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3. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 19. November 1988, 19.30 Uhr Sonntag, den 20. November 1988, 19.30 Uhr Dirigent: Jörg-Peter Weigle Solist: Bernard Ringeissen, Frankreich, Klavier Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Camille Saint-Saens 1835-1921 Sinfonie g-Moll KV 183 Allegro con brio Andante Menuett Allegro Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 22 Andante sostenuto Allegro scherzando Presto PAUSE Max Reger 1873-1916 Variationen und Fuge über ein Thema vo Mozart op. 132 Thema Variation I Variation II Variation III Variation IV Variation V Variation VI Variation VII Variation VIII (Andante grazioso) (L'istesso tempo) (Poco agitato) (Con moto) (Vivace) (Quasi Presto) (Sostenuto quasi Adagietto) (Andante grazioso) (Molto sostenuto) Fuge (Allegretto grazioso - Maestoso - Larg o ) Das Konzert wird vom Rundfunk der DDR auf gezeichnet. Eine glanzvolle internationale Karriere eröffnete sich dein 1934 geborenen französischen Pianisten BERNARD RINGEISSEN, als er seine Ausbildung bei Marguerite Lang und Jacques Fevrier am Pariser Conservatoire 1951 mit dem 1. Preis beendete, überaus erfolgreiche Konzerte als Solist international führender Orchester unter prominenten Dirigenten sowie eindrucksvolle Klavierabende verhalfen ihm zu einem schnellen künst ¬ lerischen Aufstieg. Darüber hinaus trugen Auszeich nungen bei internationalen Wettbewerben wesentlich dazu bei, seinen Ruf als einen der hervorragenden französischen Pianisten der jüngeren Generation zu fe stigen. Er erhielt 1954 den Preis Aldo Ciccolini im in ternationalen Wettbewerb in Neapel und den 1. Preis des Internationalen Wettbewerbes von Genf, den 4. Preis im Chopin-Wettbewerb 1955 in Warschau und im gleichen Jahr den Grand Prix im Internationalen Mar guerite ■ Long - Jacques-Thibaud-Wettbewerb in Paris, 1962 den 1. Preis und den „Sonderpreis Villa Lobos des Internationalen Wettbewerbs von Rio de Janeiro. Bernard Ringeissen ist heute auf den Konzertpodien der Musikzentren in Europa, Amerika und Asien zu House. Alle Standardwerke, ebenso aber unbekann tere Klavierliteratur gehören zu seinem Repertoire, aus dem Aufnahmen bei vielen internationalen Rundfunk stationen und Schallplattenfirmen vorliegen. Sein ho hes Können und seine reichen Erfahrungen setzt er auch als Jury-Mitglied bei internationalen Wettbewer ben ein, so beim Marguerite-Long-Jacques-Thibaud- Wettbewerb in Paris, Chopin-Wettbewerb in Warschau, ARD-Wettbewerb München, dem Wettbewerb Jeunesse Musicales in Belgrad, Schumann-Wettbewerb Zwickau, sowie als Gastprofessor beim Internationalen Musik seminar in Weimar. Bernard Ringeissen konzertiert seit 1970 mit den Dresdner Philharmonikern. ZUR EINFÜHRUNG Der Ernst des Lebens, ja seine Tragik, scheint dem 17jährigen Wolfgang Amadeus Mozart schon bewußt gewesen zu sein, als er seine „kleine" g-Moll-Sinfonie KV 1 8 3 im Jahre 1773 schrieb (die „große" KV 550 entstand 1788 - drei Jahre vor seinem Tod). Die kontrastreiche Dynamik, die plötz lichen Auftakte, die scharfen Akzente, die Gei gentremoli des Werkes — all das weist auf persönliches leidvolles Erleben. Schmerzlichen, elegischen Charakter besitzt das im Einklang vorgetragene Hauptthema des ersten Satzes (Allegro con brio) mit seinem typischen Sept sprung. Das Andante ist kurz, aber konzen triert und zeigt erregte Vorhaltsthematik. Von herber Entschlossenheit ist der Menuett- Hauptsatz; im Trio entfalten die Bläser allein G-Dur-Freudigkeit. Wie in der „großen" g- Moll-Sinfonie, deren Stimmungsmomente hier in manchem vorweggenommen werden, wird im Finale das Menuett-Thema ausgebildet. Thematische Beziehungen bestehen auch — in synkopischen Bildungen, Akzenten — zum er sten Satz. Diese neue thematische Einheitlich keit, die Mozart hier erstmalig entwickelte, hat für die zyklische Form der Sinfonie, die Ein heit der Gattung wesentliche Bedeutung ge habt. Neben dem völlig andersgearteten Berlioz ist Camille Saint-Saens der größte französische Musiker des 19. Jahrhunderts. Frühzeitig als Wunderkind hervorgetreten, Schüler des Pariser Konservatoriums, teilweise auch Autodidakt, besaß er einen unaufhörli chen Wissensdrang, der ihn eine umfassende Kenntnis der Musik aller Länder und Zeiten erwerben ließ. Gewiß erreichte er eine unge wöhnliche Meisterschaft in den vokalen und instrumentalen Formen durch seine frühen praktischen Erfahrungen an Klavier und Orgel, Instrumente, die er glänzend beherrschte, doch konnte das umfangreiche Schaffen, zahlreiche Opern, darunter „Samson und Dalila" (1877), Oratorien, Kantaten, Chöre, Lieder, sechs Sin fonien, vier sinfonische Dichtungen, fünf Kla vierkonzerte und andere konzertante Werke, Kammer-, Klavier- und Orgelmusik umfas send, insgesamt nicht ohne Schwächen blei ben. In den von seinem Freund und Förderer Franz Liszt angeregten sinfonischen Dichtun gen lieferte Saint-Saens seinen wohl wesent lichsten Beitrag zur Erneuerung der französi schen Musik, doch auch die klassizistischer Haltung huldigenden Klavierkonzerte bean spruchen einen besonderen Platz in seinem CEuvre. Seit 1877 lebte der Komponist, ermu tigt von Liszt, nur noch seinem Schaffen, nach dem er vorher als Organist und Lehrer gewirkt hatte. Außerdem bereiste er als überall ge feierter Pianist und Organist sowie als Dirigent seiner Werke Europa. 1921 verstarb er im ho hen Alter von 86 Jahren in Algier. Von Saint-Saens Klavierkonzerten hat Konzert für Klavier und Orc h^n ster Nr. 2 g-Moll op. 22 aus dem Jahre 1868 die größte Verbreitung gefunden. Abwei chend von der üblichen Konzertform besteht das Werk aus einem tokkatenhaften Prälu dium, einem Scherzosatz und einem tarantel lenartigen Finale. Die inhaltliche Ausgestal tung dieser Form darf zu den charakteristisch sten und besten Leistungen des Komponisten gerechnet werden. Sinnfällig treten romani sche Wesenszüge hervor: die Eleganz und Si cherheit des musikalischen Formens, die voll endete Konversation, die sich aus dem Dialogi sieren von Orchester und Solo ergibt, die Ver einigung von gezügelter Leidenschaft und geistreicher Anmut und nicht zuletzt die blen dende solistische Ausstattung, deren besonde re Eigenart in der filigranartigen Durchsichtig keit des prickelnden Laufwerkes und der glit zernden thematischen Umspielungen liegt. Der erste Satz (Andante sostenuto) hat den Charakter eines frei präludierenden Vorspiels voll leidenschaftlich drängenden Ausdrucks. Der Hauptanteil dieses Präludierens fällt sinn- und spielgemäß dem Klaviersolo zu, das den Hörer gleich zu Beginn mit einer kraftvoll strebenden Solokadenz in die episch bre^^r rhapsodische Stimmung des Satzes einführt. Nach einem kurzen Orchesterzwischenspiel folgt der melodische Hauptgedanke, zuerst elegisch verhalten im Klaviersolo, später in voller Klangstärke, in den von machtvollen Klavier oktaven umdröhnten Streichern. Dieser frei schweifenden, pathetischen Eingangsfantasie steht als zweiter Satz ein aufgelockertes Scher zo (Allegro scherzando) gegenüber, fast von der Duftigkeit und Zartheit Mendelssohnscher Elfenromantik. Der motivische Grundstock des Satzes besteht aus dem einleitenden, geheim nisvoll pochenden Paukensignal, das dem fol genden leichtbeschwingten Hauptthema gleich-