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7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 31. März 1990, 19.30 Uhr Sonntag, den 1. April 1990, 19.30 Uhr öresoner ohiharmono Dirigent: Jörg-Peter Weigle Solist: Rolf-Dieter Arens, Leipzig, Klavier Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Konzert für Klavier und Orchester F-Dur KV 459 Allegro Allegretto Allegro assai PAUSE Anton Bruckner 1824-1896 Sinfonie Nr. 7 E-Dur Allegro moderato Adagio (Sehr feierlich und sehr langsam) Scherzo (Sehr schnell) Finale (Bewegt, doch nicht schnell) ROLF-DIETER ARENS wurde 1945 in Zinnwald geboren. Nach erster Unterweisung im Klavierspiel durch Prof. Oswin Keller in Leipzig studierte er von 1963 bis 1968 an der Leipziger Musikhochschule bei Prof. Heinz Vol- ger (Klavier) und Ludwig Schuster (Kammermusik). Am gleichen Institut wurde er Aspirant, Assistent und schließlich Oberassistent, ging in dieser Position 1976 an die Franz-Liszt-Hochschule Weimar, wo er 1979 zum Dozenten ernannt wurde. 1966 errang der Künstler ein Diplom beim Liszt-Bartök-Wettbewerb in Budapest, desgleichen 1968 beim III. Bach-Wettbewerb in Leipzig, erhielt im gleichen Jahr einen 2. Preis beim Wettbe werb anläßlich der Weltfestspiele der Jugend und Stu ¬ denten in Sofia und 1971 einen Sonderpreis beim Mar- guerite-Long-Jacques-Thibaud-Wettbewerb in Paris. 1973 bis 1981 nahm er an Meisterkursen bei Paul Badura- Skoda in Wien teil. 1977 wurde ihm der Kritikerpreis der Biennale Berlin zuerkannt, 1982 der Kunstpreis der DDR. Rolf-Dieter Arens konzertierte erfolgreich in vielen Städten Deutschlands, in der CSR, in Polen, Bul garien, der Sowjetunion, in Großbritannien, Frank reich, Österreich, der Schweiz, in Italien, Portugal, Ja pan, auf Zypern und produzierte zahlreiche Funk- und Fernsehaufnahmen. Bei der Dresdner Philharmonie gastierte er seit 1971 wiederholt. ZUR EINFÜHRUNG Wolfgang Amadeus Mozarts Kla vierkonzert F-Dur KV 459 ist das letzte von sechs Konzerten für dieses Instru ment, die der Meister allein im Jahre 1784 - zum Teil für seine eigenen Konzertaufführun gen, seine Wiener „Akademien", zum Teil für seine Schüler oder auf Bestellung - kompo nierte. Das am 11. Dezember 1784 vollendete Werk war von Mozart für den eigenen Bedarf geschrieben worden; er spielte es später unter anderem auch anläßlich der Krönung Kaiser Leopolds II. am 15. Oktober 1790 in Frankfurt/ M. neben dem sogenannten „Krönungskonzert" D-Dur KV 537. Das F-Dur-Konzert ist in seinem Grundcharakter dem vorhergehenden Klavier konzert in B-Dur KV 456 verwandt. Für beide Werke sind (vor allem in den Einleitungssät zen) ein straff durchgeführter Rhythmus, Be stimmtheit und Energie kennzeichnend sowie insgesamt eine besonders vielfältige Verwen dung der Bläser, oft in reizvollem Wechselspiel mit dem Soloinstrument. Ein ausgesprochener Marschrhythmus gibt dem festlichen, freudigen ersten Satz das Gepräge, dessen Thema gleich zu Beginn, nachdem es durch den Solisten vorgestellt wurde, von den Bläsern (Oboe und Fagott) wiederholt wird, wobei das Klavier die Begleitung übernimmt. Im Verlaufe der musikalischen Entwicklung ge winnt der Komponist dem Hauptthema durch eine an mannigfaltigen Einfällen reiche Verar beitung und eine interessante, abwechslungs volle Instrumentierung ungeahnte Möglichkei ten ab. Daneben wird in der Durchführung in einem a-Moll-Teil ein anderes Motiv wirksam, das übrigens auch wieder in Mozarts nächstem Klavierkonzert d-Moll KV 466, diesmal im zwei ten Satz, erscheint. Nach dem anmutig-schwär merischen, stellenweise leicht melancholisch eingetrübten Mittelsatz dominieren im brillan ten Finalsatz, der sich besonders durch eine geistreiche Verschmelzung von homophonen und polyphonen Partien auszeichnet, wieder die Geister schalkhafter Heiterkeit, liebenswürdig ster Neckerei. Anton Bruckner ist sicher die seltsam ste und widersprüchlichste Künstlerpersönlich keit des 19. Jahrhunderts. Die Meinung über ihn und seine Musik ist bis heute kontrovers: Die einen werfen ihm unzulässige Naivität und grobklotzige Formbildung vor, andere wieder wollen Antizipationen heutiger Klang kompositionen im Rohzustand beobachtet ha ben und stempeln damit Bruckner zum unzeit gemäßen Avantgardisten. Der Zeitgenosse Brahms fällte über die Person seines Kollegen die Worte, ihn hätten die Pfaffen von St. Flo rian auf dem Gewissen, und seine Sinfo nien seien nichts als Schwindel, der bald ver gessen sein würde. Und was meinte Bruckner über Brahms? „Wer sich durch die Musik be ruhigen will, der wird der Musik von Brahms anhängen; wer dagegen von der Musik ge packt werden will" — und Bruckner wollte si cher auch, daß das durch seine Musik ge schähe - „der kann von jener nicht befriedet werden." Das heißt doch: Bruckner wi^H genau — für seine Zeit offensichtlich: zu nau —, was er musikalisch, wenn auch vielleicht nicht immer menschlich, wollte; gewiß keine Ruhe und Ordnung und auch keine bequemen akustischen Reize. Einem verdutzten Kardinal sagte er nach der Uraufführung der achten Sinfonie einfach ins Gesicht, das sei doch wohl etwas anderes als ein gregorianischer Choral. Der da so sprach, kannte wie kaum ein an derer Komponist des 19. Jahrhunderts (nach Beethoven) den dornigen Weg, der zur Beherr schung der schwierigen Materie des musika lischen Satzes gehört. Bruckner drückte die satztechnische Schulbank länger als jeder andere Komponist seines Ran ges. Nach der Elementarausbildung in der Ju gend studierte er — mittlerweile längst als an erkannter Musiker in Linz tätig — im Fernun terricht bei dem gefürchteten Kontrapunktleh rer Simon Sechter (Wien), und zwar von 1855 bis 1861 (I), später dann unter Anleitung des Linzer Kapellmeisters Otto Kitzler - nach derTheorie folgte nun der praktische Orchester satz, namentlich die Bekanntschaft mit Parti turen Wagners — Probleme der Formbild^Ä. und vor allem der neueren Instrumente^^ (neben Wagner auch die „Faust"-Sinfonie von Liszt und Werke von Berlioz). Dann erst wagte er sich an seine ersten Versuche auf dem Ge biet der Orchestermusik. Vorher hatte er nur kirchliche Gebrauchsmusik geschrieben. Die erste, offiziell gezählte Sinfonie kompo nierte Bruckner erst 1856 bis 1866, also im Al ter von über vierzig Jahren. Bruckners Idee des Sinfonischen fußt trotz der tiefen Verehrung für Richard Wagner auf ganz anderen Überlegungen als die Musikdramen des Bayreuther Meisters, von denen Bruckner, wie bekannt, nur die Musik verstand (oder sollte man nicht sagen: verstehen wollte?).