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"wn. Tann läßt er sich ans der Karle noch einmal , ...au «ckMen, wo daS fragliche HanS Rheinfelden liegt, Sic gibt sich die größte Mühe, ihm alles ganz deutlich zn machen. «Lehen Sic, hier liegt Nonn! Pier immer rhcln- auswärts ... an dieser Biegung muß cö sein! Hier, wo zwischen dem Rhein nnd den Bergen die Wiesen liegen!" Peter nickt nur. Er weih Bescheid. Dann stelzt er langsam ins Büro hinüber und kommt bald daraus mit einer Soezialkarte wieder. „Ist es das hier?" Babctt sicht den beschriebenen Flecken in der Art einer vergrößerten Generalstabskarte sestgchalten. Ja, das mutz es sein! Der Weg von Godesberg, die Win dungen, der sanfte Anstieg nnd dahinter die weite Wicsenslächc auf dem Rücken der Berge . , . das muh es icin! „Gut. Starten wir! Ich werde aut dieser Wicie hiutenn Hans landen. Ich hab's drinnen anßgemessen, eS geht. Wenn mir dann unten sind, wird sich alles andere schon von selbst ergeben. Am besten, Sie werden gleich ohnmächtig, verstanden?" „Was wollen Sie denn Inn?" „Rotlanduug vortänschcn. Läßt sich ganz ungefähr lich machen. Auf diese Weise kommen Sie ungefährdet nnd sicher in die Höhle des Löwen. Einmal kann er eine verunglückte Fliegerin nicht einfach hinanswerfen, zum andern gewinnen wir viel Zeit, bis die Maschine wieder in Schuß ist. Na, und das kann lange dauern! Dafür lassen Lie mich nur sorgen!" Badelt blinzelt ihm spitzbübisch zn. „Großartig! Wißen Sie, daß Sie daS Zeng zu einem ganz genialen Schurken in sich tragen, Herr Apotheker? Es ist nur gut, daß Sic nicht in Ihrem Beruf arbeiten!" „Wieio?" «Oh ... ich glaubt Sie könnten auch Gist mischen!" „Erst seit ich mit Mädchen fliege," entgegnet er ernst haft, aber in den kleinen Falten um die Augenwinkel lacht der Schalk. Jetzt sind die Monteure fertig. Sie rollen die Heinkel, dc>» großen, silbergrauen Vogel mit den mächtigen breiten Schwingen vor den Schuppen. Badett und Petermann, der Dackel, müssen nach vorn. Sie wird cingeschuallt in die Gurte. Unter ihr liegt wie ein sanftes, weiches Paket der Fallschirm. Der Hund schielt ängstlich, als ihn Peter mit einem Luflschwung zu ihr hineinreicht, bevor er selbst in den Pilvtcnsitz klettert. „Aus . . . Ein!" Er prüft die Zündung. Es donnert, die „Latte" dreht suh. Leises Beden geht durch den Leib des großen Vogels. Peter bremst den Motor ab. Ihm ist das Donnern und Dröhnen herrlicher Gesang, daS schönste Lied, das Menschen je erdacht. Der Kompaß vor ihm. sanft in Schlvammgummt gebettet, beginnt sich zn drehen, er schäumt, langsam beruhigt er sich wieder, während das Donnern des Motors wieder anschwillt. Die Heinkel wirft sich wütend gegen die Bremsklötze, sic zittert, bebt, ist ungebärdig wie ein Rennpferd hinter der Spann- jclmur vor dem Start. „Bremsklötze weg!" Ein Monteur schiebt Zellonschelbcn vor BabettS Ge- sicht. Sie sitzt in einem abgeschlossenen Naum. Zaghast blickt sie sich nach Peter um. Der winkt ihr zu, sie brauche die Scheibe nicht. Gott sei Dank! Der Wirbel des Propellerwindes ist eine Wohltat gegenüber dem Dröhnen der Maschine unter der Verkleidung. Langsam rollen sie zum Startplatz. Ter Lustpolizist sieht das Bordbuch ein, die Papiere, er gibt Peter die Hand. Tie beiden kennen sich gut. Tann senkt er die weiße Startslagge mit dem schwarzen, schrägen Kreuz. ES kann losgeheu! Der Motor heult auf, der Propeller, fast unsichtbar, wird zu einem hauchdünnen, kreisenden Netz: die Maschine rollt. Peter läßt sie gleich hohe Fahrt ge winnen, dann zicft er sie plötzlich hinauf, ein gewagtes Manöver. Bnbelt fühlt, ww unter ihr der Erdboden schwindet, einen Augenblick ist alles von einer seltsam gläsernen Leere nm sie her, dann aber ist es anch schon vorbei. Unendliches Wohlgesühl umfängt sie. „Wir fliegen!" In wenigen Sekunden sind sie fast zweihundert Meter hoch. Peter schraubt sich weiter und weiter empor, kreist tibcr dem Platz, dann nimmt er Kurs nach Westen zu. Die Fahrt hat begonnen. * Langsam schließt Ottilie die Tür. ES ist still im große weiten Schulgebäude. Nur aus dem oberen Ste..v -k klingt ein Ehvr frischer Mädchenstimmen. „Wir wollen zu Land auSfahrcn . . .!" DaS ist ihre Klasse. In zehn Minuten wird es zur , Pause läuten. Dann beginnt ihr Unterricht: Deutsch. Also auS! denkt ste und steht wie betäubt, wie ein ; Mensch, den eS hart getroffen hat. Was ist mir schon geschehen? Etwas sehr Alltäg- j licheS. Oh, nicht viel, nur daS, was viele vor ihr schon er- ! fahren mußten: Sie ist plötzlich ohne Stellung. Der Herr Direktor war sehr freundlich. Es tat ihm offenbar selbst leid, daß ste nun das große, rote HauS mit den vielen Fenstern nicht mehr betreten sollte. Aber - er konnte es ja nicht ändern. Er hat versucht, sie zn trösten, hat ihr klargemacht, daß es eigentlich ein Ge- sundungsprozeß ist, wenn viele Eltern entdecken, daß ! für Ihre Tochter die höhere Schule gar nicht unbedingt ' notwendig ist, um eine gute Hausfrau zu werden. Ja, ! daS sei nur richtig, allerdings ... die höheren Schnlcn würden natürlich kleiner dabei, und es wäre unvcr« ' weidlich, daß die jüngeren, nicht festangestellten Lehr kräfte den älteren, verheirateten weichen müßten. ! „In Ihre Klasse tritt ein Mann, der scchsunddrcißlg Jahre alt ist und zwei Kinder hat! Das werden Sie begreifen, Fräulein Bernhardt! Er wartet seit mehr als . einem Jahrzehnt auf seine Arbeit!" Gewiß, gewiß, das begreift sie schon! Oh, der Verstand begreift ja alles, aber bas Herzl Das kann noch immer nicht fassen, daß sie nun fort soll von ihren Mädels, von ihrer frischen lärmenden Horde, mit der ste zweimal in der Woche zum Schwimmen geht, mit der sie täglich fünf Stunden die gleiche Luft geatmet hat, mit der sie sich gefreut, geärgert, gemüht hat, die sie liebt, wie eben ein junges, unverbrauchtes Herz zu lieben weiß. Der Herr Direktor war sehr gütig. Er hat sie sofort beurlaubt. Er hat cs ihr erspart, mit blutendem Herzen die letzten Tage abzuwarten. Sie kann gehen, wohin sie will. Sie ist ganz frei. Ob denn Aussicht sei, wieder eine Beschäftigung zn erhalten?! — O ja, die wäre wohl. Aber wann und wo? . . , das könne niemand sagen. Ach, das ist ja so sinnlos! Langsam geht sie die breite, leere Treppe hinab. Wenn wir kein Kollege kommt, der sie ausfragt und bedauert! Gott sei Dank, der Flur im Erdgeschoß ist leer. Still setzt sie sich in ihrer Klasse hinter ihren Tisch. Mechanisch leert sie den Inhalt des Schubfachs in ihre Aktentasche... die bunten Bleistifte, mit denen sie die Fehler m den Hausarbeiten anzcichncte, das Tagebuch, die Handbücher, die Deckchen auf dem Tisch gehören ihr auch ... das ist alles schnell versehen. Im Schrank liegen i die Klassenbücher. Sic braucht sie nicht einzusehen. Sie > sind in Ordnung. ,r Ta wartet ein Stoß Aufsatzhefte. „Unsere schönste Fahrt!" Ja ... wer wird die nun nachsehen? Die ganze Mädchenscligkeit dreier herrlicher gemeinsamer Wander, tage liegt hier eingeschlossen in vierzig blauen Heften, Was geht's sie noch an? Ans. Vorbei. Sie schließt den Schrank. Ihr ist sehr weh nmS Herz. Sorgsam legt sic die Schlüssel für Tisch und Schrank ans die erste Bank. Da sitzt Liselotte Kampe. Sie hat noch vom Eislauf im Winter her ein verstauchtes Bein, darum kann sie nicht recht mitturncn. DaS ist Gerdas Platz, Gerda, der Kobold mit dem ungewaschenen Mund« werk, und da Hilde und dort Erika . . . Es verschwimmt ihr alles vor den Augen. Es ist schwer, unsagbar schwer: Abschied nehmen. -Der Gesang, der aus dem MusMaal tönte, bricht ab. Gleich wird es läntcn. Behutsam steht sie auf. Noch einmal wirst sie einen ; Blick ailf alles, was sie in drei Jahren ltebgcwonnen: die Bilder ... der Führer , . . dort der Postillon, der feinem Kameraden ans dem stillen Friedhof sein Üeib- jicü bläst ... das Steinzcitgrab in der Heide ... die leeren, stummen Bänke, mit allerlei Schnitzwcrk von Kinderhand verziert ... an der Bildleiste die letzten Arbeiten ans der Zeichenstunde . . das ist ihre Welt, Das war ihre Welt. Aus. Vorbei. Der schrille Klang der Glocke reißt ste aus Denken und Traum. Pause. Nun wird gleich ihre Schar dje Treppe herunter- IllM Lede« Stör' nicht den Traum der Kinder, wenn eine Lust sie herzt: Ihr Weh schmerzt sie nicht minder, als dich das deine schmerzt! Es trägt wohl mancher Alte, , deß Herz längst nicht mehr flammt, Im Antlitz eine Falte, l die aus der Kindheit stammt. Leicht welkt dir Blum', eh's Abend, weil achtlos du verwischt den Tropfen Tau. der labend am Morgen sie erfrischt. Iulius Hammer. (Fortsetzung folgt.) «MM ttflöfung des Rätsels. Fledermaus. gepoltert kommen, die Mädels werden sie überfallen, nichtsahnend, wie ste es jeden Morgen tun . . . nein, das kann sie nicht ertragcnl Das ist zuviel. DaS geht über ihre Kraft! Sie würde haltlos in Tränen aus brechest. Nein, das nicht mehr . . . Fort! Nur fort, ehe sie kommen! Sie sollen mich nicht mehr sehen! Ich will sie anch nicht mehr sehen! Kein Abschied! Wie gejagt länft sie die paar Tritte bis zum AuS- gang. Heinemann, der Hauswart, sieht ihr erstaunt nach. Sie aber läuft, läuft ohne aufznschen über den breiten Hof, durch die äußere Pforte ans die Straße. Die Lenis sehen ihr nach. Da ist die Nundbaynl Gott sct Dank! Tief und beglückt atmet sie aus, als sei ste einer ent setzlichen Gefahr entronnen. Was aber nun? Ihre Ersparnisse werden für ein Jahr reichen, viel leicht anch länger, wenn sie mit Hildegard die gemein« same Wohnung behält. Nach Hause? Auf keinen Kall. Die alte Dame in Düsseldorf ver stand nicht, wohin ihr Vermögen entschwunden ist, sie begriff nicht, warnm ihr Mann, der Hauptmann, 1018 den Abschied bekam, sie hat nie verstanden, warum ihre älteste Tochter studierte, sie hat in ihrem Leben nur eins verstanden: ihre Jüngste das Nesthäkchen, gut zu ver heiraten. Ottiliens herbe Art, daS Blut der Bernhardts, nicht daS ihre, hat ihr nie zngesagt. Ottilie war stets Baters Tochter. Nun deckt ihn der grüne Rasen schon lange. So lange eS ihr gut ging, besuchte ste die Mutter und die Schwester in jedem Jahr ans einen Tag. In der Not hat sie bet ihnen nichts verloren. Inzwischen läuft Straße auf Straße, Haltestelle auf Haltestelle an ihr vorbei. Sie aber steht es nicht, träumt und sinnt. Endlich ermannt sich der Schaffner, der sie bei teder Haltestelle fragend angesehen hat, „Entschuldigen Fränlein, haben Sie's Aussteigen nicht vergessen?" , . . Ottilie erschrickt, fährt zusammen. Natürlich, er hat recht. Ste hätte es beinahe vergessen. An der nächsten U-Bahn-Haltestelle steigt sie aus. Ich werde zn Hildegard fahren, überlegt sie, und alles mit ihr besprechen. Lulle wird im Theater sein . .. Als ste in der ratternden Untergrundbahn sitzt, kommt ein kleines, zaghaftes Gefühl der Erleichterung über ste. Hildegard, die Freundin, das ist noch ein Stück Ge borgensein, ein Teil ihrer vertrauten Welt, ein ganz klein wenig daheim. , . Der Pförtner am Bühneneingang bedanert achsel« zuckend. , . . „Tja, Frolletn ... da müßen Se noch 'ne inte Stundg warten. Jetzt kann ich Fräulein Wenzel höchstens wejen eijenen Todesfall 'rausrufen! Der Herr Direktor und der Regiffeur^sind nämlich beide drinnen. WaS denken Siel? Ich fliege achtkantig 'raus, wenn ick da jetzt an« jetanzt käme!" Gegenüber liegt die kleine Konditorei, in der die Schauspieler die Probepausen verbringen. Hier wird sitz auf Hildegard warten, Mau kenn vom Fenster aus diq Straße gut übersehen. EI« MU stick Skizze von Eva Oelschläger. Besorgt schaut der Tierpfleger den Wallach „Schilling" m. Irgend etwas gefällt ihm nicht an dem Tier. Er ruft ach dem Ehef, der besorgt herbeieilt. Der Zirkusdirektor sieht nt Schrecken eine leichte Trübung der schönen dunklen Augen s Tigerjchcckcn. Er und sein Mitarbeiter behandeln das :cr sorgfältig. Wasser, Hafer, alles wird genau untersucht, ,ye dem Tier etwas angeboren wird. „Schilling" nimmt aber aichts an. Tranrig senkt der Wallach den schönen Kopf. Hilflos jtcht der Direktor vor seinem Tier und denkt verzweifelt: „Herrgott, warnm hast du den Tieren keine Sprache gegeben, daß sie sagen können, WaS ihnen fehlt." Die Nachmittags vorstellung hat begonnen. Seine Schwester, Carola, ist schon »ugekleidci zum Vorführcn des Zwvlfcr-Zngcs. Gutgelaunt kommt sie in den Stall. Irgendwie unruhig geworden, fragt sic: „Ist mit .Schilling' ettvaS?" Ter Bruder will die Schwester aber nicht ängstigen, weiß er doch selber noch nichts. Manchmal fühlen sich Pferde nicht wohl, darnnt sagt er nur: „Ich dachte nur, er hätte zu wenig Appetit." Dann wird der Zug zusammcngcslcllt. Auf dem Sattel- Platz vor vor dem Auftritt schmeichelt Frau Carola ihren Lieb lingen. Anch „Schilling" tätschelt sie den schönen Hals. Er ist beinahe ihr schönstes Pferd im Zwölfcr-Zng. Liebevoll legt Fran Carola die hohle Hand auf seine Nüstern. Die wunderschönen Augen blicken die Herrin an und ein leises Wiehern antwortet ihrer Liebkosung. Seit acht Jahren ist „Schilling" Fran Carolas Freund nnd vcrnüsligcs Trcssnrtier. Immer gefällig, anschmiegsam und arbcitssrcudig ist „Schilling" ein gutes Beispiel den anderen Pferden, nnter denen manchmal ordentliche Rauf bolde sind. Fran Carola muß in diesem Augenblick daran denken, daß ihr Vater einmal erzählte, „Schillings" Mutter sei vor langer Zeit von weither gekommen. Vater und Mutter waren einst Kinder der Steppe. Ihre Heimat waren di« hohen Gebirge. Eis, Tcynee ooer giuyenve .yitze konnten me,e Tiere vertragen. Die Muller soll noch ein unbändiges Tier geschöpf gewesen sein, der die Sehnsucht nach ungebundener Freiheit nn Blute lag. Kein Tiger und kein Wolf konnte ihr etwas antun, bis dann der Mensch karn, der große Feind! Und als sie „Schilling" geboren hatte, da legte sie sich nieder und starb. Vielleicht aus Sehnsucht. Der einsetzende Tango schreckt Frau Carola aus ihren Gedanken. Elegant und mit traditioneller Zirkusschönheit bewegen sich die herrlichen Pferdckörper durch den weichen Manegcnsand. Ein leiser Zuruf der Herrin genügt, um die Tiere ihre Wendungen machen zu lassen. Nur beim Walzer gibt es eine kleine Stockung. „Schilling" ist stchengcblieben. Unwillig wirft er das Haupt in die Hoh«. Wiehernd jedoch reiht 'er sich von selbst gleich wieder in die Reihe ein. Die Herrin ruft ihm eine kleine Schmeichelei zu. Doch heute scheint er sic nicht zu hören. Die Meisterin wird nervös. Vertvachsen ist sie mit ihren großen vierbeinigen Kameraden, daher scheint auch sie jede Veränderung wahrzunchmcn. Sie bricht die Nummer vorzeitig ab, schon jagen „Monto" nnd „Orlow" in die Manege, niit denen ihr Bruder arbeitet. Die Menschen klatschen Beifall. Die Meisterin ist aufgeregt und bringt „Schilling" selbst in seine Boxe. Sie achtet nicht auf ihr kostbares Kleid und ihre goldenen Abcndschnhe. Nur ihr Pferd liegt ihr am Herzen, dessen Nüstern merkwürdig heiß geworden sind. Angst steigt in ihr hoch. Kaum daß der Bruder seine Nnmmer be endet hat, ruft sie ihn in die Boxe. Machtlos stehen die beiden Zirknsmenschen vor dem unruhig werdenden Tier. Die weit geöffneten Nüstern beben. „Sofort einen Tierarzt rufen!" befiehlt der Direktor. Dann eilen die Geschwister in die Garderobe, ziehen sich um und kümmern sich weder um das Abendbrot noch um die Vor stellung. Alle alten Zirkusmittel werden angewandt, um daS Tier von seinen Schmerzen zu befreien. Die krampfartigen Schmerzen lassen auf die gefürchtete Kolik deuten. Auch der angekommcne Tierarzt kann nichts anderes feststellen. Menschenhände massieren den hart werdenden Körper des Pferdes. Schnaubend und wiehernd schreit das Geschöpf sein« Not und Qual in den Stall hinein. Unruhig wenden die anderen Pferde ihre Köpfe. Sie rühren kein Futter an, sie leiden mit. Selbst die Elefanten, die großen grauen Kinder, fangen an zu trompeten. Aengstlich werfen sie die Rüssel auf und nieder, selbst die Löwen starren mit ihren Glasaugen auf die leidende Kreatur. Tränen stehen in den Augen der Herrin des Pferdes. Sie ist es, die ihm über die matten Augen streicht, während der Tierarzt und die Männer des Zirkus ihre Kunst versuchen, das Pferd zu retten. Ans der Manege rauscht Musik auf. Die Abend vorstellung beginnt. Nnmmer für Nnmmer nimmt rauschenden Beifall entgegen, im Stall aber ist das Leid noch nicht zu Ende. Sanft mahnt der Bruder: „Du mußt dich umkleiden. Bald beginnt deine Arbeit, es muß eben heute ohne „Schilling" gehen." „Führe d» für mich heute die Pferde vor. Ich kann nicht und will hier im Stall bleiben." Da geht plötzlich eine starke Erschütterung durch den Leib des Pferdes. In einem letzten furchtbaren Kramvf legt sich daS Pferd nieder. Das Haupt fällt ins tiefe Heu. Weinend ist die Herrin neben ihrem Liebling niedergesunken. Sie will ihm helfen, tastend legen sich die Hände auf seine Augen. In der daneben liegenden Boxe wiehert klagend ein Tigerschecke. Die Elefanten weinen langae-ogern Ein Tier ist gestorben. Wie erstarrt liegt die Hand der Frau auf den Tierangen... Der Bruder geleitet die Schwester in ihre Garderobe. Dann muß er eilen, denn eine übermütige Schar von elf Zirkuspferden will sich einem freudigen Publikum produzieren. Uno doch, dem Direktor ist es, als ob die Pferde heule schwerer ihre Changcmcnts zeigen, als ob die Augen dunkler seren... - Druck und Verlag: Wochenblatt für Zschopau und Umgegend: Richard Voigtländer t« Zschopau. Schriftlettung: Margaret« Voigtländer tn Zschopau.