seine En gel, all sein Heer! Lobet ihn, Sonne, Mond und alle leuchtenden Sterne! Denn er gebot, da wurden sie geschaffen. Er hält sie immer und ewiglich. Er ordnet sie, daß sie nicht an- c^s gehen dürfen. Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröh lich, das Meer brause und was drinnen ist. Das Feld sei fröhlich und alles, was drauf ist. Und lasset rühmen alle Bäume im Walde vor dem Herren. Kommet her, und sehet an die Werke Gottes, der so wunderlich ist mit seinem Tun unter den Menschenkindern! Amen. Am 27. November 1896 kam „Also sprach Zarathustra“, Tondichtung (frei nach Nietzsche) für großes Orchester op. 30, in Frankfurt am Main unter des Komponisten Leitung zur Uraufführung. Als sich der Münch ner Hofkapellmeister Richard Strauss seinem „Zarathustra" zuwandte, hat er keinen Augenblick daran gedacht, einen philosophi schen Kommentar zu Nietzsches fragwürdiger Übermenschen-Lehre zu komponieren. Er hat auch nicht das pathologisch übersteigerte Weltbild des Dichter-Philosophen in Klänge übertragen, sondern nur den lyrisch-hymni schen Gehalt des Zarathustra-Buches zum Aus gangspunkt seiner Tondichtung genommen. So ist der Widerspruch zwischen der rein ab strakten ideellen Vorlage und dem klanglich poetischen Ergebnis evident. Während sich Nietzsche aus Siechtum, Gehemmtsein und Lebensrausch in eine ersehnte Wirklichkeit schmerzvoll hineinträumte, trat Strauss mit der bajuwarischen Vitalität seines geistig und körperlich urgesunden Naturells an diese überreife Weltanschauung heran. Dabei hat er sich allein von den positiven Grundstimmun gen des Nietzsche-Werkes leiten lassen: vom Drang nach Freiheit, von der Sehnsucht nach einem besseren Dasein, von der Lebensbeja hung und dem Tatendurst, von der Aufleh nung gegen Mittelmaß und Rückständigkeit. Bei der kompositorischen Einteilung des Stof fes in acht Teile ergab sich die Notwendigkeit einer anderen Form als die des bislang be vorzugten Sonatensatzes. Strauss wählte hier die Form einer sinfonischen Fantasie mit The men und ihren Varianten sowie daraus gebil deter Durchführung. Der Partitur hat er den „Hymnus an die Sonne" aus dem „Zarathu stra" vorangestellt — mit dem Kernsatz für den Musiker: „Zu lange hat die Musik geträumt; jetzt wollen wir wachen. Nachtwandler waren wir, Tagwandler wollen wir werden.“ Entsprechend beherrscht Sonnenaufgangs stimmung die Einleitung der Partitur: Aus schwerem Kontrabaßtremolo (unterstützt von Orgel, Kontrafagott und Großer Trommel) steigt ein Trompetenmotiv auf, das zur vollen Klangentfaltung des Orchesters führt. In dunk les Moll getaucht ist hingegen der folgende Teil, „Von den Hinterweltlern“ (mit ihnen be zeichnet Nietzsche die Menschen, die hinter der realen Welt eine andere, wahrere suchen). Aus dem Naturmotiv der Einleitung entwik- kelt sich in glühendem Streichermelos das Motiv der Sehnsucht. Der sich anschließende, bewegtere Abschnitt „Von der großen Sehn sucht“ läßt die Orgel ein einfaches „Magni-