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N-. 48 2. Belbwtt zum Lschopauer Lagevlatt unv Auzelger Zum fieventen Lag Dl« vielseitige Birne. AHenulle war von Bern! Der msttWle Figaro Eine wahre Geschichte von G. Hauff. rf Fischer, oder Bootsführer, wenn Er war seinerzeit mit Ian Tügel mit dem Mosesgeschirr, Diese Geschichte hat sich wirklich ereignet. Im Südosten Europas, wo man umer der Sonne HomerS Ichon die weiten Ebenen Asiens ahnt, in einer Stadt, deren Bewohner durch die fremden Gäste, den Handel und den Film den Sitten des Westens «ufgeschlossen sind, lebte der Barbier Serge. Bielmehr, er war lein Barbier, sondern ein wahrhafter Haarkünstler... Und überdies wußte Serge angenehm zu plaudern, ohne pi schwätzen, und den jungen Mädchen warf er, wenn stine empfindsame Hand zum Abschluß prüfend über daS seidige Werk strich, Blicke zu, daß sie vor der versteckten Glut schnell die Augen senkten. Aber das war nur ein Spiel, daS sich Serge erlaubte, denn sein Herz war ganz der schönen Anja verfallen, um deren Gunst vie jungen Männer summten wie di« Bienen um den Stock. Toch er würde sie heimführen, das wußte Serge, weil sie es ihm versprochen hatte, und außerdem liebte er sie so Heitz, wie kein anderer sie lieben konnte, und da mußte sie ihn doch wleder. lieben! Und also schaute er froh in die Zukunft die ihm bald sein Glück bringen würde. Eines Tages jedoch, als er Anja begrüßte, sagte sie kühl und ruhig: „Gut, daß du kommst, Serge, ich wollte dir gerade schrei ben. Nämlich, ich liebe dich nicht mehr. Der Michael gefällt mir besser." Der jo schnöde Verstoßene stand da und versuchte vergeblich, ein Wörtlein herauszubringen. Die schöne Anja lachte und sagte: „Hab' dich doch nicht so, mein Bester, es gibt ja noch so viele Mädchen. Ich kann doch nichts dafür, daß ich den Michael lieber habe." Serge war gerade dabei gewesen, die Sprache wiederzu finden und Anza mit Flehen und Vorwürfen zu überschütten; aber bei diesen kalten und doch wahren Worten entglitt ihm die Sprache von neuem und auf Nimmerwiedersehen. So drehte er sich um und lief stumm davon, ohne allerdings über Anias Treulosigkeit den Verlust der Sprache überhaupt zu bemerken; und als er dessen schließlich doch gewahr wurde, war der Schmerz über die Ungetreue immer noch tausendmal stärker als der über seine Stummheit. Das leltjame Ereign'S wurde, wie es sich von jelbst ver steht, schnell bekannt, und der Arzt, der für die Geiundheil leiner Mitbürger mehr mit leinem guten Herzen als mit übermäßigem Wissen sorgte, schüttelte den Kop» und belegte Serges Stumm heit mit einem langen lateinischen Ätamen. Im übrigen müsse man warten, bis es sich wieder von allein gebe... Aber eS gab sich nicht, und Serge blieb itumm, ohne daß er sehr unglücklich darüber schien. WaS hätte er auch viel reden sollen, da er doch zu Anja nichts mehr lagen konnte? Und was zur Verständigung mit den Menschen unumganglick notwendig war, konnte man ia aufschreiben. Und auch die Kunst des stum men Serge war um nichts aeringer als die peS einstigen zungen gewandten. Durch sein Schweigen bekam die Behandlung bei ihm >ogar etwas Weihevolles, und leine Kunden verfolgten den Akt der Verschönerung mit Ernst und Andacht. Toch seine Kunst war eine andere geworden: sein Rasteren war wie das Streichen des HerbstwindeS über die Stoppelfelder, die struppigen Köpfe der Bauern stiegen unter feiner Schere hervor wie düstere Berge aus zerfetzten Wolken, die Frauen wurden zu erhabenen Matro- nen und die Mädchen — ja, die Mädchen behandelte er nicht mehr. Das ließ er den Gesellen machen, dem er seine Kunst deigebrachl hatte. Und auch sonst hatte Serge für die Mädchen nichts übrig, obwohl ihn trotz seiner Stummheit so manche gern zum Manne genommen hätte, oder vielleicht auch gerade wegen seiner Stummheit, weil sie dadurch leichteres Spiel mit dem Eheherrn zu haben glaubte. Aber Serge ließ sich mit keiner mehr ein, die treulose Anja hatte nicht nur seine Zunge, sondern auch sein Herz verstummen lassen, freilich ohne daß er deswegen rin Menschenfeind oder auch nur ein Madchenhasser geworden wäre. O nein, er war gut und freundlich zu jedermann, auch zu den Mädchen; denn Anja hatte recht, sie konnten ja nichts dafür, daß sie so falsch waren. So kamen und ginge« die Jahre, ein- nach dem andern, und wenn einmal jemand wissen wollte, wie lange Serge schon stumm sei, dann mußte er immer erst an Anjas ältestem Kind ausrechnen, wie lange sie verheiratet war, und daraus, wann sie ihn abgewiesen hatte. So sehr wurde ihm sein Gebrechen selbstverständlich, daß er eS kaum je als Schlag des Schicksicks MM Erzählung von Edith Schneider. Potemki« und der Geiger. Mein durch die Potemkinschen Dörfer, die der Günstling der Großen Katharina seiner Kaiserin vorspiegelte, Hal sich dieser Russe die Unsterblichkeit seines Namens gesichert. Seine Zeit genossen wurden zudem durch die Tollheit seiner Launen immer von neuem in Erstaunen versetzt. Einst erzählte ihm ein Gene ral, der aus Italien zurückkehrte, von einem Grafen in Neapel, der ein meisterhafter Geigenspieler fei. Kurzerhand befahl Potemkin seinem Adjutanten, diesen Italiener sofort zu holen. Der Offizier machte sich auf die Reise. Aber die Sache ging schief. Der Italiener war so erbost, daß er den Russen ungesäumt an die Luft beförderte. Der unsanft Behandelte muß wohl einen recht bemitleidenswerten Eindruck gemacht haben, als er sich plötzlich auf dem Pflaster wicderfand. Ein Bettler trat auf ihn zu und erkundigte sich teilnahmsvoll nach der Ursache seines Mißgeschicks. Der Adjutant schüttete sein Herz aus. Da tröstete ihn der Zerlumpte: ,Hch gebe dir einen Rat. Nimm mich mit dir nach Rußland! Ich gebe mich für den Grafen aus. Ich spiele die Geige ebensogut wie er und werde an seiner Statt vor deinen Herrn treten. Einverstanden?" Der Adjutant war eS zufrieden. Der Bettler wurde aufs prächtigste gekleidet und fuhr mit nach Petersburg. ES glückte ihm auch, den Beifall PotemkinS zu finden. Dem Günstling der Kaiserin dünkte das Spiel des vermeintlichen Grafen so meisterlich, daß er ihn mit Ehren überhäufte. Der einstige Bettler wurde in de« russische« Adelsstand erhoben und erhielt eiu rieüaeL Lut mm Geschenk. Arbeiter lachten zurück... „hallau". Wer Steuermann war ein prächtiger Junge. Später wurde er dick, stiernackig, spcckbäuchig, und er hatte mit dem Herzen zu tun. In dieser Zeit hingen sie ihm auch den Slawen an. Alkenulle. Die Leute sanden den Namen neit, er paßte zu dem schweren gutmütigen Mann, der sich mit Gefährlichkeiten aller Art nicht genug tun konnte. Er prahlt« immer noch gern mit Sibirien, wo in den Häsen die Aufseher ihre Gefangenen mit der Faust erschlagen hätten. Natürlich hatte Alkenulle mit mehr als einem von ihnen abgerechnet. Einen Mann einfach erschlagen, was? Zeitweise hatte der Steuermann sich in keinem russischen Hafen sehen lasse« dürfen, das Heer der russischen Spitzel und Polizeibeamtc« war allein auf ihn, Alkenulle, abgerichtet. Dann lief eines Tages das Schiff ohne ihn aus dem Hasey, Alkenulle satz in einer Kneipe und tat, als läge ihm nichts daran. „Latz man", sagte er. In Wirklichkeit muhte er an sich halten, datz ihm nicht die Tränen ins Auge stiegen. Sein Herz vertrug den harten Dienst nicht mehr. Er wollte jetzt hier ansässig werden und ein Geschäft anfangen. Er wußte näh nicht recht, wohin mit seinem Unternehmungsgeist. „WaS sollen mich da oben die Russen kriegen", sagte er aber. Alkenulle war ein Mann von Format. Er fing jetzt gleich etwas Gründliches an. Und zwar mietete er ein altes backstein rotes, strohgedecktes Bauernhaus, oas da am Strand« lag, und machte eine Kneipe auf. Allerdings wurde eS mit der Zeit erst eine Kneipe, denn im Anfänge, als die Konzession noch fehlte, verkaufte er lammfromm belegte Brötchen, Milch und Him beerlimonade. Aber unter dem Tisch ging die Schnapsbuddel von Mann zu Mann. Hier, wo alles wie daheim war und kei« Mensch wie eine Bohnenstange am Tisch zu sitzen brauchte vor tauter Vornehmheit, wohnten die richtigen Kerle am liebsten. Alkenulle halte da so allerlei gejammelt, WaS man jonst t« den Häusern nicht kannte. Malayendolche, Straußeneier, Bast- fchürzen, ausgetrocknete Krokodile, Teufelsfratzen, Seeräuber- flinten und Kupferstiche von Segelschiffen, Windstärke dreizehn. Das gefiel den Männern. Es weckte ihre Lust am Abenteuer. Hier konnten sie bis in den Morgen hinein sitzen und Karten spielen. Tagsüber, wenn die meisten Fischer auf See waren, kamen dann die Fremden in seine Bude und ließen sich Splitter von Gallionsfiguren zeigen, Kanonenkugeln aus berühmten Seeschlachten, die vielleicht Haifische verschluckt und ausgcspieen hatten... Bon den alten Wickingern angefangen bis zur neuzeitlichen Tiefseetaucherkugel, über alle Stufen der Geschichte der Seefahrt ächzte und schlitterte Alkenulle hinauf und hinab. Er log entsetzlich. Berühmt war er ja nicht gerade. Aber es gab doch nicht viele Leute, die nicht an seinem Lisch gesessen und über die Späße des dicken Steuermannes gelacht hatten. Zudem war das HauS in der Art, wie Alkenulle es eingerichtet hatte, wirklich so altväterlich und mit den Geheimnissen aller Meer« und entdeckten Erdteile vollgestopft, datz kein Gast sich diesem seltsamen Zauber verschließen konnte. Alkenulle war ein einfacher Mensch. Einer, der «S ver stand, einfach zu sein. AIS er alt war und spürte, daß eS nun nicht mehr lange dauern würde, wartete er auf das Schiff, mit dem er einst in die sibirischen Wälder hinaufgefahren war. Er sprach mu dem Kapitän und durfte an Bord kommen. Die „Sine Deo" machte ihre letzte Fahrt, sie wäre unrentabel geworden, hatte der Reeder geschrienen, sie sollte verschrottet werden. Die Linie würde ein neues, schnelleres Schiff einsetzen. Alkenulle hatte nicht viel mitgebracht an Bord, ein paar Kleinigkeiten, Zahnbürste, Kamm, Seife, etwas Tabak, weiter nichts. Aber er hatte eine dicke blaue Strickjacke angezogen, well man sich im Frühjahr leicht erkälten und dann die Fisch- lein von unten besehen kann, wie er sagte. Er stand mit dem Kapitän auf der Kommandobrücke und scherzte. Er hatte dabei dasselbe Gefühl wie früher. Die Brücke stand allein da, schwankte, kreiste nach einem geheimnisvollen Gesetz, ohne Gewicht und Schwerpunkt. Schlug hin und her, wie ein Zeiger. Er spürte eS nicht ungern jetzt, eS war alles so leicht hier oben... Unterwegs haben sie dann sein Herz über Bord geworfen, nach Seemannsbrauch. Brücke, und beim nächsten Seegang würde sie umttppen wie ein angesägter Baum. DaS kam, weil er bisher immer mit den Händen ins Wasser hatte greifen können, wenn er auf See war. Früher hatte er sich mit den Knien gegen die Bordwand gestemmt und die grünen, tangverfilzten Netze mit den Fischen darin an Bord gezogen. Jetzt war er nur Maschinenöler, Arbeiter, einer, der regelmäßig seine Heuer und sein Essen bekam. So nebenher, wenn das Schiff in Fahrt war und die Motoren das Deck erzittern ließen, mußte er viel andere Arbeit verrichten. Rost picken, Schrubben, Geschirr waschen, Messing putzen und so weiter. » , , „Sine Deo", hieß das Schys. Der Name war das Gefähr liche daran. Die Boote, auf denen er früher gefahren war, hießen „Ecke vier" und „Ecke achtzehn". An Segelbooten kannte er Liebchen" und „Neptun". Er hatte aber vor nichts Angst, er fühlte sich stark genug, und wenn er in der Hafenkneipe an« Sprechen kam, dann konnte er Geschichten erzählen, daß die Schiffsmodelle an der schwarzverräucherten Stubendecke zu segeln anfingen... An Bord war er ein fleißiger treuer Burjqe, der es mn der Zeit zu etwas brachte. Er wurde zum Steuermann beför dert, und wenn nun beim Löschen knarrend die Winde ging und die ungeheuren Stapel von geschnittenem Holz tagelang über seinen Kopf dahinschwebten und im Bauch des „Sine Deo" verschwanden wie nichts, als sei der ganze sibirische Waldbestand nicht der Rede wert, dann qualmte Alkenulle seine Pipe und bohrte die hornigen Fäuste ttef in die Taschen. „Hallau , rief er, „man nichs so bannig fix. da unten". Di« man es genau wissen will. und den anderen zur See gefahren, . , . wie sie damals sagten. Es war ein plumper alter Kahn, mit allen Gebrechen behaftet. Wenn die See einmal stürmisch war und unter dem Mond die Schaumspitzen der Wellen schneeweiß angeritten kamen, mußten gleich zwei Mann eine altmodische Handpumpe bedienen, um den Kahn trocken zu halten. Das Wasser schlürfte, schluchzte und gurgelte in die Pumpe, sprang widerwillig über Bord. Es war eine verrückte Sache, mit solch einem Boot da draußen zu sein, und noch viel schlimmer war es, wenn der Motor Plötzlich erstaunt aufhörte zu klopfen und die paar Männer ans Ruder mußten. Nachher stellte es sich dann heraus, daß ein Haar ins Benzin geraten war, eine Schuppe vom Fisch oder sonst etwas Erbärmliches. Alkenulle verstand seine Sache, er war der einzige im Dorf, der mit der Nase immer zwei Meter voraus war. „Es kommt vielleicht mal anders", sagte er, wenn er abends mit Jan Tügel ins Goot stieg und ihnen der Wind ungemütlich in den Atem sprang. „So'n Schiet", fluchte er. Bald heuerte er dann auf einem großen Motorschiff an, daS nach Rußland fuhr und Holz auS den sibirischen Waldern nach Deutschland holte. ES war ein gefährliches Schiff, ein grauer, dickbauchiger Kasten, schon seetüchtig und mit wer weiß wie vielen Pferdekräften stark gemacht. Wenn er auf der Kommandobrücke stand und von oben auf die gründunkelnde See hinabsah, war Alkenulle noch nie so hoch über dem Wasser gewesen. Er hatte das Gefühl, als sei das Schiff viel zu hoch, als stände nichts im Vasser als diese schaukelnde^kreiselnde Der Glühkörper, den jüngst James B. Clyne gebaut hat, rann nicht nur leuchten, sondern auch — duften. Es ist geradezu ein Heilmittel. Denn es lassen sich Dämpfe auf die Reise schicken, die eine medizinische Wirkung ausüben, etwa < durch Reinigung der Luft, wie dies sonderlich in Theatersäle« ' und Gaststätten oftmals überaus angebracht ist. Das neue Gerät unterscheidet sich nur wenig von einer gewöhnliche« Glühbirne. Es ist mit einer sehr dünnen Ton- oder Alabaster schicht überzogen. Es handelt sich um eine poröse Masse, die einen Wohlgeruch oder eine Arznei in sich aufgesogen hat. Wenn dann die Glühbirne eingeschaltet wird, verdampft daS Parfüm bzw. Medikament strahlenförmig nach allen Seiten. Das ist gewitz ein einfaches Verfahren, und billig soll e» ebenfalls sein. emplano; und im ganzen war er trotz seiner Stummheit Wohl glücklicher als Michael, der oft genug Anjas Scheltreden stumm über sich ergehen lassen mußte, wenn seinem lieben Eheweib etwas nicht paßte. Und das Merkwürdigste war, daß Serge bei dem allem an Herz und Gemüt jünger blieb, als es eigentlich seinem Alter entsprochen hätte, aus einem ähnlichen Grunde wahrscheinlich, aus dem ein Samenkorn, in einem Behältnis eingeschlossen, jahrelang ruhen kann und erst altert, wenn eS in der Erde neues Leden treibt. Eines TageS war Serge in seinem Geschäft allein. Der Geselle halte sich beurlauben lassen, Serge hatte noch ein paar struppige Haartrachten in Ordnung gebracht und einen Schädel auf den Wunsch des Besitzers mit dem Rasiermesser geschoren, so daß er wie eine rotpolierte Käsekugel glänzte, und wartete nun zufrieden auf den Feierabend. Da trat ein junges Mädchen in den Laden, eine Fremde, die Serge nicht kannte. Sie wollte sich zu einem kleinen Fest noch ein wenig schön machen lassen. Serge nickte, wobei eS ihm heiß und kalt über den Rücken lief, als er bedachte, daß das Mäd chen ja nichts von feiner Stummheit wissen konnte, und empfand zum erstenmal sein Leiden als Demütigung. Und als er nun ihre Haare hielt und ihren Kopf in seinen Händen spürte, lief es ihm immer heißer über den Rücken und durchs Herz, und als er gar mit den Fingerspitzen ihre Schläfen berührte und das pochende Blut fühlte, merkte er, daß es wie Feuer durch seine Adern rann. Er verwirrte sich und atmete schwer, und als nun das Mäd chen, oas schon lange sein stummes und seltsames Gebaren mit leiser Angst versolgi hatte, erstaunt und in aufsteigendem Unmut die Augen aus ihn richtete, die unter den dunklen Brauen hervor- leuchteten wie Helle Fenster, in denen sich noch blau und fröhlich der Himmel spiegeli, während über und hinter dem Hause schon dunkle Wolken heranziehen, da laumelte Serge zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Tas Mädchen sragle nun: „Ist Ihnen nicht wohl?" Serge sah sie bittend und hilfeflehend an; er amte sich, die Wahrheit zu jagen, was er ja auch gar nicht vermochte, und tand feuerübergossen da, sich mit den Händen an den Hals affend und die Lippen bewegend, ohne daß ihnen ein Ton ent- prungen wäre, so daß das Mädchen über den befremdlichen Mann immer erschrockener wurde und endlich Miene machte zu entfliehen. Da aber packte Serge sie am Arm und schrie, ohne es selbst zu wissen: „Bleib, bleib doch, du!" Das Mädchen wollte empört um Hilfe rufen, doch der Klang der Stimme und das verzweifelt bittende Gesicht Serges hielten sie zurück; zudem fühlte sie für ihn etwas, daS sie für Mitleid hielt. So ließ sie ihre Hand, die Serge ergriffen hatte, in der seinen liegen, wahrend er in hastiger Erzählung die Worte hervorsprudelte, wie ein Wildbach befreit dem lachenden Tal zu- schäumt, nachdem er sich durch hemmende Klüfte und Felsen und unterirdische Rinnen durchgezwängt hat. Das Mädchen lauschte verwundert, und als sie merkte, welches die Kraft war, die Serge die Sprache genommen und nun auch zurückgegeben hatte, wurde sie rot und schlug die Augen nieder. Endlich sagte sie: ,Hch freue mich, datz ich Ihnen Helsen konnte", ohne die Lider zu erheben. Nach einer Weile erwiderte Serge: „Ja." Dann schwieg er. Das Mädchen sah still zu Boden, Serge hielt ihre Hand noch immer in der seinen und fühlte bebend vor Glück, wie ihr Blut in seinen Fingern stopfte. Nachdem sie lange so gesessen hatten, fuhr er Plötzlich fort: „Und nun will ich die Haare fertig machen." Er lachte, und daS Mäd chen lachte, und sie sahen sich beide ost durch den Spiegel an, obwohl sie eS doch viel näher hätten haben können. Und zum großen Erstaunen aller erschien Serge an diesem Abend zum erstenmal seit langer Zett auf dem Fest der Hand werker. Er redete und erzählte viel, aber wie eS gekommen war, daß er die Sprache wiederfand, das erzählte er nicht. Doch die Mitbürger merkten eS bald, und Maria, die bei ihrem Onkel zu Besuch m der Stadt war und deren herrlich frisierten Haare sich schwarz um ihr Antlitz legte wie die samtene Nacht um einen silbernen Brunnen, erzählte es nun. Da wurden die Leute zuerst still über die wunderbare Fügung, dann aber jubelten sie loS und ließen die Maria leben und dann den Serge und dann beide zusammen, und dann feiern» das ganze Städtlein Serges Verlobung und nicht viel später die Hochzeit.