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Moll-Region hineinreicht, ehe sie wieder zu ihrem freundlich-launi gen Anfang zurückkehrt. Nach dem Allegretto-Satz mit sei nem vergnüglich-schunkelnden Sei tenthema (Holzbläser!) geht es im Menuett vivace weiter, nur durch ein bestrickend freundliches Bläser trio unterbrochen, und im Finale wird dasselbe Vivace zum verhex ten Presto gesteigert. Zu den melo dischen und rhythmischen Pointen kommen gewagteste harmonische Rückungen und Wendungen. Die alles überbietende Koda nimmt da bei schon die instrumentale Anlage und Technik im bekannten Finale der großen C-Dur-Sinfonie voraus. Wahrhaftig, von dem trügerischen Maestoso der Einleitung bis zu die ser tollen Entfesselung des Humors eine einzige Stufensteigerung. Die Musikgeschichte nennt Anton Bruckner mit Recht einen Sinfoni ker, „nicht, weil er im wesentlichen Sinfonien geschrieben hat, oder weil er mit der Zahl neun in Beetho vens Nachbarschaft steht, sondern weil er in dieser Form sein Gültiges so ausgesagt hat, daß wir es aus der Entwicklungsgeschichte der Sinfonie nicht mehr wegdenken können. Bruckner hatte unablässig gelernt, geübt und ausgeübt, das letztere nicht wie ein Instrumental solist oder Dirigent auf breiter Ba sis, sondern auf der Orgelbank. Er hatte musikalisches Kapital in klei ner Münze angehäuft, aber nicht, um es wie ein Geizhals zu horten, sondern um Zinsen daraus zu schlagen zu gegebener Zeit. Er war, als er die Reihe seiner Sinfoni en begann, weder ein Mann der kühlen Berechnung, der sich etwa gesagt hätte, dies oder jenes ver langt die Gegenwart, noch war er einer, der in blinder Vermessenheit nach den Sternen griff, sondern das Große, hier die Sinfonie, war