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GERHARD ERBER, Jahrgang 1934, erhielt seine Aus* Bildung an der Leipziger Musikhochschule bei Ama deus Webersinke. Nach dem Staatsexamen 1953 folgte eine Aspirantur an diesem Institut und in den Jahren 1959 bis 1973 nahm er einen Lehrauftrag beim Leip ziger Thomanerchor wahr; seit 1979 lehrt er als Dozent an seiner einstigen Ausbildungsstätte. Prägend in sei ner pianistischen Laufbahn waren u. a. auch Persön lichkeiten wie Guido Agosti und Jakow Sak. 1964 ge wann er den 3. Preis beim Internationalen Bach-Wett bewerb Leipzig. 1980 wurde er mit dem Kunstpreis der DDR und 1986 mit dem Kunstpreis der Stadt Leipzig ausgezeichnet. 1981 erhielt er den Kritikerpreis bei der Berliner Biennale. Obwohl sich Gerhard Erber vor al lem auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik als hervorragender Kenner und Könner ausgewiesen hat (zahlreiche Ur- und Erstaufführungen von Komponisten des In- und Auslandes wurden ihm übertragen), setzt er sich in seinem weitgespannten Repertoire immer wieder auch für die Klavierliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts ein, nicht zuletzt für Seltenheiten in un seren Konzertsälen wie dos Konzert der Clara Wieck. Gastspiele führten den Pianisten u. o. mehrfach zum Festival „Warschauer Herbst", noch Lugano, Mailand und Köln. Neben zahlreichen Rundfunkaufnahmen spiel te er die Klavierwerke Erik Saties, Hanns Eislers und das Klavierkonzert Milko Kelemens für die Schallplatte ein. gen Werken, jedoch sind es Stücke, die ohne Unterbrechung von einem Satz in den ande ren überleiten. So leitet auch bei Clara Wieck das Allegro maestoso mit einem quasi Einhalt gebietenden Adagio-Einschub des Klaviers in die Romanze über und später ebenfalls ohne Unterbrechung in das Finale (Allegro non troppo). Der erste Satz (Allegro maestoso) beginnt nach kurzer Orchestereinleitung sogleich mit Solo- Oktavläufen des Klaviers, das dann fast ohne Unterbrechung den Satz beherrscht, auf die Kadenz ist verzichtet. Hingewiesen sei auf den schönen Mittelteil in As-Dur, der für einen Augenblick die halsbrecherischen Terzpassagen unterbricht. Die Romanze, in der das Orchester schweigt, ist mit Andante non troppo con grazia über schrieben und trägt den Hinweis „La melodia ben marcato e legato". Nachdem das Klavier das kantable Thema vorgestellt hat, übernimmt das Solo-Cello das Thema und wird vom Kla vier mit ruhigen Trioienfiguren begleitet. Die Idee, ein Streichinstrument innerhalb eines Klavierkonzertes solistisch hervortreten zu las sen, wurde später auch verwirklicht in Schu manns Konzert a-Moll, Liszts Konzert Nr. 2 A-Dur, Brahms' Konzert Nr. 2 B-Dur und Tschai kowskis Konzert Nr. 2 G-Dur. Die Überleitung des Klaviers von der Romanze zum Finale wird von Paukenwirbeln mehrfach unterbrochen, bis die Fanfaren der Blechblä ser den dritten Satz eröffnen. Das Klavier setzt mit lebendigem Polacca-Thema ein und ver blüfft mit technischer Bravour. Es kommt zu in tensivem Zusammenspiel mit dem Orchester, das hier aus der Rolle des Begleitens heraus tritt und zum selbständigen Dialogpartner wird. Dolce-Passagen wechseln ab mit ge waltigen Arpeggio-Aufgängen des Klaviers im Fortissimo. Das Thema, jetzt in Dur, erscheint noch einmal, um dann nach virtuosen Sprung passagen in der mitreißenden Stretta zu en den. Wie man aus der Verwendung von Ter zen, Doppelgriffen und Oktaven ablesen kann, waren der damals sechzehnjährigen Cla ra anscheinend keine technischen Grenzen ge setzt. Erleichtert wurde ihr dies auch durch eine große Hand. Sie konnte später leicht eine Dezime greifen. Die Instrumentierung des Konzertes erfolgte in zwei Phasen. 1833 arbeitete offenbar Robert Schumann an der Orchestrierung des ur sprünglichen „Concertsatzes". Dies geht aus einer Notiz Schumanns hervor sowie aus einer Tagebucheintragung Claras. Hier schreibt sie, sie habe das Konzert beendet und Schumann werde es jetzt orchestrieren, damit sie es im Konzert spielen könne. Zum später hinzuge kommenen Allegro maestoso und der Roman ze schreibt Clara in einem Brief an Schumann am 1. September 1835: „...Das Concert ha be ich angefangen zu instrumentieren, abge schrieben hab ich es aber noch nicht. Das Tutti habe ich ein wenig geändert ..." Die Uraufführung am 9. November 1835 fand unter Mendelssohns Leitung im Gewandhaus in Leipzig statt. Sie wurde von Schumann in der Zeitung angekündigt. Er nannte Clara „eine junge Meisterin, die zu den wenigen ge hört, welchen jene höhere Sprache der Kunst angeboren ist", während ihr Werk „uns den Blick in ihre tiefste Seele erschließt". In dem Konzert, in dem sie außer ihrer eigenen Kom position auch Mendelssohns Capriccio brillant, Variationen von Herz und Bachs Konzert für drei Klaviere spielte, wurde sie enthusiastisch gefeiert. Von Robert Schumann haben wir eine ver klärte, aber zugleich auch kritische Würdi gung des Werkes: „...Das erste, was wir hörten, flog wie ein junger Phönix vor uns auf . . . mitten drin aber wogte ein strahlendes Mädchenantlitz und suchte sich Blumen zum Kranz. Ich sah oft Kähne kühn über den Wel len schweben, und nur ein Meistergriff am Steuer, ein straffgezogenes Segel fehlte, daß sie so siegend und schnell als sicher die Wo gen durchschnitten: So hört' ich hier Gedan ken, die oft nicht die rechten Dolmetscher ge wählt hatten, um in ihrer ganzen Schöne zu glänzen, aber der feurige Geist, der sie trieb, und die Sehnsucht, die sie steuerte, strömte sie endlich sicher zum Ziel." In Detmold, wo Johannes Brahms 1857/60 als Klavierlehrer der Prinzessin Frie derike, als Leiter des Hofchores wirkte und in den Hofkonzerten als Pianist auftrat, entstan den 1858 und 1859 zwei Orchesterserenaden, ungemein charakteristische Schöpfungen ihres Meisters, die zu den schönsten Werken ihrer Gattung gehören und als direkte Vorstudien zu seinen vier Sinfonien angesehen werden können, deren erste erst 1876 fertiggestellt war. Die Serenade Nr. 1 D-Dur op. 1 1 , komponiert 1857/58, verrät das eifrige Studium klassischer Partituren (Sinfonien, Se- Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig Der Beitrag über Clara Wieck und ihr Klavierkonzert verwendet Texte von Rosario Marciano und Babette Hierholzer. renaden, Divertimenti), das der junge Künstler am Detmolder Fürstenhofe betrieb. Einzelne Themen könnten von Haydn, Mozart oder dem jungen Beethoven erfunden sein; das Orchester überschreitet - abgesehen von den vier Hörnern — nicht das bei den Klassikern gewohnte Ausmaß. Vor allem aber herrscht in der Serenade ein fröhlicher Humor, ein Über mut (vgL das 1. Menuett mit seiner Nachah mung von Schalmei und Dudelsack), der ge radewegs von Joseph Haydn entlehnt scheint. Die Uraufführung als Serenade für großes Orchester (es gab auch eine Vorform als No nett) erfolgte am 3. März 1860 in Hannover unter der Leitung Joseph Joachims. Das Werk besteht aus sechs Sätzen. Dcr^B lische erste Satz (Allegro molto) beginnt *z haydnisch: über Baßquinten erhebt sich bald im ersten Horn, später in der Klarinette das bukolische Hauptthema. Das zweite Thema schlägt ernstere Töne an, am Schluß tritt ein zartschwebendes Flötensolo hinzu. Der zweite Satz, das Scherzo, lehnt sich wieder deutlich an Haydn an. Der dritte Satz, das träumende Adagio, beginnt mit einer der schönsten Me lodien, die Brahms überhaupt geschrieben hat. Tiefe Streichinstrumente und Fagotte leiten den eigenartig zögernden und dunkel wogen den Gesang ein. Der vierte Satz ist ein Doppelmenuett, köstlich in der Sextenmelodie der liebenswürdig einhertänzelnden Klarinet ten. Der fünfte Satz ist wieder ein Scherzo, dessen Hauptthema vier Takte aus dem Scherzo der 2. Beethoven-Sinfonie zitiert, während der Kontrapunkt hierzu an Haydns D-Dur-Sinfonie erinnert — eine Verbeugung voll Ehrfurcht und Humor vor den großen Mei stern, die dem jungen Brahms wohl ansteht. Der letzte Satz, ein stürmisch-jugendfrisches Rondo, strotzt ebenfalls von froher Laune. Er gipfelt in einer feurigen Coda. VORANKÜNDIGUNG: Sonnabend, den 17. Februar 1990, 19.30 Uhr (Freiverk.) Sonntag, den 18. Februar 1990, 19.30 Uhr (AK/J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Zum 45. Jahrestag der Zerstörung Dresdens Dirigent: Jörg-Peter Weigle Solisten: Christiane Hossfeld, Dresden, Sopran Roland Schubert, Leipzig, Baß Michail Sekler, Sowjetunion, Violine Chor: Philharmonischer Chor Dresden Werke von Ludwig van Beethoven und Eckehard Mayer Nach dem Konzert am 17. Februar 1990 findet ein Foyergespräch statt. Chefdirigent: GMD Jörg-Peter Weige — Spielzeit 1989/90 Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 2,85 JtG 009-56-89 EVP -.25 M 5. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1989/90