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nach einer Einschätzung des Komponisten in seiner Entwicklung als Harmoniker eine recht beachtliche Wandlung, demonstrierte sie doch sein Bemühen, sich aus impressionistischen Zwängen zu befreien. 1918 schuf Ravel vom vierten Stück des Zyklus eine prächtige Or chesterfassung der schon in der originalen Klavierversion manche Berührungspunkte mit der orchestralen Klangpalette aufweisenden Komposition. „Gracioso ist der Narr des spa nischen Granden, seine virtuose Hariekinade verschmilzt hier mit einem diabolischen Gau kelspiel (man denke an Liszts Mephisto-Wal zer). Alborada bezeichnet eigentlich das Tag lied des Troubadours, des im Morgengrauen von der Geliebten scheidenden Ritters. Doch hier regiert das hektische, aufpeitschende Spiel eines wissenden Narren, hinter dem sich wohl auch Hohn oder gar Verzweiflung ver birgt. Bei diesem Meisterstück kam dem Kom ponisten das spanische Kolorit ganz von selbst unter die Hände, verkörpert durch das vor- wärtstreibende, anheizende Spiel der .Gitarre'. Die zweite Ausdrucksebene bietet den lyri schen Kontrast: der altertümelnd monodisch beginnende Gesang des Werbers wird immer inbrünstiger, jeweils unterbrochen von der kalten Virtuosität des sich ebenfalls steigern den Ritornells. Das Spanien der .Alborada' tendiert allerdings stark zur Salonfolklore" (C. Rüger). Dem französischen Komponisten Albert R o u s s e I , Lehrer u. a. von Eric Satie und Bohuslav Martinü und Anreger zahlreicher namhafter Komponisten des 20. Jahrhunderts, ist eine Bedeutung zuzumessen, die der von Maurice Ravel gleichkommt; bedauerlicher weise ist sein substanzreiches CEuvre bei uns viel zu wenig bekannt. A. Hoeree analysierte die künstlerische Persönlichkeit Roussels fol gendermaßen: „Von der flandrischen Seite stammen Innigkeit und Neigung zur Träume rei, das ungezügelte Temperament, die Tanz rhythmen. Frankreich gab ihm die Klarheit, Mäßigung und jene verschleierte Zärtlichkeit, die unter einer lächelnden Oberfläche eine starke Sensibilität verbirgt." Roussel war zunächst für die Laufbahn eines Marineoffiziers bestimmt, nahm jedoch — nach Schiffsreisen auf dem Atlantik, dem Indischen Ozean usw. — 1894 seinen Abschied und wid mete sich ausschließlich der Musik, auch wei terhin seine Orientstudien (bei mehrmonati gem Aufenthalt in Indien und Kambodscha z. B.) als Privatreisender fortsetzend. Er stu dierte bei Eugene Gigout sowie bei Vincent d’lndy an der Pariser „Schola cantorum", wo er selbst von 1902 bis 1914 als Professor für Kontrapunkt wirkte. Als Komponist ließ sich Roussel einmal von der Farbigkeit der Debussyschen Musik anregen (ohne Impressionist zu werden!), zum ande ren konnte er nie die strenge musikalische Zucht der „Schola cantorum" verleugnen. Beide Pole begrenzen gleichsam das Gesamt werk Roussels, das eine Oper, sechs Ballette, vier Sinfonien, Konzerte für Klavier und Cello sowie Kammermusik und Lieder umfaßt. Mit seinem 1930 komponierten und 1931 an der Pariser Grand Opera uraufgeführten Bal lett „Bacchus und Ariadne“ errich tete Roussel, wie es Antoine Golea formulhat hat, „einen edlen, machtvollen Nachklang Ravels »Daphnis und Chloe', ein letztes Denk mal zum Ruhme der französischen Musik sei ner Zeit". Der Komponist trug zwar das Sze narium Abel Hermants nach einem mytholo gischen Stoff peinlich genau in seine Partitur ein, ohne sich jedoch musikalisch der Hand lung völlig zu unterwerfen. Roussel malt nicht, er kommentiert auch nicht das Geschehen, sondern ließ sich anregen zu einer Musik, die einfach, raffiniert und brillant in einem ist, von persönlicher Eigenart, apart und doch nicht schwer verständlich. Bezeichnend sind die Worte des Komponisten, die er als 60jäh- riger äußerte: „Das, was ich anstrebe, ist eine Musik, die sich selbst genügt; eine Musik, die sich von allen malenden und beschreibenden Elementen zu befreien sucht und die sich nie von ihrem begrenzten Raum entfernt. Ich will nichts anderes als nur Musik machen!" Die aus dem Ballett im Konzertsaal bekannt gewordenen zwei Orchestersuiten entsprechen den zwei Akten des Werkes. Die heute er klingende Suite Nr. 2 beginnt mit ernsten, sanften Tönen. Ariadne, von Bacchus in den Schlaf versetzt, erwacht auf einer felsigen sei und sieht sich verlassen. Sie tanzt Tanz der Sehnsucht nach Theseus und will — hoffnungslos — in die Wellen stürzen. Doch plötzlich erscheint Bacchus und bemüht sich, ihre Wehmut und Unruhe zu zerstreuen. Die unfruchtbare und verlassene Insel bedeckt sich mit frischem Grün und bevölkert sich mit den von Bacchus herbeigeführten Faunen und Mänaden, die sich seinem ekstatischen Tanz anschließen. Auch der anfangs zarte und sehnsuchtsvolle Tanz Ariadnes unterliegt schließlich dem Reigen der anderen, und der gemeinsame Tanz aller geht im Wirbel eines hinreißend gesteigerten Bacchanale zu Ende. PHILHARMONISCHE NOTIZEN Pressestimmen Einen ganz ausgezeichneten Eindruck hatten die Dresd ner Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdiri genten Jörg-Peter Weigle bei der Aufführung des „Deutschen Requiems" von Johannes Brahms hinter lassen. So war es für die Besucher des „Kissinger Sommers" außerordentlich erfreulich, dieses großar tige Orchester noch einmal bei einem Symphoniekon zert erleben zu können . . . Das Engagement der Mu siker und die hervorragende dynamische Durchgestal tung der einzelnen Stimmen gaben den „Metamor phosen" (Strauss) eine erschütternde Tiefe . . . Die Bedrückung war allgegenwärtig . . . Daß aber auch die Aufführung der d-Moll-Sinfonie von Cesar Franck zu einer Sternstunde werden würde, hatte wohl nie mand geahnt. Selten ist im Regentenbau eine Sinfo nie mit so großer musikalischer Kraft und konzeptio neller Geschlossenheit aufgeführt worden wie an die- Abend. Während bei den meisten Interpretatio- B die Zelebrierung des Spätromantikers Franck im ^mrdergrund steht, lenkte Weigle den Blick auf den Neuerer an der Schwelle zur Moderne, zeichnete er einen Romantiker mit Ecken und Kanten . . . Der Glanz punkt allerdings war der Schlußsatz, in dem alle The men noch einmal Revue passierten . . . Der Beifall war frenetisch. Er galt dem Orchester, das man bald einmal wieder in Bad Kissingen hören möchte. Saale-Zeitung, 8. 7. 1989 (Bad Kissingen) Am Pult der Dresdner Philharmoniker stand deren hochbegabter junger Chefdirigent Jörg-Peter Weigle. Hervorragend gelang unter seiner Leitung der wie eine Traumvision, wie ein duftiges musikalisches Pa stellbild herüberwehende zweite Satz (Mahler, 2. Sin fonie) — ein Ländler, dessen unüberhörbar wieneri scher Tonfall durch eine kleine agogische Verzögerung noch herausgekitzelt wurde. Und ohne Frage kam dem ehemaligen Leiter des Leipziger Rundfunkchores (und einstigen Thomaner) bei der überlegenen klanglichen Disposition des Schlußsatzes jahrelange Chorerfah rung zugute . . . Sicher ist der eher behutsame Chef der Dresdner kein Mann der fiebrigen, „wild herausfahrenden" Orchester- Exzentrik (auch sie gehört zu diesem Mahler-Werk). Doch eine imponierende, aufs sorgsamste ausgefeilte Leistung bot er im „Michel" allemal. Die Welt, 14. 9. 1989 (Hamburg) Unter ihrem jungen Chefdirigenten Jörg-Peter Weigle spielte das Orchester Beethovens Werk (Egmont-Ouver- Kölnische Rundschau, 15. 9. 1989 türe) mit Energie und breitem, pastosem Streicher- •ig. Weigle bewies Sinn für Tempoproportionen, fische Stimmigkeit und auch dramatische Span- g. (Köln) GMD Jörg-Peter Weigle wurde anläßlich des 33. In ternationalen Beethovenfestes 1989 in Bonn die Ehre zuteil, sich in das Goldene Buch der Stadt Bonn ein zutragen. Damit gehört er zu dem Kreis von Künstlern, die von den Stadtverordneten dazu auserwählt wur den. Jörg-Peter Weigle hatte, wie bereits berichtet, mit den Philharmonikern im letzten Monat während dieses renommierten Musikfestivals in Bonn konzer tiert. Vom 4. bis 20. Oktober gab unser Orchester unter Lei tung von GMD Prof. Herbert Kegel als Gast zehn Kon zerte in Japan: in Urawa, Osaka, Kyoto, Kobe, Na goya, Hiroshima, Kitakyushu, Tokyo und Yokohama. Auf dem Reiseprogramm standen Werke von Beetho ven, Mahler, Mozart und Schumann. Solisten waren der Leipziger Pianist Andreas Pistorius und die Leip ziger Sopranistin Venceslava Hruba-Freiberger. Die Dresdner Philharmonie gastierte damit bereits zum fünften Mal in Japan. Eine große Orchestertournee fand erstmalig 1976 statt, als mit den Dirigenten Gün ther Herbig und Hartmut Haenchen 20 Konzerte in 17 Städten gegeben wurden. Außerdem reiste das Orche ster 1975 mit dem Leipziger Thomanerchor unter Hans- Joachim Rotzsch sowie 1979 und 1988 mit dem Dresdner Kreuzchor unter Martin Flämig zu Konzerten in das fernöstliche Land. Alle Sinfonien von Ludwig van Beethoven, seine Eg- mont-, Coriolan- und 3. Leonoren-Ouvertüre spielen die Philharmoniker unter ihrem Chefdirigenten in fünf Konzerten vom 22. bis 26. November d. J. in Madrid. Am 28. November folgt noch ein Konzert im spanischen Valencia ebenfalls mit Beethoven-Werken. GMD Jörg-Peter Weigle leitet im Dezember das Bach- Collegium München in zwei Konzerten in München und Düsseldorf. Er dirigiert die „Unvollendete" von Schubert, das Violinkonzert von Beethoven — mit Flo rian Sonnleitner als Solisten — und Haydns Sinfonie Nr. 88. Das Barock-Collegium der Dresdner Philharmonie, das von Kammermusiker Volker Karp geleitet wird, gastier te auf der Burg Kriebstein, auf Schloß Weesenstein sowie im Rahmen der Silbermann-Tage des Bezirkes Karl-Marx-Stadt in der Schloßkapelle Rochlitz. Auf dem Programm standen Werke der Bach-Familie, der Bach-Schüler Krebs und Goldberg sowie von Vivaldi und Telemann. Philipp Beckert, Violine, hat in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal an der Internationalen Sommeraka demie Mozarteum Salzburg teilgenommen. Wiederum wurde er in den Kurs von Ruggiero Ricci, dem 69jäh- rigen großen Virtuosen und Pädagogen, der 1978 letzt malig mit der Dresdner Philharmonie musiziert hat, aufgenommen. Im 15. Konzert der Akademie trat Phi lipp Beckert als Solist hervor: Er spielte mit dem ja panischen Pianisten Kyoko Hashimoto die Violinsonate Es-Dur op. 18 von Richard Strauss. Kammervirtuos Siegfried Kornek, Violine, begeht am 1. Dezember 1989 sein 40jähriges Dienstjubiläum bei der Dresdner Philharmonie. Prof. Dr. Dieter Hartwig, seit 1965 Chefdramaturg und Stellvertretender Künstlerischer Leiter, beging kürzlich sein 30jähriges Berufsjubiläum. Nach dem Studium der Musikwissenschaft und Germanistik in Leipzig trat er 1959 sein erstes Engagement als Musikdramaturg am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin an, dem 1960 eine fünfjährige Tätigkeit in gleicher Position an den Landesbühnen Sachsen folgte. Er promovierte 1963 an der Leipziger Karl-Marx-Uni versität, wo er sich 1970 auch habilitierte. 1960 bis 1962 und seit 1973 lehrt Dieter Härtwig das Fach Mu sikgeschichte an der Hochschule für Musik „Carl Ma ria von Weber" Dresden, seit 1984 als Honorarprofes sor. Darüber hinaus legte er mehrere Bücher vor u. a. über Rudolf Wagner-Regeny und Fidelio F. Finke, die Chronik der Dresdner Philharmonie 1870 bis 1970, einen Bildband über unser Orchester sowie über Carl Maria von Weber. Ein weiterer Bildband über den Dresdner Kreuzchor ist zur Zeit im Entstehen. Bis zum 125jähri- gen Bestehen der Dresdner Philharmonie 1995 berei tet Dieter Härtwig die Erweiterung der Orchesterchro nik vor.