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gemurmel, Vogelgesang und Gewitter) die An wendung tonmalerischer Mittel durchaus in seine Gestaltung einbezieht, wünschte er doch, wie wir seinen Äußerungen entnehmen kön nen, keinesfalls eine zu genaue Ausdeutung dieser Elemente: „Man überläßt es dem Zu hörer, die Situationen auszufinden. Sinfonia caracteristica oder eine Erinnerung an das Landleben. Jede Malerei, nachdem sie in der Instrumentalmusik zu weit getrieben, verliert. Sinfonia pastorella. Wer auch nur je eine Idee vom Landleben erhalten, kann sich ohne viel Überschriften selbst denken, was der Autor will. Auch ohne Beschreibung wird man das Ganze, welches mehr Empfinden als Ton gemälde, erkennen." Dem Meister, für dessen tiefe, innige Naturliebe und -Verbundenheit viele Zeugnisse sprechen, kam es darauf an, „die Idee vom Landleben" wiederzugeben, die für ihn im Grunde die Idee vom freien Menschen in der freien, „unverdorbenen" Na tur bedeutete. In diesem Sinne wollte er „Emp findungen, welche der Genuß des Landes im Menschen hervorbringt", ausdrücken (Kalen dernotiz aus dem Entstehungsjahre des Wer kes). Eine sehr wichtige Rolle spielt in dieser, klassische Form mit programmatischer Schilde rung meisterhaft verbindenden Sinfonie cha rakteristischerweise auch eine starke Einbe ziehung der Volksmusik, und zwar, wie durch Untersuchungen insbesondere der Themenbil dung, aber auch der rhythmischen und harmo nischen Struktur nachgewiesen wurde, in be sonderem Maße speziell der kroatischen Bau ernmusik. Der „Erwachen heiterer Gefühle bei der An kunft auf dem Lande" überschriebene lyrische erste Satz ist ganz von glückhafter, dankbarer Freudigkeit über die zahllosen Schönheiten der Natur erfüllt, die uns in vielen anmutigen, von Spannungen und Kontrasten ungetrübten Bildern vor Augen gestellt werden. Weiche Klangfarben, froh schwärmende Themen, in viele kurze, häufig wiederholte und gleichsam der Natur abgelauschte Motive aufgegliedert (diese Art der Themenbildung ist übrigens für die gesamte Sinfonie kennzeichnend), bestim men den Satz. — Tiefster, träumerischer Wald frieden wird uns im zweiten Satz, der „Szene am Bach“, geschildert. Zwei kantable Themen bilden die Grundlage dieses reizenden Musik stückes, in dessen Verlauf bei melodischem Wellengemurmel, Vogelgezwitscher und Insek tensummen ein überaus zartes und poetisches Stimmungsbild entsteht. In der Coda hören wir schließlich ein scherzhaft nachahmendes Ter zett zwischen Nachtigall (Flöte), Wachtel (Oboe) und Kuckuck (Klarinette). — Eine Art Scherzo stellt der dritte Satz, „Lustiges Zu sammensein der Landleute“ genannt, dar. Ausgelassenes Treiben des Volkes, ländliche Tänze, übermütig parodiertes Spiel der Dorf musikanten stehen hier im Mittelpunkt. Doch durch ein aufziehendes Gewitter mit Sturm, zuckenden Blitzen, Donnergrollen und Regen schauern, von Beethoven mit einfachsten, im mer geschmackvoll bleibenden Mitteln wieder gegeben, wird im unmittelbar folgenden vier ten Satz das lustige Geschehen jäh unterbro chen. Ebenso plötzlich beruhigt sich die auf geregte Natur aber auch wieder, und wir erj^k finden nun im anschließenden fünften („Hirtengesang") „frohe und dankbare fühle nach dem Sturm". Der im 6 /a-Takt ste hende, breit strömende letzte Satz beginnt mit einer schlichten, volkstümlichen Schalmeien melodie und bringt in vielen Abwandlungen dieses Themas, Anklängen an die ersten Sätze und neuen Motiven noch einmal einen strah lenden, sich immer mehr steigernden und end lich leise verklingenden Hymnus auf die Herr lichkeiten der Natur. VORANKÜNDIGUNGEN: Mittwoch, den 25. Oktober 1989, 19.30 Uhr (Freiverkauf) Dienstag, den 31. Oktober 1989, 19.30 Uhr (AK/J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festkonzert 40 Jahre DDR / 20 Jahre Kulturpalast Dirigent: Jörg-Peter Weigle Solisten: Venceslava Hrubä-Freiberger, CSSR/Leipzig, Sopran Bettina Denner, Leipzig, Alt Dieter Schwartner, Leipzig, Tenor Hermann Christian Polster, Leipzig, Baß Chöre: Philharmonischer Chor Dresden Philharmonischer Kinderchor Dresden Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 Sonntag, den 29. Oktober 1989, 20.00 Uhr Montag, den 30. Oktober 1989, 20.00 Uhr Festsaol des Kulturpalastes Dresden INTERNATIONALE PREISTRÄGER IM KONZERT präsentiert von Annerose Schmidt Dirigent: Jörg-Peter Weigle Für dieses Konzert nimmt der Kulturpalast Dresden Kartenbestellungen entgegen. Der öffentliche Verkauf beginnt am 16. 10. 1989. Gemeinsam mit unseren Konzertfreunden wollen wir uns ERINNERN AN JOHANNES WINKLER, der am 19. Juni dieses Jahres mit seiner Frau durch einen tragischen Unfall ums Leben kam. Im Opernhaus Leipzig, seinem Wirkungsort seit vier Jahren, hatte er Verdis „Nabucco" dirigiert und war auf dem Weg nach Essen, wo er Matthus’ „Graf Mirabeau“ für die Uraufführung vorbereiten sollte, zu einer der zahlreichen Gastverpflichtungen also, die sich in den letzten Jahren dicht und dichter drängten. Als er 1976 26jährig bei der Dresdner Philharmonie sein erstes Engagement an trat, ausgebildet beim Dresdner Kreuzchor, an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" Dresden (Dirigieren bei Rudolf Neuhaus) und am Lenin grader Konservatorium, hatten ihn drei Menschen wesentlich geprägt: sein Va ter, der ihm den Weg zur Musik gewiesen hat, Rudolf Mauersberger, der hoch verehrte behutsame Lenker und Betreuer seiner Sängerknabenjahre, und der be wunderte Musiker und Lehrer Arvid Jansons, dessen Dirigier-Handschrift er nie verleugnen konnte und wollte. Drei Serenaden in Pillnitz waren zunächst der Auftakt, den ersten „Einsatz“ gab Johannes Winkler den Philharmonikern im 1. Außerordentlichen Konzert der Spielzeit 1976/77 mit Siegfried Kurz’ „Aufenthalt auf Erden", Klavierkonzerten von Skrjabin und Tschaikowski. Bis zu seinem Abschiedskonzert am 2./3. April 1983 (Bach, Matthus, Mozart) stand er in den Dresdner Konzertreihen unseres Orchesters 53mal am Dirigentenpult, brachte hier sechs Uraufführungen heraus (Jürgen Knauer, Georg Katzer, Karl- Rudi Griesbach, zweimal Wilfried Krätzschmar, Jörg Herchet), dirigierte Sin fonien von Sibelius, Dvorak, Brahms, Mendelssohn, Haydn, Beethoven, Tschai kowski, Bruckner, Honegger, die Enigma-Variationen von Edward Elgar, „Die Planeten“ von Gustav Holst, die Sinfonia come un grande lamento von Udo Zimmermann . . . und immer wieder Mozart. „Mozart, der oft Unterschätzte, der .Sonnige', .Verspielte“, stellt einem Musiker so viele schwierige Aufgaben, daß man nicht oft genug bei ihm in die Schule gehen kann“, begründete Johannes Winkler seine Hinwendung und forderte gerade bei ihm den Musikern das Letzte ab. Zwischen 1977 und 1986 begleitete er die Philharmoniker auf zwölf Gastspielreisen fast durch ganz Europa, leitete sie bei acht Schallplattenein spielungen und bei Sonderkonzerten in vielen Städten unseres Landes. Als seine letzte Schallplatte ist im Frühjahr 1989 ein Sängerporträt der Sopranistin Venceslava Hruba-Freiberger mit dem Gewandhausorchester Leipzig erschienen. In seinen sieben „philharmonischen“ Jahren war Johannes Winkler auch den Mitgliedern des Besucherrates und des Jugendklubs ein aufgeschlossener und anregender Gesprächspartner. In Foyergesprächen und anderen Begegnungen mit unseren Besuchern gab er sein reiches Wissen um Musik und Musiker, deren künstlerisches, historisches und philosophisches Umfeld in geistvoll-charmanter, bildhafter und oft humorvoller Art weiter. Auch während seiner Amtszeit in Schwerin und Leipzig hat es ihn immer wieder nach Dresden zurückgezogen. Hier hatte er seine geistige und künstlerische Heimat. Häufig war er Gast bei unserem Orchester und zuletzt mehrfach auch bei der Staatsoper Dresden, wo er sich mit dem Dirigat der „Meistersinger" einen Lebenstraum erfüllen konnte. In einem Porträt des Dirigenten ist zu le sen: „Johannes Winkler gehört keineswegs zu den ,kam-sah-und-siegte-Typen’, die mit blendender Erscheinung und verzückter Miene vor das Orchester treten. Mit kleinen Schritten läuft er zum Podium, gibt sparsam die Einsätze und hebt die großen Gesten für die wirklichen Höhepunkte seines Vortrags auf. Er möch te das Werk zur Geltung bringen, weniger sich selbst. Den feinsten Regungen der Musik versucht er nachzuspüren und hinter der Genauigkeit der Interpre tation nicht die Dynamik und Ursprünglichkeit verkümmern zu lassen." So wird uns Johannes Winkler im Gedächtnis bleiben. sg