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Gemeinsam mit unseren Konzertfreunden wollen wir uns ERINNERN AN JOHANNES WINKLER, der am 19. Juni dieses Jahres mit seiner Frau durch einen tragischen Unfall ums Leben kam. Im Opernhaus Leipzig, seinem Wirkungsort seit vier Jahren, hatte er Verdis „Nabucco" dirigiert und war auf dem Weg nach Essen, wo er Matthus' „Graf Mirabeau" für die Uraufführung vorbereiten sollte, zu einer der zahlreichen Gastverpflichtungen also, die sich in den letzten Jahren dicht und dichter drängten. Als er 1976 26jährig bei der Dresdner Philharmonie sein erstes Engagement an trat, ausgebildet beim Dresdner Kreuzchor, an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" Dresden (Dirigieren bei Rudolf Neuhaus) und am Lenin grader Konservatorium, hatten ihn drei Menschen wesentlich geprägt: sein Va ter, der ihm den Weg zur Musik gewiesen hat, Rudolf Mauersberger, der hoch verehrte behutsame Lenker und Betreuer seiner Sängerknabenjahre, und der be wunderte Musiker und Lehrer Arvid Jansons, dessen Dirigier-Handschrift er nie verleugnen konnte und wollte. Drei Serenaden in Pillnitz waren zunächst der Auftakt, den ersten „Einsatz“ gab Johannes Winkler den Philharmonikern im 1. Außerordentlichen Konzert der Spielzeit V316ITI mit Siegfried Kurz' „Aufenthalt auf Erden", Klavierkonzerten von Skrjabin und Tschaikowski. Bis zu seinem Abschiedskonzert am 2./3. April 1983 (Bach, Matthus, Mozart) stand er in den Dresdner Konzertreihen unseres Orchesters 53mal am Dirigentenpult, brachte hier sechs Uraufführungen heraus (Jürgen Knauer, Georg Katzer, Karl- Rudi Griesbach, zweimal Wilfried Krätzschmar, Jörg Herchet), dirigierte Sin fonien von Sibelius, Dvorak, Brahms, Mendelssohn, Haydn, Beethoven, Tschai kowski, Bruckner, Honegger, die Enigma-Variationen von Edward Elgar, „Die Planeten" von Gustav Holst, die Sinfonia come un grande lamento von Udo Zimmermann . . . und immer wieder Mozart. „Mozart, der oft Unterschätzte, der .Sonnige', .Verspielte', stellt einem Musiker so viele schwierige Aufgaben, daß man nicht oft genug bei ihm in die Schule gehen kann", begründete Johannes Winkler seine Hinwendung und forderte gerade bei ihm den Musikern das Letzte ab. Zwischen 1977 und 1986 begleitete er die Philharmoniker auf zwölf Gastspielreisen fast durch ganz Europa, leitete sie bei acht Schallplattenein spielungen und bei Sonderkonzerten in vielen Städten unseres Landes. Als seine letzte Schallplatte ist im Frühjahr 1989 ein Sängerporträt der Sopranistin Venceslava Hruba-Freiberger mit dem Gewandhausorchester Leipzig erschienen. In seinen sieben „philharmonischen" Jahren war Johannes Winkler auch den Mitgliedern des Besucherrates und des Jugendklubs ein aufgeschlossener und anregender Gesprächspartner. In Foyergesprächen und anderen Begegnungen mit unseren Besuchern gab er sein reiches Wissen um Musik und Musiker, deren künstlerisches, historisches und philosophisches Umfeld in geistvoll-charmanter, bildhafter und oft humorvoller Art weiter. Auch während seiner Amtszeit in Schwerin und Leipzig hat es ihn immer wieder nach Dresden zurückgezogen. Hier hatte er seine geistige und künstlerische Heimat. Häufig war er Gast bei unserem Orchester und zuletzt mehrfach auch bei der Staatsoper Dresden, wo er sich mit dem Dirigat der „Meistersinger" einen Lebenstraum erfüllen konnte. In einem Porträt des Dirigenten ist zu le sen: „Johannes Winkler gehört keineswegs zu den ,kam-sah-und-siegte-Typen‘, die mit blendender Erscheinung und verzückter Miene vor das Orchester treten. Mit kleinen Schritten läuft er zum Podium, gibt sparsam die Einsätze und hebt die großen Gesten für die wirklichen Höhepunkte seines Vortrags auf. Er möch te das Werk zur Geltung bringen, weniger sich selbst. Den feinsten Regungen der Musik versucht er nachzuspüren und hinter der Genauigkeit der Interpre tation nicht die Dynamik und Ursprünglichkeit verkümmern zu lassen." So wird uns Johannes Winkler im Gedächtnis bleiben. sg hin eine Assoziation mit dem Blues der Ne ger nahelegte. So kam das Stück am 12. Fe bruar 1924 unter Whitemans Leitung in der New-Yorker Aeolian Hall zur Uraufführung und wurde zu einem grandiosen Erfolg. 1928 unternahm Gershwin eine Europareise. Vor allem in Paris hoffte er, seine musikali schen Fertigkeiten zu erweitern, und so ersuch te er, allerdings vergeblich, unter anderem Strawinsky, Prokofjew und Ravel um Unter richt. Sie reagierten, von seiner Musik be geistert, alle ähnlich wie Ravel: „Weshalb wollen Sie ein zweitklassiger Ravel werden, da Sie ein erstklassiger Gershwin sind?" An- firegt durch die Atmosphäre der Weltstadt, pzipierte er das Orchesterstück E i n merikaner in Paris, das im Dezem ber des gleichen Jahres in der New-Yorker Carnegie Hall unter Leitung von Walter Dam- rosch uraufgeführt wurde. Der Komponist be merkte zu diesem „eigentlich rhapsodischen Ballett", es sei seine „Absicht, die Eindrücke eines amerikanischen Reisenden wiederzuge ben, der durch Paris schlendert, der auf den Straßenlärm hört und die französische Atmo sphäre in sich aufnimmt". Das einsätzige, drei teilige Stück mit seinen originellen Themen, effektvollen Entwicklungen und geschickten Klangmontagen basiert auf den Modellcha rakteren von Ragtime, Blues und Charleston. Leonard Bernstein, der Allroundman der amerikanischen Musikszene — Dirigent, Komponist, Pianist, Universitätsdozent, Mu sikschriftsteller und Fernsehkommentator in Personalunion —, war, als er 1957 die „West Side Story" schrieb, schon längst kein Un bekannter mehr. Jahrgang 1918, hatte er an der Harvard University Komposition und Kla vier studiert und danach am Curtis Institute >f Music in Philadelphia die Ausbildung ab- ■kchlossen. Seine große Stunde kam, als er 14. November 1943 in der Carnegie Hall zum ersten Mal die New-Yorker Philharmoniker dirigieren durfte. Der fünfundzwanzigjährige Hilfsdirigent hatte erst wenige Stunden zuvor das Angebot erhalten, für den erkrankten Bruno Walter einzuspringen mit einem Pro gramm, das Schumanns „Manfred"-Ouvertüre und Richard Strauss' „Don Quixote" enthielt. Die „New York Times" brachte am nächsten Tag ihre Kritik unter der Schlagzeile: „Leo nard Bernstein am Pult . . . Debüt eines Ge nies". Bernsteins Karriere führte steil nach oben. 1945 bis 1948 war er Leiter des New York City Symphony Orchestra, 1958 bis 1969 Chefdirigent der New-Yorker Philharmonie, eine Position, die er aufgab, um sich stärker seinem kompositorischen Schaffen widmen zu können. Als Dirigent und Pianist trat er, ins besondere mit den New-Yorker und den Wie ner Philharmonikern in den Musikzentren der ganzen Welt auf. Große Erfolge hatte er an der Metropolitan Opera New York, an der Mailänder Scala und an der Wiener Staats oper. Heute gehört er zu den künstlerischen Erscheinungen, die schon bei Lebzeiten einen legendären Ruf genießen. Seine Vorlesungen an amerikanischen Universitäten und seine Konzerteinführungen im Fernsehen übten eine bedeutende erzieherische Wirkung auf eine ganze Generation von Musikfreunden aus. Die vielfach aus diesen Vorlesungen hervorgegan genen Bücher erschienen in Hunderttausen den von Exemplaren und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Das Verzeichnis seiner Kompositionen umfaßt Lieder, Suiten, Sinfo nien, Bühnenmusiken, Psalmen für Chor und Orchester, den Operneinakter „Trouble in Ta hiti" (später umgearbeitet zur abendfüllen den Oper „A Quiet Place"), die Ballette „Fan cy Free“, „Facsimile" und „Age of Anxiety“, sowie die Musicals „On the Town" (1944, ei ne Umarbeitung von „Fancy Free"), „Won- derful Town" (1953), „Candide" (1956), „West Side Story“ (1957) und „Pensylvania Avenue“ (1976). „West Side Story" wurde zu einem der größten Erfolge in der Geschichte des ameri kanischen Musicals. Allein am New-Yorker Broadway erlebte das Stück 734 Aufführun gen. Auf den Bühnen vieler Länder wurde es inszeniert. Der nach dem Musical gedrehte Film ging um die Welt. Die Handlung, eine Adaption des Shakespeareschen „Romeo-und- Julia"-Stoffes, spielt an der Westseite von New York in den fünfziger Jahren. Ihren Hin tergrund bilden die ungeheuren, bis heute ungelösten sozialen Probleme der Großstädte in den USA: zunehmende Kriminalität, Arbeits losigkeit, Drogenmißbrauch, Rassendiskrimi nierung. Nie zuvor wurde in einem Musical die Realität so schonungslos dargestellt. Zwei jugendliche Banden bekämpfen sich bis zur tödlichen Konsequenz: die Sharks (die „Hai fische"), die Söhne puertoricanischer Einwan derer, und die einheimischen Jets (die „Dü senjäger“). Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Liebe zwischen Tony und Maria. To ny ist einer der Mitbegründer der Jets, hat sich aber, weil er dem Halbstarkenalter ent wachsen ist, von der Bande zurückgezogen. Maria ist die Schwester von Bernardo, dem