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Nr. 60 Mwiatt zum Zschopouer Tavevlütt unv Anzrlaer Sonnabend, n. rn...^ ^2^ Äurn fieventen Lag Das SWMch des Wlem Frontgegner begegnen sich nach zwanzig Jahren. Von O. G. Foerster. Im August 1918 brach nach heldischem Ringen die deutsch- türkische Front in Kleinasien Mammen. Ein österreichisches Eltern und den Geschwistern verborgen, in kindlicher Scheu, daß man ibn desweaen verspotten könnte. Und als er nach dem Besuch der Schüle, wie es üblich war, Bergmann wurde gleich dem Vater und als Kohlenjunge tief in der Erde seine Arbeit begann, da hatte er zwar einen ganz heimlichen Knabentraum begraben, dem Sein der Sterne nachgehen zu können, ein Traum, der nur nebelhaft und ganz verschwommen war, da er von sotcher Arbeit und solchem Berus nur einmal kurz in der Schule gehört hatte, aber die Aussicht, im Dunkel der Erde arbeiten zu können, hatte ihn versöhnt. Tenn es war sonderbar, wo dem einen die Mrqt an;- stieg, fern vom leuchtenden Tag das Brot verdienen zu müssen, und der andere oft mit Bitternis an seine gefährliche Arbeit im Grabesdunkel der Erde dachte, da sah und fühlte Karl Rediger das Weben und Raunen der Nacht »m sich, und die schimmernden, schwingenden Lampen in den Händen der Berg leute schienen ihm wie die Sterne des göttlichen Alls zu sein. Und das halte ihn in all den Fahren nichl verlassen, er liebte das Dunkel der Erde, und die Arbeit dort schenkte ihm das Glück euns Traumes, der von Jugendzeit an in ihm lebte. So war er in der Tiefe seines Herzens ein Dichter, ohne es zu wissen. Und auch der Schmerz jeden wahren Dichterseins, die Fülle des Geschehens und die Tiefe des Erlebens nicht fassen und ausschöpfen zu können, war Nicht an ihm vorüber, gegangen. Denn die Sterne, seine Sterne, die er suchte mit zwingender Seele, waren ihm fern geblieben, und er hatte ihr kaltes Licht nicht zu wärmen vermocht. WaS das Leben ihm versagte, schenkte ihm nun gnädig der wartende Tod. Die ersterbenden Augen trugen die Stern« strahlend und warm in sein lauschendes Herz lind ließen ihr Leben und Sterben vergessen. Und so groß war sein Glück daß eS noch einmal die Schwäche seines Leibes Überwinder konnte in den Worten' „Die Sterne — so nah." Tann nah» ibn der Tod behutsam in seine Arme. UMM Requiem Von Wilhelm Kraemer. Schmerz und Schwäch« übermannten ihn... Der französische Schriftsteller Henri Bordeaux veröffent lichte die» Tagebuch, welches da» erschütternd« Schicksal eines von viele« Wanderern Mischen Leben und Tod im trostlosen Niemandslaud zwischen de« Fronte« berichtete, i« sei««» Buch „Die Wiedergewinnung der französischen Erde" zwanzig Jahre später al» eindrucksvolle« Beitrag eine» „gefallenen deutschen Korporal»". Aber kurze Zeit darauf la» der ehemalige Unter- offizier August Kohlrausch die» Buch und fand darin fern eigene» Tagebuch au» sieben unvergessene. Tage« im Avril 1918. Er war damal» i« letzter Stunde von französischen Sanitätern ge- rettet worden. Seme Erlebnisse teilte der Totgeglaubte nun dem Schriftsteller Bordeaux mit und erlebte bald danach die große Freude, von diesem zu einem Besuch eingeladeu zu weiche«. Manches ähnliche Schicksal enthüllte der Zufall. Soldaten, .die sich vor zwanzig Jahren al» Gegner gegenübergestanden batten, führte er wieder zusammen. Im April 1918 fanden französische Offiziere auf dem Schlachtfeld das Tagebuch eines beutjcheu Unteroffiziers Echwerverwunder war er zwischen de« Fronten liegen geblieben, hilflos in schwerem Trommel- euer, sechs Tage und sieben Nächt« lang... I» seiner Not chrieb er ein Tagebuch, hoffend, daß man e» nach seinem Tode inden und seine« Angehörigen senden würde. „Ich bin nun ür alle Welt tot'" Da» war die letzte Eintragung. Hunger, Als sie in Poelkäpelle einfuhren, gedachte der Mann, der ausgezogen war, um Flandern zu suchen, an einen der grauen vollsten Tage seines Lebens, an den mißlungenen Sturm der 51. Reservedivision auf Langcmarck am 31. Oktober 1914. Vier deutsche Friedhöfe, alle in der Näkc von Poelkapelle, künden von der Größe der deutschen Verluste. Bei West- rosebeke beginnt dann die Hügelkette, die sich südlich über Passchendale, Zonnebeke, Beselare nach Geluveld erstreckt und das Ziel der Engländer in der Flandernschlacht 1917 war. Auf einem dieser Hügel liegt, bei Keerselaarehoek, der austra lische Zentralfriedhof, der größte Friedhof Flanderns. Auch einige Deutsche ruhen dort. Wie sie nun so durch das fruchtbare flandrische Land fuhren, über breite, festgebaute Straßen, an schönen Gehöften und grünen Weiden vorüber, dachte der Mann: dies ist nicht das Mandern, daS ich suche, dies fremde Land mit seinen fremden Menschen geht mich nichts an. Was will ich hier? Und er wurde schweigsam und sah nicht mehr hinaus, sondern in sich hinein, und er konnte seine Unruhe und Ungeduld fast nicht mehr meistern. Und als ihn einige Kameraden fragten: was hast du, WaS ist dir?, da antwortete er nur: ich suche Flandern, Kameraden, und ich habe es bis jetzt nicht ge funden. Die anderen aber verstanden ihn, und einer sagte: wir werden bald da sein, Kamerad. Und endlich kamen sie zur Höhe 60. Damit war der Bogen ihrer Flandernfahrt nahezu ge schlossen, denn die Höhe 60 liegt nahe bei Zillebeke südwestlich von Ypern, nicht allzusern jener für die Engländer so erinne rungsschweren Straße, die an der Porte de Menin zu Ypern ihren blutigen Anfang nimmt. Diese Höhe, anfangs in deutschen Händen und hernach mehrmals den Besitzer wechselnd, war einer der umstrittensten Punkte in Flandern, bis sie im Herbst 1917 endgültig von den Engländern gehalten werden konnte. Heute ist sie umfriedet und als eine merkwürdige und grauenvolle Art Naturschutz gebiet in ihrem Kriegszustände völlig erhalten. Und hier war es, wo der Mann sein Flandern wieder fand. Was sein Auge hier sah, vermischte sich mit den zahl losen Bildern, die seine Erinnerung ihm ausbewahrt hatte, und er erlebte alles noch einmal: die endlosen Märsche über aufgebrochene Straßen und durchweichte Wege, das Pfeifen der Geschosse und den dumpfen Einschlag der Granaten; die tiefen Trichter, in denen da» Wasser sich sammelte und die so oft Schutz gegen die schlimmste Kälte und Deckung gegen den Feind bieten mußten; die verstümmelten Bäume, brennend« Höfe und Mühlen, da» Tacken der Maschinengewehre und die Schreie der Verwundeten, die zerwühlten Aecker und Wiesen und die starren Augen der Toten, siegreiche Sturmangriffe und entmutigendes Aurückgehen, die schwere Verwundung endlich und die schmachvolle englische Gefangenschaft. Und er dachte: diese« Land ist ein einziger großer Fried hof, und in seiner ländlichen Still« sieht e» aus wie ei» unter Blume» verschüttete« Grad. Einmal aber wird ei« Tag de» Gericht» sei«, und die Heerscharen der toten Soldaten werden aufftehen nnd von ihren Völkern Rechenschaft fordern über den Sin« und den Wert ihre» Opfer«. Wie ein Sturm werden sie über ihr Land hinsayren wehe ihm, wenn e« schlief... Schritte knirschen im Kie«, der den Weg vor dem Ehren mal bedeckt. Die Ablösung kommt. Wie im Traum, noch schwankend zwischen Erinnerung und Wirklichkeit, geht der Mam» nach Hause, der hier auf Ehrenwache stand. Und im Wandern denkt er: so wie ich eben abgelöst wurde, so werden wir alle einmal abgelöst von dem manchmal verlorenen Posten» auf dem wir stehen, und den man Leben nennt; meine Kame raden, meine Freunde, meine Brüder, und ich. Aber wir sind doch immer nur einzelne, nur vergängliche Erscheinungen eine« unwandelbaren Wesens. Denn nun ist ein ganzes Volk auf Wache gezogen. Regiment marschierte am 20. September durch den Wadi Anepta, ein enges, ausgclrocknetes Flußbett. Englische Flieger griffen die Truppe an nnd nahmen die in der Talenge zusammen- gepserchten Soldaten, Trainwagen und Batterien unter MG- Feuer. Einen Tag später marschierten britische Truppen durch den Wadi. Autos, Geschütze und Lastwagen lagen zertrümmert im Flußbett, dazwischen die toten Begleitmannschaften. Lieumanl Colonel Krishne Urs, Kommandeur eines indischen Regiments, hielt Plötzlich, sprang von seinem Pferd und hob ein dickes Heft vom Boden auf. Es hatte neben dem reglosen Körper eines gefallenen österreichischen OffijierS gelegen. Ter Inder schlug da» Buch auf — es war mit Zeichnungen gefüllt, Skizzen von lebendigem Ausdruck und starker künstlerischer Kraft, in denen Schützengräben, Landschaft und Soldatengesichter zu einen, großen Gemälde des Wüstenkrieges verschmolzen waren. Als nach einigen Monaten der indische Oberstleutnant nach Mysore, seiner Heimat, zurückkehrte, brachte er dies Skizzenbuch eines toten Gegners als wertvollstes Erinnerungsstück an den Weltbrand mit. Neunzehn Jahre später reist Krishne UrS im Gefolge des MaharadschaHS von Mysore nach Europa. In Berlin werden die Inder vom Deutschen Lrientverem empfangen. Krishne Urs zeigt den deutschen Gastgebern sein Skizzenbuch und spricht den Wunsch au», eS den Angehörigen des Gefallenen zuzustellen. Man durchblättert oaS Heft, eine Eintragung besagt, daß es Zeichnungen deS Malers Robert Hofmann enthält, der 1918 als kl u. ü Oberleutnant bei einer Batterie in Kleinasien stand. Nachforschungen m Wien folgen. In den Gefallenenlisten sucht man den Namen vergeblich. Aber m Wien lebt ein Maler gleichen Namens. Er erhält die Anträge, ob er einen Ver wandten gehabt habe, der 1918 in Palästina gefallen fei. Und d ergibt sich, daß dieser Robert Hofmann eben jener Gesuchte ist. Er ' ^"mals nur verwundet, hatte sich fchließlich auf- gerafft und war in abenteuerlicher Wanderung durch Trans- fordanien nach Tera gelangt. Nun lebte er als Kunstmaler in Wien, und im Jahre 1937 kam sein ehemaliger Frontaegner zu ihm und überreichte ihm das Skizzenbuch aus dem Palästina- krieg... ,M Eime —s» M" Skizze zum Heldengedenktag von Werner vom Hofe. Es war in einer jener klaren Herbstnächt« des JahreS 1916, einer der Nächte, m denen der Himmel sich wie eine riesige dunkle Glocke, die voller klingenden heimlichen Lebens ist, über die nachtstarre Erde breitete» da vollendete sich das kleine Leben des Karl Rcdiger weit von der Heimat in einem dürftigen Granattrichter zwischen den Froncea hüben und drüben. Zu zweien hatten sie dorr vorgeschobene Wache be zogen mit dem Auftrage, den Feind zu beobachten und sofort durch Leuchtkugel zu melden, wenn er, wie erwartet, einen nächtlichen Anguss unternehmen wollte. Ruhig, fast unheim lich ruhig lagen die Gräben, in denen doch der Tod tausend fältig Wache hielt. Mal von ferne ein schwacher Lichtschein von einer niedrrgleitcnden Leuchtkugel, mal ein weiter Schuß, dessen peitschender Knall vom Samt der Nacht gedämpft wurde. Sonst Stille, die wie wohltuende Entspannung auf dem Land lag-^und doch daS Lauern der Gefahr nicht einen Augenblick verlor. Es mochte in der zweiten Stunde nach Mitternacht sein, da glaubte Karl Rcdiger schürfende Geräusche feindwärts gehört zu haben. Durch Wink verständigte er den Kameraden und erhob sich vorsichtig über den Rand des Trichters, um zu spähen und zu lauschen. Toch sein Auge vermochte das Dunkel der Nacht nicht zu durchdringen. Schon meintx er, sich getäuscht ^u haben und wollte wieder in den Schutz des Trichters zuruckgleiten, als er den gleichen Laut wie wenig« Augenblicke zuvor von neuem vernahm. Nun schob er den Oberkörper bis zur halben Brust über den Rand, um besser und weiter in die Nacht blicken zu können. Und Plötzlich sah er die schattenhaft kriechenden Leiber der Feinde nur wenige Meter noch vor dem schützenden Trichter. Schon griff seine Land zum Maschinengewehr, während sein Mund das Wort „Leuchtkugel" formen wollte, da zerriß ein einzelner Schuß daS stille Dunkel, und dieser Schuß, der ihm gegolten, fand ihn auch. Wenige Sekunden danach lag daS ganze Feld zwischen den Gräben im strahlenden Schein der Leuchtkugeln, und die bis dahin so friedliche Nacht war angefüllt vom Pfeifen der Ge- schosse, von dem dumpfen Bersten der Handgranaten und dem gleichmäßigen Bellen der Maschinengewehre. Doch noch wenigen Minuten solche» höllischen Tanzes lag die Nacht wieder still wie zuvor, denn der Feind, der eS auf eine Ueber- raschung abgesehen hatte, sah sein Vorhaben an der Wachsam keit der beiden Männer in dem einsamen Granattrichter gescheitert. Karl Redigcr lag indessen auf dem Grund des Trichters so gebettet, daß sein Kopf im warmen Schoße des Kameraden lag. Bei jedem Atemzug perlte lebensrotes Blut aus seinem Munde. Tastend hatte er nach der Hand des Kameraden ge griffen, und dieser fühlte nun mit Schauern, wie sie kälter und kälter wurde, und konnte doch nicht helfen, denn das Ende war nahe. Weit offen lagen die Augen im Gesicht des Ster benden und saugten sich fest an der unendlichen dunklen Weite über ihm, die im Silber der Sterne leuchtete. Schon war ihm die Erde versunken, denn seine Todesstunde schenkte ihm in der fiebernden Unwirklichkeit seines verlöschenden Lebens die glückliche Erfüllung einer tief verborgenen Sehnsucht. Aber daS konnte der Kamerad nicht wissen. Wie konnte er es ahnen, wieviel Nächte seines Lebens Karl Redigcr >enen flimmernden Strahlen der vielen, vielen Stern« sinnend nachgegangen. Wie er, da es ihm versagt ge blieben, sie mit seinem Geist zu erforschen, versucht hatte, nun nach ihrem kalten Lichl mit seines Herzens Wärme zu greifen, und auch daS nicht vermocht hatte. Schon al» Junge, wenn die Spielkameraden >m Schutz deS Abends ihren Schabernack getrieben, hatte er oft abseits von ihnen den leuchtenden Lich tern der Nack» naekaelausckt. Soraiam batte er es vor den Nicht oh« Humor ist ei« Zufall, der ebenfalls erst zwanzig Jahre sMer aufgedeckt wurde. Ei« deutscher Soldat wurde 191? a« der Westfront gefangen. Er kam nach England und wurde dort als Hilfsarbeiter bei einem Landwirt beschäftigt. Auch der Sohn dieser englischen Familie geriet um die gleiche Zeit in deutsche Gefangenschaft. Der Deutsche konnte keine Verbindung mit seinen Elter« erlange«, die Briefe, die sie ihm schrieben, erreichten ih« nicht. Lange nach dem Kriege wollte es der Zufall, daß sich der Deutsche und der Sohn des englischen Landwirtes in Deutsch- and begegneten. Beide tauschten ihre Erlebnisse aus, und dabei tellte sich heraus, daß der Engländer während seiner Gefangen- chaft gleichfalls bei einem deutschen Bauern gearbeitet hatte — und zwar bei den Mein seines deutschen Kameraden! Ein Mann steht auf der Wache. ES ist kein Krieg, und der Mann ist auch nicht bewaffnet; r trägt die friedliche braune Uniform eines der vielen Sol lten des Führers. Er hält Wache an einem schlichten Denk nal zu Ehren unserer Toten des Großen Krieges. Auf mächtigen Pfeilern ruht das riesige Rund mit der Aufschrift: Unseren Helden. Efeu hat die Steine bedeckt und >en ernsten Charakter des stummen Mals an manchen Stellen u eine schwermütige Lieblichkeit gemildert. Zu beiden Seiten der Treppe, die zu den Gedenktafeln ührt, stehen zwei flache Opferschalen mit flackernden Flammen »arm. Ringsumher ragen schweigsam entlaubte Bäume; die onst zur Stadt und Landschaft hin offene Lücke ist mit grauer llcbelwand vermauert. Schweigsam und unbeweglich steht >er Mann auf der obersten Treppenstufe, wenige Schritte ent- rrnt von seinem Kameraden, der sich mit ihm in diesen Ehrendienst teilt. Außer den beiden scheinen die zwei kleinen gelier das einzig Lebende in dieser Einsamkeit zu sein, aus »ein kleinen Flecken Erde, der vom Nebel eingeschlossen ist. stur verworren und gedämpft dringen die Geräusche der nahen Landstraße und des schmalen Schienenstrangs au» dem Tak mrch den Dunst. Ueber den Bäumen wohnt daS große schweigen; nur die Flammen zischeln leise und gleichförmig m all dieser Unwirklichkeit und verführen das Auge zu Lräumen und ernsten Gesichten. Das Antlitz des Mannes ist offen und klar dem Denkmal pigewandt. Auf seinen Zügen liegt eine stille Feierlichkeit, )ie tiefen Stirnfalten scheinen von strengem Schicksal gegraben, scr schmale geschlossene Mund redet noch im Schweigen von schmerz und Entbehrung; aber das Kinn ist tatcnfroh und kräftig geformt, und die Augen, die jetzt voller Erinnerung and Ferne sind, blicken hart und entschlossen —: es ist das Vesicht des deutschen Frontsoldaten. Der Nebel zersprüht zu feinem nassem Staub, die Flammen singen, feuchte Kühle des März kriecht langsam in vie Kleider der beiden Wächter; die Zeit ist eingestürzt... Aber aus der Erinnerung des Mannes erwächst eine andere Zeit, jene vor zwanzig und vor mehr Jahren, als in der Welt der furchtbare Kriegsgott sich erhob und dröhnend an seinen ehernen Schild schlug. Damals geschah eS, daß ein Volk aufstand wie ein Mann zur Verteidigung seiner Ehre und seines LebenS; und unter den Millionen Namenloser im grauen Rock war auch er, und «S war ihm aufgegeben, den Inhalt eines Wortes zu erleben, da» Ungezählten damal» zum schrecklichen Schicksal ward, de» Wortes: Flandern. Vor wenigen Tagen hatte er diese« Land, dessen Geschichte seit Jahrhunderten mit Blut geschrieben »st, gemeinsam mit anderem Kriegskameraden aufgesucht, au» jener merkwürdigen Sehnsucht herau«, di« eine» immer wieder zu den Stätte» erlittener Leiden hinzieht. Ein bestimmte« Bild trugen sie alle im Herzen, da» Erlebnisbild Flandern« au» ihrer dort verbrachten KriegSzeit; und diese» Jlander» wollte» sie Wiedersehen. So kamen sie also «ach Ypern, da» wieder aufgebaut war wie zu Friedenszeiten, nur noch schöner vielleicht. Und sie gingen zur Porte de Menin, dem ernzigen AuSfalltor für alle englischen Truppen, di« an die deutsche Flandernfront wollten, zu jener Brücke, die so ost unter deutschem Feuer lag und auf der die Engländer furchtbare Verluste batten. Hier steht heute ein Denkmal für die vermißten englischen Soldaten in der Form eines TriumpfboaenS, in dessen Wölbungen alle Namen jener Toten eingemeißelt sind, deren wahre» Grab man nicht kennt. Jeden Mend wird hier für einen dieser Tausende von Soldaten zum letzten Appell geblasen. Und so fuhren sie von Aspern in nordöstlicher Richtung nach Saint Jan, kamen an einem französischen und zwei eng lischen Friedhöfen vorbei, und gelangten über Wieltje nach St. Junen, wo die Gefallenen der ersten deutschen Flandern- sront (von Mai 1915 bis Juli 1917) liegen. Dieser Friedhof ist von einem Betonbunker beherrscht, bei dem die vier ge fallenen Besatzungsmitglieder beigesetzt sind. Von dort ging die Fahrt über Keereselare an der hochragenden Gedenksäule für 18 000 tote Kanadier vorbei nach Langcmarck, jenem Ort, dessen Name für jedes deutsche Ohr immer einen düsteren nnd furchtbaren Klang behalten wird, aber zugleich auch einen Hellen Klang von unsterblichem Heldentum.