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Nr. SS 2. Beiblatt zum Lfchopauer Taeeblott unv Anzeioer LWNß siebenten Tag Reue Spurea vvil MM? Eis deutsches Vermessungsschiff mW Eutdeckuugen Von Konteradmiral a. D. Gabo w. Das deutsche Vermessungsschiff „Meteor" kehrte von einer neuen wissenschaftlichen Forschungsreise in den Atlantik zurück. Neben vielen anderen wissenschaftlichen Ergebnissen besagte eine kurze Meldung, die wahrscheinlich kaum besonders beachtet winde: Durch Lotungen wurde in dem Raum südlich der Azoren, westlich der Kanarischen Inseln, eine unbekannte „Bank" entdeckt. Die Wasserticfe stieg plötzlich von 4000 Meter über 1000 auf 270 Meter an. Die Grundprobe zeigte überall Korallensand. Das Gebiet wurde „Große Meteorbank" getauft. Der Atlantische Ozean ist erst in neuerer Zeit mit Hilfe des Echolots auf seine Bodengestaltung hin genauer erforscht worden. Dabei hatten sich schon in seinem südlichen Teile, auf der ersten „Meteor"-Expedition, sehr bedeutende Höhenunter- schieoe gezeigt, geradezu das Bild einer Gebirgslandschaft, von der einzelne Spitzen bis auf 1000 Meter unter der Wasserfläche aufragten, bei ziemlich gleichmäßiger Plateaubildung. Diese letzte Entdeckung südlich der Azoren zeigt die gleiche Erscheinung, und zwar mit der bedeutenden Feststellung, daß dort der Boden mit Korallensand bedeckt ist. Das erlaubt sofort eine weitere Schlußfolgerung. Korallentierchen bauen und existieren nur in Wassertiefen von 30 bis 40 Meter, allerhöchstens 60 bis 70 Meter. Es ist also klar, daß an diesen Stellen die Erhebung deS Meeresbodens noch früher weit höher aufstieg und mög licherweise zu früheren Zeiten die Wasseroberfläche ebenso überragte, wie heute noch die atlantischen Inseln, die aller dings zum Teil vulkanisch sind, also durch innere Explosions- krast anfgebaut sein können. Wer aber würde nicht durch solche Feststellungen immer wieder an die „Atlantis-Sage" gemahnt? Nach dem griechischen Philosophen Plato, der es oon Solon und ägyptischen Priestern geerbt hat, soll der Erdteil Atlantis außerhalb der Meerenge von Gibraltar gelegen haben, „größer als Asien (Kleinasien) und Libyen". Platos Phantasie baute daraus ein mächtiges antikes Reich, das „das 9000 Jahre- vorher" von den Athenern besiegt, geplündert und zerstört wurde, und danach versank. Die Mittelmccrmenschheit hat diese Sage treu überliefert und nach Gefallen ausgcschmückt, wollte man doch in Höhlen Spaniens Spuren einer hohen, sogar technischen Kultur der Atlantis "ntdeckt haben, darunter Skizzen eines Flugzeugs. Die Wissenschaft dagegen, nüchtern wie immer, wollte von einem versunkenen Erdteil nichts wissen und war so kühn, den Sitz des angeblichen Reiches nach Tartessos in Südspanien zu verlegen. Andere suchten eS auf den Kanarischen Inseln, vor der Nigermündung, vor Tripolis und sogar in Skandivanien. Aber die Wissenschaft ist phantasielos und glaubt nur, was sie sicht, fühlt und messen kann. Sie hat auch nichts von dem versunkenen Vineta wissen wollen, dessen Glocken in der Sage aus der Tiefe klingen. Aber schon hat die genaueste Forschung ergeben, daß vor Arkona auf Rügen eine Seefahrerstadt mit Mauer und Hafen gelegen hat. die längst versunken und von der Brandung überspült ist, aber aenau festgestellt werden konnte! Ebensowenig Hal man früher geahnt, daß die Nordsee einmal trockenes Land war, durchflossen von Seine, Rhein und Elbe-Weser, um erst weit im Norden an den Ozean zu grenzen. Man kommt nicht los von dem Gedanken, daß diese Erhebungen des atlantischen Meeresbodens dennoch Neste eines Erdteils sind. Die Geologen sind schon bereit gewesen, einen Zusammen hang der Ländermassen von Nordamerika mit Europa anzu erkennen und als „Nordatlantis" zu bezeichnen, und ebenso ein „Südatlantis" zwischen Afrika und Südamerika anzu nehmen. Aber schon fährt die Erdkunde mit einer neuen Theorie dazwischen. Diese neue Theorie aus der Erdgeschichte, ausgesprochen von dem verstorbenen Professor Wegener, heftet ihren Blick auf die erstaunliche Aehnlichkeit der amerikanischen Ostseite mit der Westseite der Alten Welt. Da ist die bekannte vorspringende Ecke von Brasilien, die genau in die Bucht von Mittelafrika hineinzupassen scheint. Ebenso fügt sich Westafrika mit Sene- gambien wunderbar, wenn man die Erdteile zusammenschiebt, in das Karibische Bicer, und die nordamervkanische Küste läuft leidlich entsprechend der europäischen. Also, sagt diese Theorie, die Neue und die alte Welt haben ursprünglich zusammen gehangen, die Neue hat sich loSgerissen und schwimmt als Erd scholle (auf flüssigem Erdkern) westlich davon, vielleicht heute noch. Gegen Theorien läßt sich in jedem Falle endlos streiten, und der Laie hat zu schweigen. Aber eine Theorie ist so viel wert wie die andere, solange beide nicht lückenlos bewiesen sind. Und oa halten mir es ebenso gern und trotz des Stirn- runzclns der Zunft mit Hörbigers Wcltc.slehre, die zeigen will, wie in vergangenen Zeiträumen, die nicht zu schätzen sind, ein Weltkörper als Mond oon der Erde eingefangen wurde und im Kreislauf immer näher kommend eine gewaltige Flut- erhöhung, einen Wassergürtel, in Aeguatornähe um die Erde zog, der alles tiefere Laud um Hunderte und noch mehr Meter überdeckte, zerstörte und zu Meeresboden machte, um sich nach erfolgter Mondkatastrophe wieder aufzulöscn und in oer- bccrendcn Sintfluten ru den Polen bin und wieder rurückzu- st. einen. Twuegull) irar oann Gicichgeiomst öe«. Wüsiermasten ein, ein neuer Mond wurde zu anderer Zeit gefangen, kreiste um die Erde und bewirkte wiederum, wie letzt, eine Erhöhung jenes Wassergürtels. Nichts hindert uns, anzuuehmen, daß die Ueberflutung eines solchen atlantischen Erdteils nahe unserer (quartären) Epoche stongetunden hat, da ia die antiken Ueberlieferungen noch ebenso darum wußten wie die aller Völker von der „Sintflut" wissen. Die Annahme ist erlaubt, daß dieser Erdteil nur beschränkten Umfang besessen, nur einen Teil des heutigen McereSgcbiels eingenommen hat, und oon Europa — Afrika nur durch einen Graben getrennt war. Interessant ist, daß auch die Theorie von der „schwim- menden amerikanischen Scholle" damit vereinbar ist, die eben „Atlantis" gleichfalls zurückgelassen hätte, als sie sich losriß. Jedenfalls haben wir der Entdeckung deS deutschen Ver messungsschiffes neue Anregungen zu verdanken — warum sollen Phantasie und Sage nicht wieder einmal der Wissen schaft den Weg gezeigt haben? MM Welt äi» Besuch bei MIHM Petersen Von Walt In der Ausstellung am Berliner Funkturm, „ilS Deutsche als fröhliches Volk nn AUlagsschaisen in seiner Bunt- heit und Gesundung >o tresflich hervorireren läßt, sind auch einige Bilder als Marksteine unserer äußeren Wandlung zu sehen, und von diesen ist es wiederum eins, das wir nimmer aus unserem Blickfeld verlieren. Ich sah seine Entstehung, und davon möchte ich erzählen, zugleich ein kurzes Lebensbild des Maunes geben, der aus Farbe und Leinwand karg und doch verschwenderisch eine kleine und große Welt entstehen läßt. Kleine Welt, weil sie Menschen am Kamin darstellt, wie wir sie der uns m jedem Bauernhause erblicken. Dieses eine Bild mußte unsere Sinne weilen und in uns die Heimat erstehen taffen, von der wir nur auf Wanderungen und in den Dörfern den wahren Wesensdom erspürten. Große Welt, weil in den Gesichtern der Frauen und in ihrer Haltung nnd Kleidung unsere Volksvergangenheit und Entwicklung ein- gezeichuel worden ist von einein, der den Urweg kennt und seine Ahnungen sinnlich verlieft deutet. Es ist der Maler und Dichter Wilhelm Petersen aus Elmshorn, dem in diesem Jahre vom Führer der Professortitel verliehen worden ist. Wir haben früher wenig von einem Maler Petersen gehört oder seine Bilder gesehen. Ja, das hat seine Bewandtnis; denn einmal muhte Petersen, Ivie jeder echte Künstler, um seine Entwicklung kämpfen, zum anderen mußte er sich als Bauernsohn in eine Welt hinein stellen, die von falschen Begriffen durchsetzt war, und noch heute ist er froh, wenn er mit Menschen wenig zu tun hat. Trotzdem ist dies keine Starrköpfigkeit, denn auch Petersen versteht zu plaudern, wenn auch nur dann und wann ein Wort fällt. Nach Wanderungen und Wandlungen, wozu der Weltkrieg und seine Freikorpszeit zu rechnen sind, wohnte Petersen zuerst in Berlin, und war bei Ullstein (jetzt Deutscher Verlag) für Aufgaben redaktioneller und illustrativer Art zu ständig, dabei stieß er auf Funde nnd Freunde aus deutscher Vorgeschichte. Diese Dinge ließen ihm keine Ruhe, selber zum Urbronnen hinabzusteigen. So wechselte er seinen Wohnsitz, eilte zur Mutter im strohgedeckten Haus am Klostersande in Elmshorn und richtete sich dort häuslich ein. Aber damit konnten noch nicht jene Bildwerke mit den gewaltigen Aus maßen entstehen, die Generalfeldmarschall Göring ihm auf trug. Petersen nahm deshalb Schneeschuhe, Handwerkszeug und den Malkasten und verschwand in die norwegische Eis einsamkeit, baute hier Schneehütten und fing die Welt ein, jene weiten, starren Schneefelder und Moränen. Ein „Klönschnack" in seinem Atelier, es war ein niedriges BauernstÄchen mit zwei kleinen Fenstern und allerhand Hausrat, vermittelte mir das „Milieu". Mit Staunen sah ich seine reichhaltige Büchersammlung und nahm unter den Borden einen Ruheplatz gewahr, als Wäre der gepolsterte Langstuhl mit keiner schweren Decke eine Schlafbutze, sicher e r S t i l k e. aver ein Platz zum Träumen und Gestalten. Doch weit mehr interessierten mich all die kleinen Bilochen und Entwürfe, all der Hausrat und die selbstgeschnitzten und getakelten Schiffe, wohl Sinnbilder der Schiffe, auf denen einst Väter und Vor väter gehaust hatten, die „Wikinger". Wie jene Kühnen sucht auch er Fernen und will Brücken schlagen, stößt auch er sein hochbordigeS Schiff m die See, oder zieht mit derfelben Sicherheit den geschweiften Vordersteven an Land, natürlich mit Mannen, die wie er gleich blond und fehnig um ihre Auf gabe wissen. Und wenn ich ihn so hantieren und sicher ge stalten sehe, dann ist es mir klar geworden, daß dieser Peterfen in seiner Vielheit nicht nur als Maler in seinen Bildern und Gesichten, sondern mehr noch in seinen Dichtungen uns neue deutsche Kunst offenbaren wird. In der Zeitschrift „Germanen-Erbe" des Neichsbundcs für Deutsche Vorgeschichte finden wir Bildtafeln von Petersen, die sehr sorgfältig und echt die Forschungen ergänzen, vor uns entsteht das Bild der Germanen aus der Bronzezeit, wir erkennen deutlich ihre Kleidung und ihren Waffenschmuck. An einer anderen Stelle zeichnet er uns sogar, wenn auch nur flüchtig, einen Schiläufer aus der gleichen Zeit, und wenn wir dann noch die Bildtafel der Altaermanischen Bestattung zur Hand nehmen, oder uns in die Zeichnung einer handwerklich betriebenen Metallschmelze inmitten eines germanischen Torfes vor drei oder mehr Jahrtausenden vertiefen, oder Petersen zeichnet uns den Näderpflug, zeichnet uns einen jungen kriegerischen Germanen mit der Lure, dann wissen wir nicht nur, welche Knlturhöhe unsere Altvordern innchatten, sondern wir müssen ihm dankbar sein, daß er durch seine klare und sachliche Darstellung ein für allemal mit den alten Märchen und dem Kitsch aufgeräumt hat. Aber Petersen ent faltet an einer anderen Stelle eine so große Kunst, daß es sich wohl verlohnt, hierüber mehr zu sagen. In dem mehrfarbigen Kunstblatt „Der Reiter von Valsgärde", das uns den germanischen Menschen, den kühnen Eroberer und künftigen Gestalter unserer Geschichte vor Augen führt, erkennen wir den Zwiespalt in der Seele des Künstlers, der nicht allein schollenverbunden sein will, sondern der als Seefahrer ebenso gern und willig alle Ge fahre^ auf sich nimmt, nur um neue Sichten zu erhalten. Reich beschenkt kehrt er wieder heim, und das Zwiegespräch, das er mit Menschen und heimlichen Geistern gehalten hat, wird zu einem Buch mit achtzehn mehrfarbigen Kunsttafeln, mit vielen kleinen Erzählungen und mit über hundert Schwarz-WeiH- Zeichnnngen, ganz das Geschenk für schnellebige aber auch für sinnige Menschen unserer Zeit, und wer offenen Sinn für der artige Dinge hat, dem ist „Ut de Ooken" zum wahren VolkS- buch geworden. Aber wir besitzen von Wilhelm Petersen ein noch besseres i Werl, in dem er sich nicht nur in die engere Heimat hinein- > gesungen hat, nicht nur der Väter Ringen und Behagen in knappe Worte zu setzen weiß, nein, hier in den dreißig kleinen und großen Zeichnungen wird Petersen zum Offenbarer der Welt, aus der wir immer neue Kraft schöpfen. Das Buch trägt den schlichten Titel „Bark-Schiff Flora von Elveshörn", Briefe und Tagebuchblätter um ein Grönlandjchifs. Ter Maler und Dichter begründete einen Eigenverlag, den Küsten- Verlag Wilhelm Petersen zu Hamburg, von hier aus sollen alle seine Werke den Weg in die Welt finden, gleich den Schiffen, die den Wellhafen verlassen und nach Monden reich beladen zurückkehren. Zehn Kilometer mehr! Erzählung von Bruno Richter. „Elf, zwölf, vierzehn, fünfzehn, und an den Feiertagen, zur Erholung neun Stunden täglich, das ist so dein übliches Arbeitsquanlum, Fred, — was versprichst du dir eigentlich davon?" „Erfolg." „Nennst du's Erfolg, wenn du etliche Gruppen höher ein- gestuft wirst, ein paar Tausender oder Zehntaujcnder ergatterst und dafür kaum noch die Tageszeitungen liest, Musik und Bücher nur vom Hörensagen kennst —?" „Ach, — tu nicht so dicke. Besonders mit dem Geld nicht. Du bist doch schon im Druck, wenn du nur an deine Volks wagenraten denkst." „Dafür wird mir mal die Welt gehören, wenn ich ihn habe. Dein Riesensuper verkommt doch in der Garage." „Helga fährt ihn ja." „Helga, ja —. Wie lange, glaubst du, wird die auf diese Weise noch mitmachen?" „Dch — sie hat ihre Malerei. Außerdem hat sie noch nie geklagt." „So technisch vertrottelt bist du also schon. Meinst du, daS sei bei ihr ein Zeichen, daß sie zufrieden ist?" Fred wurde ungeduldig: „Wenn dieser neue Vergaser sein Versprechen hält, dann wird Mehrleistung bei vermindertem Verbrauch erzielt. Nur durch den motorischen Abzug der Ab gase. Tas ist auch so viel, als wenn der Rembrandt den Amster damer Stadlrat malte. Weißt du denn, was die Probefahrten ergaben? Sieben Kilometer Steigerung! Bis auf zehn bringe ich's! Dann bin ich der Mann des Tages. Samt Helga. BlS dahin" ." dauert's hoffentlich nicht mehr lange. Seit zwei Jahren bastelst du schon. Vergiß heute wenigstens die Ausstellung nicht. Helga hat ihre Aquarelle dabei." Fred Hörle den Äbschiedsgruß kaum noch. Mit fiebernden Blicken verfolgte er die Rauchversuche an dem Modellmotor. Zum ersten Male rih das Vakuum der AbzuoSgase den Kolben doch. Ein hilfloses Zittern befiel ibn vor der Größe deS Augen blicks. Seines Augenblicks. Er schrie den Monteuren zu, den Motor einzubauen, steckte m der Hast eine Krume trockenes Brot zu sich und stolperte auf den Hof hinunter. Der alte Reesecke stieg dort mit den Treibstoffmaßen und Stoppuhren zu, und dann taumelten sie los. Nach dreistündiger Raserei hielten sie wieder an. Reelecke schüttelte Fred nur immer wieder beide Hände: „Keen Zweifel nich, keen Zweifel »ich, — zehn Sachen mehr und anderthalb Liter weniger, die Welt wird staunen. Wenn tch'S eenem gönne, dann Ihnen, nee wirklich, wirklich!" Fred war, als ob er neugeboren wäre. Lange und dankbar suchte er in der blauen Unergründlichkeit deS Himmels umher. Dann sah er gedankenlos nach der Uhr, und ein gelinder Schreck durchfuhr ihn. ES war schon nach zwei. Um elf war die Aus- stellung eröffnet worden. Aber er würde Helga alles erklären. Mußte sie mcht glücklich sein? Bald stürmte er die Treppen zu seiner Wohnung empor. Helga war noch nicht zurückgekehrt. Niemand war da. Zwei Schranktüren standen offen, und auf dem Eßtisch lag ein Zettel. Er überflog ihn. Die vertrauten Züge schwirrten vor seine« Blicken durcheinander: Blicken durcheinander: „ mich nicht zu suchen! Unser beider Ziele verlangen es so. Gar nicht böse, Helga." Ein Tanz begann in Freds Hirn. Er versuchte sich klarzu- machen, was geschehen war. Was hatte Helga getan? Allmah- lich klärten sich seine verworrenen Erinnerungen. Schon stand Fred herzklopfend am Garagentor. Er gähnte vor leerem Raume auf. Die Spuren von Helgas Wagen wiesen auf dem frischen Kies nach rechts hinaus, den Aatobahnen zu. Noch ehe man zweimal atmen konnte, jagte Fred in der gleichen Richtung, nach Süden, davon. Schilder flogen vorüber, Waldstücke, rauchende Essen und verträumte Täler. Unheimlich blieb ihm, wie gewiß er seiner Fährte war. 125 Kilometer, 128, 133, 135, 138 —, cs waren diese selig-unseligen zehn Kilometer mehr, um die der Probe wagen schneller sein mußte, als Helgas gleiche Type. Anders konnte sie nicht gefahren sein. Sie liebte „ihre" Autobahnen. Aber, wie er sie kannte, fuhr auch sie „höchst". Er rechnete. Sie konnte kaum eine Stunde Vorsprung haben. Wenn er sie nicht bald entdeckte, war seine Vermutung irrig. Eben, als er an langsamen Auslauf und trostlose Umkehr dachte, nahm er unter den vielen farbigen Punkten auf dem ansteigenden Band der Straße auch einen schwarzen war. Zwei Zahlen mischten sich zu einem Jubelschrei in ihm, die 140 auf seinem Zähler und die Nummer von Helgas Wagen. Einige Minuten später, als Fred sie am Lenkrad erkannt hatte, begann ein wildes Spiel. Er überholte, verlangsamte, ver sperrte ihr den Weg. Regelwidrig, strafbar, empörend. Daun stoppte er so ab, daß ihr nichts übrig blieb als in einen Park platz einzubiegen. Als Fred durch seine Tür kletterte, stand Helga entrüstet vor ihrem Wagen, um Hilfe hcrbeizuwinken. Beide besahen sich tumm. Sie nahm sich vor, unversöhnlich zu bleiben. Aber seit- amcrweise konnte sie immer wieder nur daran denken, daß dieser chlimme Kerl heute genau so auZsah wie vor dm Jahren, als ie ihn in der Montagehalle bat, ihr Modell zu stehen. Genau o erjchöpft, mit solch wirrem Haar und ebenso vom Feuer seines Willens durchlodert. Da wußte sie, als er jetzt näher trat und ein verrußtes Gesicht in ihre Hände legte, daß darüber hinaus Schöneres eigentlich nicht denkbar wäre. „Wieviele Kilometer wirst du denn künftig mehr an Ge- schwindigkeit ersinden wollen?" fragte sie. „Immer so viele, daß ich dich jederzeit wieder einholen kann, wenn du nochmals fliehen solltest —? Da lächelte Helga, denn seine Blicke verrieten, daß dies nicht mehr nötig werden würde.