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Nach dem Zweiten Weltkrieg - und nach der Zerschlagung des zentralistischen Reichsrundfunks - setzten die westlichen Siegermäch te ihre Vorstellungen von einem föderalistischen Rundfunksystem durch. Konsequenz daraus war in den sich gerade konstituierenden deutschen Bundesländern eine gei stig-kulturelle Aufbruchsstimmung, der an den neu gegründeten Rund funkanstalten die Entstehung der Sinfonieorchester zu verdanken ist: in Hamburg, Köln, Frankfurt/Main, Stuttgart, Saarbrücken, Baden-Ba den und München. Am 1. Juli 1949 wurde Eugen Jo- chum zum ersten Chefdirigenten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks gewählt. Mit Spitzenkräften formte er ein Eli te-Orchester, das sich schnell inter nationalen Ruhm auf dem Gebiet der Klassik und der Romantik, hier vor allem mit Bruckners Sinfonien, erwarb. Zwei Schwerpunkte be stimmen bis heute die Arbeit des Klangkörpers: zum einen die öf fentlichen Sinfoniekonzerte unter dem Chefdirigenten und bedeuten den Gastdirigenten, zum anderen die von Karl Amadeus Hartmann gegründete musica viva, bei der Neue Musik meist unter der Stab führung der Komponisten selbst aufgeführt wurde: Igor Strawinsky, Darius Milhaud und Paul Hinde mith standen am Pult des Orche sters. Zu den Komponisten, die das Orchester geleitet haben, zählt auch Richard Strauss. Elf Jahre stand Eugen Jochum als Chefdiri gent zur Verfügung, dann verließ er München. Bis zu seinem Tode im Jahr 1987 blieb er dem Orchester aber als Gastdirigent eng verbun den. Sein Nachfolger wurde Rafa el Kubelik, der nun 18 Jahre bis 1979 die Chefposition innehatte. Kubelik initiierte den ersten Mahler- Zyklus, der auf Platte eingespielt wurde. Er erweiterte das Reper toire mit Werken slawischer Kom ponisten - Smetana, Dvorak, Janä- cek - und legte weiterhin besonde res Gewicht auf Werke des 20. Jahrhunderts. Bedeutende Dirigenten waren und sind zu Gast am Pult des Orche sters: Igor Markevitch, Clemens Krauss, Ernest Ansermet, Charles Munch, Ferenc Fricsay, Dimitri Mitropoulos, Erich Kleiber, Her mann Scherchen, Otto Klemperer, Eugene Ormandy, Karl Böhm, Carl Schuricht, Erich Leinsdorf, Claudio Abbado, Seiji Ozawa, Bernard Haitink, Günter Wand, Zubin Mehta und immer wieder Leonard Bernstein. Letzterer gastierte bis zu seinem Tode im Jahr 1990 regel mäßig und hat für bleibende Kon zerterlebnisse in München gesorgt. Eine der aufsehenerregendsten Pro duktionen mit ihm war Wagners „Tristan und Isolde" (1981). Aus gesundheitlichen Gründen gab Rafael Kubelik 1979 seine Tätigkeit als Chefdirigent auf, be gleitete aber noch während weite rer sechs Jahre als Gastdirigent die Geschicke des Orchesters. Kyrill Kondraschin war als neuer Chef vorgesehen. Doch bevor er dieses