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ÄfGopauer GonntagSvla« Beilage rum ZfGopauer Tageblatt und Anzeiger Nr. 10 Sonnabend, den 11. März 1939 7. Fortsetzung. Er reißt den Jungen bei der Schulter herum iveilt zur Wond hin. ivo der Helle ft-leck schimmert. „To! Siehst du de» Fleck?! Dort hing ihr Bild. Ich brauche wohl nichts weiter zu sogen." Der Geheimrat sinkt in einen Sessel. Seine Hönde lind seil ineinander geschlossen, ols holte sich die eine mühsam on der andern Arno tritt erschüttert zu ihm. Er ist von dem Uns- vruch w überrascht dost er sich kaum zu sossen vermog. Eins ist »hin nun klor: Ter Onkel ist nicht nur körper lich kronk, er ist ouch onf dem besten Wege Schoden an seiner Seele zu nehmen Welch gröstlicher Wohn, welch entsetzlicher Tomon holt ihn gefangen! Denn dos ist doch Wnhnsinn! ToS kann doch nicht wirklich und endgültig so gemeint sein! vorsichtig beginnt er, ihm seine Gegengrüudc mitzu teilen. Er spricht davon, dost er doch gelernt Hobe, sich zu beherrschen, sich zu führen, dost ihm in Hildegard Wenzel eine Fran zur Seite stehe, die ihm in allem guter Kamerad, ruhiger Ausgleich sein werde. vergeblich. Der Geheimrat beendet dos Gespräch sehr kurz and entschlossen. Er Hot sich schnell gefotzt und ist wieder gonz der Alte. „Gib dir keine Mühe, lieber Neffe! Du knnnst m-r nicht cmsrcden, wos ich am eigenen Leibe erfahren habe. Ich habe meine Hilse in deinem Leben von zwei Be dingungen abhängig gemacht: Fort vom Gelderwerb! Du wirst immer soviel haben, daß du ausreichend zu leben hast. Das ist der einzige Segen, den mein Leben vielleicht in die Zukunft retten kann: Ich mache dich nn- abhängig vom Gelde. Die andere Bedingung kennst du gleichfalls. Ich werde nie zu einer Ehe meine Einwil- liguna geben. Ich will, daß dieses Geschlecht ansstirbt. Den Grund kennst du ebenfalls. Eine Bedingung ist von der anderen abhängig. Ich hoffe, du wirst dich da nach richten. Sv. Und nun last mich bitte allein." „Einen Augenblick, Onkel. Ganz so schnell geht daS nicht." „Nicht?" ^.es Geheimrats Augen werden scharf und drohend. „Wo / sollte fehl noch zu erwidern sein?! Du gehst zu deiner Universität zurück und schreibst der Dame oinen vernünftigen Brief. Fertig." „Tas heißt also: Du bestimmst mich zum ewigen Ren- tenempsängcr, dem cs aus einer wahnwitzigen Idee her aus verboten ist, zu heiraten. Onkel, willst du wirklich, daß das alles ernst genommen wird? Du host dich in Hirmp. s.nuste verrount! Trauben wird mau lochen, wenn, non deine Gründe hort!" „Biile. Lost die Leute lochen! Hier ober . . ." seine Stimme grollt drohend . . . „hier werden diese Hirn- gespinste respektiert! Verstanden?" „Ten isel werde ich! Du hast kein Nccht, mir mein Leben -,n ,ehleu! Ich verzichte auf dein Geld, aus olles! Behalte deine Werke und werde selig mit ihnen! Glonbe nicht, d ist diese Arnie nicht zugreifcn können! Und wenn ub Steine klopfen sollte, von heute au ist dos Bond zwischen uns zerschnitten! Jede Mork,,, die ich über Brot und Solz hinous verdiene, werde ich dir schicken, domit dir nichts . . . nichts mehr ein Recht gibt, mit deinen kranken Händen in mein gesundes Leben hineinzngreifen!" lieber den Tilch gebeugt, io stehen ne einander gegen über der Alte Mit weil geöffneten Angen, ols lohe er Sen Inngcn. den hornigen, dem die Fäuste vor Wut aus der Tischplotle tanzen zum ersten Mole. Ter Junge aber schlendert ihm seine harten Worte mitten ins Ge sicht. Tonu reckt er sich, als ici eine schwere Last vvu ihm genommen und stürmt hinaus die Tür hinter sich ins Schloß schmetternd Lange steht der Alte nnM-IgUch, Niti und uumm. Er blickt nicht ans. als die Tür vom Nachbarzimmer her sich öffnet, ols die glatzköpfige Gestalt eines unter setzten Mannes sich hercinschiem Er fährt erst zn- samm.u". ols sich die Hand des Eingctretencu ons seine Schnitt« legi „Ach Sie und s Lladlral?!" Müde läßt nch der Geheimrat in den Sessel »ollen. „Halen, Sie wieder einmol gelouscht ncbenon?" Der G'atzköpnqc zeigt wehmütige Entrüstung ons seinen Mienen „Abe. Herr Geheimrol!" wehn er mmouei ob „Es ist ZumU dost ich den Schlust Ihrer Unterredung hörte. Ich n n gerodc out dem Wege zu Ihucu, um Ihnen den Mmmtsfchcck zur Unterzeichnung vorzulegcn. Ta hörte ich dost der mugc Herr, der Herr Neffe, bei Ihnen ivar. Ein Hitzkopf der jnnge Freund. nicht? Ein gefährlicher Hitzkopf." Ter Geheimrat antwortet nicht. Er sitzt und starrt, vor sics hin. „Er kann cs nicht begreifen, dost die Fabrik fein Un glück wäre, wie sic das Unglück des Herrn Geheimrats geworden ist, nicht wahr?" „Derenburg!" Dos ist ein harter Ruf, herrisch . .. und gequält zu gleich. „Ich bin schon still, Herr Geheimrat. Für uns sind diese Zeiten vorüber. Wir haben beide graue Hoare darüber bekommen . . . hähä, respektive sie sind gonz verloren gegongen . . .! Hoben Sie sonst noch irgend welche Anweisungen? Ich telephoniere nochhcr mit Leipzig." „Nein. Erledigen Sie nur olles, Derenburg. Wenn Herbolzheimer noch mir srogt . .. ich bin ein wenig über die Höhen gegangen. Alles Geschäftliche ist fa bet Ihnen gut ausgehoben." Er winkt ihm müde zn. Sein Schritt ist schleppend, als er daS Hous zum Garten hin verläßt. Der Stodtrat sicht ihm mit zusammengckniffcnen Angcn nach. „Ein Glück, dost auch kluge Leute mal dumm werden . . ." murmelt er, „noch zwei Jahre . . . vielleicht auch drei . . . länger spielst du nicht mehr mit, alter Freund. Und dann . . ." Er vollendet feinen Satz in Gedanken, schließt die Augen und ein glattes Lächeln spielt über seine Züge. * * * Im „Alten Kurkölnischcn Hof" hat sich Peter zu- nächst cinanartiert. Er bat die Karola", leine brave j Heinkel, an Ort und Stelle gelassen. DaS Fahrgestell ? M zum Teufel, und die Latte hat auch zum letzten Mal Dienst getan. s Pech. . . aber nicht zu ändern. Es ging nicht sanfter, sonst hätten sie nachher Kopf gestanden. Er wird Geld anstreiben müssen, um die Sache wieder tu Ordnung zu bringen. Bou der Versicherung ist be stimmt nichts zu erwarten. Er hat auch gar nicht die Absicht, von dieser Seite her Geld zu kriegen. Das ver ursacht nur Scherereien, und die hat ihm die Ortspoli zei bereits zur Genüge gemacht. Er Hot sich hier nuten tm Ort einquartiert, denn oben auf Rheinfelden hätten sie ihn wahrscheinlich doch hinansgeworsen. Nun, zunächst läßt sich's hier ausholten. Seine Bor- schoft reicht für bescheidene Ansprüche eine gonze Zeit, alles andere wird sich finden. Man muß dem lieben Gott auch etwas zu tun übrigen lassen. i Dos Gasthaus wirkt anheimelnd und vertrauen erweckend. Er hat im ersten Stock ein freundliches Zim mer und kann gerade in Apothekers Wohnzimmer schauen. Ulkig. Bor allem aber macht ihm unten die i Wirtsstnbc Spaß. An deren Wänden kann man näm- " lich die ganze Lokolgeschichtc in Bildern ablescn. Da ist der Erzbischof, der in seinem Zorn dos „Hous nieder- gcprennct Hot bis aus den Grund," ein anderer wür- > oiger Herr Hot ihm die Schonkgerechtsamc verliehen „auf ewig", dann kommen die Herren Franzosen unter ihrem , Kaiser Nopolium, tja, und dann kommt er, Peter Bogel, ! und trinkt die ganze Herrlichkeit mit einem Schluck ! Wein in seinen Bauch hinein. Basta! Leben läßt sich'S i hier! > Dos stellt er jedenfalls mit Zufriedenheit fest, j Er ist überhaupt zufrieden, seitdem er diese Sorte, » einen bescheidenen Rcsibestond des Jahrgangs l!)2l, ani- getrieben hat. Sorge macht ihm einzig und allein daS Mädchen, dos nette, kecke, kleine Mädchen, doS er d, oben in der Höhle des Löwen zuriickgelasseu ho«. Außerdem irogl er sich mi stillen immer wieder, worum er eigentlich so bereitwillig oui ihre reichlich übersponn- teu Pläne cingcgougen ist Tw worum eigentlich Peter Bogel? Er vermag sich keine Antwort zu geben. Es ist ober ouch zu dämlich! Er, Peter Bogel, ein ver nünftiger Monn, der immer weist, wos er tut fliegt mit einem uubckountcn, jungen Mädchen los, landet in fremden Gärten, macht leichten Bruch dobci. weil's nicht anders geht, stürzt sich Hols über Kops in ein Aben teuer, dessen Ende nicht obzuschcn ist . . Teufel Teufel das sicht ganz bös aus. Er gießt sich gedankenvoll den Nest seiner Flasche ein. Gott, ist die schon leer? Die zweite? Alio fonic ich ouch schon! stellt er resigniert fest Es geht rasend bcrgob mit mir Es gibt do übcrhoupt nur eine Erklärung: Peter Bogel. Sic sind in diclcS klcinc ft-räulein ver liebt i Oho! Er steht plötzlich klor. unbarmherzig klor. Peter Bogel verliebt sich in ein Mädchen, das ein Erbe erwartet oder schon in der Tasche Hot. Ei» Erbe, , dos cr gonz gern auch gehabt hätte Peter Bogel ver- liebt sich also in ein Mädchen das scheinbar nebenbei allerlei Geld in der Handtasche hat. Petcr Bogel ver liebt sich verdammt zweckmäßig. Den Deubel auch, daS ist ja zum Verzweifeln! Wer soll ihm denn da'seine Liebe glauben?! Ottokar? Hohoho! Der wird ihm das große Hohngclächtcr der Plattfußindianer zur Antwort in die Ohren dröhnen. Die andern? Sind gleichgültig, sind überflüssig^ählen nicht, Aber das Mädchen! Baben! Dreifachgcleimte Eierkiste, was denn nun? Wenn er es ihr sagt... und sagen mnß er es schon, cr ist doch kein Waschlappen, der schmachtet, ohne die Zähne ous- einanderzukricgcn . . . Was aber, wenn sic ihn daun angnckt, so ein wenig von der Seite . . . Herrgott, hat dos Mädel überhaupt ein paar Augen! Das merkt cr erst jetzt! O Peter, du NiesenrhinozcroS, du verdienst io Ohrfeigen rechts und links!... wenn sie dich anguckt, so spöttisch, so von oben herunter und fragt irgendwie dämlich, irgend etwas, was noch Geld riecht . . . dann gibt's ein Unglück! Tann mache ich Dummheiten. Peter, du bist in eine Sackgasse geraten. Herrgott, lieber soll mir dock der Motor relm Meter übcrm Potsdamer Platz ivclveit, uco vop up einmal in meinem vcvcn >o vor ihr stehen müßte! Pc.er Vogel packt die Flasche, die vor ihm steht, ols wolle er sie zerquetschen. Wer bin ich denn? Ein Herumlungerer, ein Aben teurer, ein Großmaul, ein fliegender Apotheker, der Neklamewimpel durch die Luft zerrt und Mätzchen für die Masse macht... und sie? Mit großen Augen starrt er vor sich hin. Und sie ist reich. Langsam steht er aus. Im ersten Augenblick taumelt er ein wenig, aber das ist nicht der Wein. ES ist die Erkenntnis, die ihn überfällt wie ein greller Strahl, wie ein Blitzschlag aus dem Blauen, ein Faustschlag, der das Atmen schwer macht. „Ich komme wieder zum Abeud!" Der Wirt begleitet feinen Gast zur Tür. Er weist ihm den Weg zum Rhein. Dort durch die Wiesen, er sei nicht zu verfehlen, und schön, wunderschön, ja, auch Bänke stehen am Rhein, Hihi, wenn sie nicht schon von Liebespaaren besetzt sind ... jaja, der Sommer und der Wein am Rhein, du lieber Gott, man sei auch mal jung gewesen und so m Bützchcn von so 'n Schnützchcn, hihihi . . . Die Geschwätzigkeit des Wirtes erstickt in seinem eigenen Lachen. Peter hört das alles gar nicht. Er geht wie ein Automat über den kleinen Markt platz, zwischen den spitzgiebligen, schiefcrgcdecktcn Häu- fern entlang. Das Dors verläßt ihn, ober die Wiesen begleiten ihn. Er geht vom Weg ab, jetzt hört cr den Rhein gurgeln und rauschen. So. Er wirft sich hin, so lang er ist, mitten in die stimmende, blühende, duftende Sommerwildnis, und wohin er fällt, da stieben Mücken, Fliegen, Käferzeug eilig auf. Also so ist das, Peter Bogel. Das host du dir wohl nicht träumen lassen. Jnnge, Junge! Ta denkst du immer, die Mädels, ach die kommen dir nur so nach- gelaufen. Ein Kerl wie du. gerade qcwochscu nicht aus den Kopf gefallen, Flieger dazu, der braucht nur mit dem kleinen Finger zu winken. Prost Mahlzeit! 'Nein- gefallen. Jetzt hat's dich erwischt! Ja, zum Teufel, biu ich denn so in doS Mädel ver liebt?! Kann ich denn nicht einfach lachen und sagen: Unsinn! Gefühlsduselei! Kops hoch, Peter, und gerade aus geschaut! Er probierte cs. Es geht nicht. Es läuft ihm eiskalt über den Buckel, wenn er nur au sie denkt. Bobett, dieses Frauenzimmer! Und sic macht sich scheinbar nicht besonders viel aus ihm. Vielleicht aber doch? Soll er ihr'S sagen? Soll er hmtrcten vor sic und eiufoch fragen: Ta bin ich, Peter I Vögel, ei» Habenichts und ftstnichtS, aber ich liebe Sie, « Fräulein Bobett!? 'Nein. Das nicht. Alles aber das nicht. I Ta bleibt doch nur eins: Kurzer Prozeß. Nicht tätige warten. Los! Je eher, desto besser! Tas Herz macht tolle Sprünge, cs ist ihm eigenartig, nnd ivenu dos überhaupt deutbar wäre, könnte cr auf der Stelle lvsheulcn Aber dos tut mau nicht ols ous- gewochsencr Monnskerl. Also: Zähne znsonnncnbeißeu rind die Geschichte bccudigeu, io schnell cs geht. Er überlegt. Er wird au feine Finna kabeln, die Leute holten , allerhoud große Stücke ons ibn Sic werden ihm einen i anständigen Vorschuß bewilligen. Morgen in oller j Frühe wird cr nach Bonn sichren vdcr noch Köln und sich zwei Mechaniker milbnugen. Tic köuucn ihm das Fohrwcrt flicken. Hanptsoche, daß es bis Magdeburg hält Eine Lotte bringt er gleich »elbst mit. Uebermorgcn konn olles klar zum Storl lein. Er wird nicht viel Geschichten machen, wildern Ihr einfach einen Zettel schreiben . nein, das ist feige . . . cr wird hiuoufgchcn, ihr dic Hand gcbcu . . „Auf Wiedersehen, Bobett. . . war ein großartiger Spaß, Hot mich dannjg gefreut . nein, nein, nichts zu -aukcu! ... Nch Gott, irgendwo werden wir uns schon noch mol über den Weg lausen. . . also HalS- und Beinbruch!" . .. fertig! Uebermorgcn nachmittag kann er wieder in Wer- niaerode kein. Und dann wird Ordnuna acmacüt.