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Bäuerleins und ein Gassenhauer auf . . . dann zieht irgend wo in der Ferne Militär vorüber. Es sind abgerissene Bildfetzen, wie sie uns beim Einschlafen durch den Sinn huschen“ (Tschaikowski). Dieser Scherzo-Satz besticht vor allem durch seine wirkungsvolle, aparte Instrumentierung. Während im ersten Teil, Pizzikato ostinato, nur Streicher eingesetzt werden, kommen im zweiten Teil ausschließlich Holzbläser, im dritten Teil nur Blechbläser zur Anwendung, und „am Schluß plaudern alle drei Gruppen nacheinander in kurzen Phrasen“. Variationen über das russische Volkslied „Auf dem Feld die Birke stand" enthält das stürmisch einsetzende Finale. Die Düsternis des ersten Satzes wird hier schließlich in ein fest lich glänzendes Dur umgewandelt, obwohl auch das Schick salsmotiv der Einleitung wieder aufklingt. Lassen wir noch einmal die Deutung des Komponisten sprechen: „Wenn du in dir selbst keine Gründe zur Freude findest, dann schau auf die anderen Menschen. Geh unter das Volk, sieh, wie es sich zu vergnügen versteht, wie es sich schrankenlos den Gefühlen der Freude hingibt . . . Ein Volksfest findet statt. Doch kaum hast du dich selbst vergessen in der Betrachtung fremder Freuden, als das Fatum, das unentrinnbare Schick sal, aufs neue erscheint. Aber die anderen kümmern sich nicht um dich. O, wie fröhlich sind siel Wie sind sie glück lich, weil alle ihre Gefühle unbefangen und einfach sind! Und du willst immer noch behaupten, daß alles in der Welt düster und traurig ist? Es gibt doch noch so viele einfache und schlichte Freude, und - du kannst leben!“ Tschaikowski dirigierte übrigens am 20. Februar 1889 im 5. Philharmonischen Konzert die Dresdner Erstaufführung seiner 4. Sinfonie, die nach seinen Worten „Sensation er regt hat“. Kolja Lessing, 1961 in Karlsruhe geboren, erhielt seit 1964 Violin- und seit 1966 Klavierunterricht durch die Mutter. 1972 und 1974 wurde er Preisträger im Wettbewerb „Jugend musiziert". Von Henryk Szeryng empfohlen, wurde er 1978 in Hansheinz Schneebergers Meisterklasse für Vio line an der Musikakademie Basel aufgenommen, wo er 1979, nach dem Abitur, auch eine pianistische Ausbildung bei Peter Efler und ein Kompositionsstudium begann. 1982 erlangte er das Solistendiplom als Geiger, 1983 das Diplom als Pianist. In diesen Jahren wurden auch kompositorische Arbeiten des vielseitigen jungen Künstlers mit Preisen be dacht, für den soge^Äite „Doppe^^kals", d. h. Auftritte als Geiger und Pianist in einem Konzertprogramm, bezeich nend sind. Seine umfangreiche Konzerttätigkeit führte ihn bisher nach Italien, Frankreich, Schweden, in die Schweiz, CSSR und 1987 erstmalig in die DDR, wo er bei der Dresd ner Philharmonie mit Hans Vogts Violinkonzert debütierte. Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen sowie Ur- und Erst aufführungen und Verpflichtungen bei namhaften Orche stern des In- und Auslandes festigten sein internationales Renomme. ZUR EINFÜHRUNG Der französische Komponist Ernest Chausson (geb. im Jahre 1855 in Paris) studierte zunächst Jura und arbeitete musikalisch bei Jules Massenet in dessen Kompo sitionsklasse am Conservatoire in Paris. Aber erst unter Cesar Franck, dessen Schüler er sodann bis 1883 war, konnte sich Chaussons schöpferische Persönlichkeit entfalten. Die vorwärtstreibende Kraft der französischen Musik prägte sich damals in der sogenannten Societe Nationale aus, die Camille Saint-Saens kurz nach 1870 gegründet hatte. Bald wurde Cesar Franck der geistige Führer der jungen Vereini gung, während Chausson ihr unermüdlicher Generalsekretär war. Zunächst trat Chausson mit Kammermusik an die Öffentlich keit. Die Einflüsse seines Lehrers Franck und auch Richard Wagners sind in manchen seiner Werke noch sehr deutlich, wenn er auch versuchte, sich von seinen Vorbildern zu lösen, eine eigene, einfachere musikalische Sprache auszuprägen. Gleichwohl blieb er, der über hervorragende Geistesgaben verfügte, ein Zweifler, den oft die Unruhe über den ein gebildeten Unwert der eigenen Leistung befiel. Für Orchester hat Chausson die sinfonische Dichtung „Viviane" (1882) geschrieben, sodann eine B-Dur-Sinfonie, sein sinfonisches Hauptwerk, das die Dresdner Philharmonie 1981 unter Jean Fournet zur Dresdner Erstaufführung brach te, eine „Vedische Hymne“ mit Chören (1891), das „Poeme von Liebe und Meer“ (1892) und das Poeme für Violine und Orchester (1896). Ernest Chausson verstarb 1899 in Limay an den Folgen eines Unglücksfalls. Chaussons Musik ist klangschön, voller Poesie, Ausdruck sei nes eminent kultivierten, tiefen und zarten Wesens. Sie vereint das Leidenschaftliche mit dem Distinguierten, ist in Form und Inhalt nobel und erinnert,mitunter an Debussy, mit dem er in Freundschaft verbunden war. Das Poeme für Violine und Orchester (in der Fassung mit Klavierbegleitung gelegentlich in Kammerkonzerten zu hören, seltener schon in der originalen Orchesterversion) widmete der Komponist dem berühmten Geiger Eugene Ysaye. Die überschwengliche klangliche Gebärde, die alterierte Harmonik des Stückes lassen an Franck und Wagner denken. Wagnerisch empfunden ist schon die orchestrale Einleitung (Lento misterioso). Das da nach erklingende Thema der Solovioline bildet die melo disch-architektonische Keimzelle der sich rhapsodisch frei entfaltenden, klangprächtigen und virtuosen Komposition, auf die alle Entwicklung zurückzuführen ist.