„Die Haupteigenschaften meiner Musik sind leidenschaftlicher Aus druck, innere Glut, rhythmischer Schwung und überraschende Wen dungen", schrieb Hector Berlioz, der große französische Komponist, glänzende Instrumentator, Begrün der der Programmusik und Schöp fer der sinfonischen Dichtung, in seinen Lebenserinnerungen. Ber lioz' Musik, die Frucht eines genia len Musikers, aber auch eines von außergewöhnlicher Überanstren gung gekennzeichneten schweren Lebens, spiegelt die gesellschaftli che und geistige Widersprüchlich keit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wider, insbeson dere die typischen Wesenszüge der Menschen in jener Epoche. Ausgehend von Beethovens Pasto ral-Sinfonie, in welcher der Wiener Klassiker bekanntlich „mehr Aus druck der Empfindung als Malerei" verlangt hatte, machte der franzö sische Meister die Musik zum Ausdrucksträger seiner dichterisch programmatischen Vorstellungen. Dabei erschloß er dieser Kunst ei nen neuen Gefühlsgehalt, eine fas zinierende Bildhaftigkeit, die ihn zum „realistischen Romantiker" werden ließ. Eine ausgeprägte Be gabung für theatralischen, leiden schaftlichen Ausdruck bot dafür die subjektive Grundlage; die objekti ve war die bürgerlich-demokrati sche Tendenz im Frankreich seiner Zeit, große Massen zu erfassen und durch die Kunst zu aktivieren. Dennoch wurde Berlioz' Schaffen von seinen Zeitgenossen zwiespäl tig aufgenommen. Berlioz besaß einen einmaligen Klangsinn. Durch Steigerung der Ausdrucksmittel und des Umfanges des Orchesterapparates erzielte er phantastisch-ungewöhnliche, neu artige Klangwirkungen. Das Orche ster wurde bei ihm zu einem Instru ment, mit dem er virtuose und Klangfarben- „Sensationen" hervor- Hector Berlioz. Lithographie von Prinzhofer, 1845