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Uber die Hälfte des gesamten Werkes nimmt der breit angelegte erste Satz ein, der schon rein äußerlich in seiner gewaltigen Ausdehnung (mit einer Länge von 582 Takten) und ebenso in seinem geistigen Gehalt alle früheren Solistenkon zerte übertrifft. Mit einer gleichsam improvisierenden, rauschenden Einleitung beginnt das Soloklavier nach einem Fortissimoakkord des Orchesters den Satz. Danach erklingt im Tutti das stolze, prägnante Hauptthema, dem als zweites Thema eine Marschmelodie zur Seite gestellt wird, die zuerst leise, wie von ferne, mit punktiertem Rhythmus in den Bässen in Moil hingetupft und darauf, hymnisch von den Hörnern vorgetragen, nach Dur abgewandelt wird. In einem chromatischen Lauf setzt wirkungsvoll der Solopart ein, mit dem variierten Hauptthema in das Geschehen eingreifend. Nun entwickelt sich in dem groß artigen Durchführungsteil ein an dramatischen Auseinandersetzungen, an küh nen Ideen, an immer neuen thematischen und stimmungsmäßigen Gestaltungen und an wunderbaren Schönheiten überreicher Dialog zwischen Soloinstrument und Orchester. Da der Klavierpart das virtuose Element während des Satzab laufes im Dienste der Ausdruckssteigerung bereits in sehr bedeutendem Maße einbezieht, hat Beethoven in diesem Konzert auf die übliche große Solokadenz vor Schluß des ersten Satzes verzichtet. Dennoch wird dem Soloklavier in der abschließenden glanzvollen Coda in organischer Verbindung mit dem Orchester part noch einmal Gelegenheit zu virtuosem Brillieren gegeben. Der zarte zweite Satz (Adagio un poco mosso) bildet in seiner besinnlichen Innigkeit einen starken Kontrast zu dem vorangegangenen. Sein feierliches, ergreifendes Liedthema, zunächst in edler Harmonisierung von den Streichern musiziert, wird vom Soloinstrument im Verlaufe des ziemlich kurzen Satzes in Figurationen aus perlenden Trioienketten, Terzen- und Sextenpassagen sanft umspielt. Aus dieser träumerischen Stimmung erfolgt unmittelbar der Übergang in das Finalrondo, wobei am Ende des Adagios durch das Soloklavier bereits ganz leise das Anfangsmotiv des Rondothemas vorausgenommen wird, mit dem dann im Allegrotempo der geistvolle, sprühende Schlußsatz beginnt. Eine äußerst feine thematische Arbeit voll der verschiedensten Ausdeutungen und Kombi nationen kennzeichnet dieses schwungvolle Finale, dessen musikalische Substanz neben einigen Seitenthemen im wesentlichen das tänzerische, durch eigenartige Verschmelzung zwei- und dreigeteilter Rhythmen gleichsam widerspenstig wir kende Anfangsthema, ein daran anschließendes Motiv mit punktiertem Rhythmus sowie ein lyrisches, gesangvolles Thema bilden. Nach einem Duo zwischen dem scheinbar immer mehr ermattenden und fast verlöschenden Klavier und der stän dig leise das punktierte Motiv wiederholenden Pauke schließt das Konzert nach einem plötzlichen Aufschwung des Soloinstrumentes endlich doch wieder in jubelndem Tutti. Viel zu wenig - der großen musikhistorischen Bedeutung kaum entsprechend — wird die Persönlichkeit des russischen Komponisten Sergej Rachmaninow im deutschen Musikleben gewürdigt. Dabei gäbe es gerade bei diesem Meister noch eine Fülle unvermuteter Entdeckungen zu machen! Als Schüler Silotis, Arenskis und Tanejews am Moskauer Konservatorium wurde bereits seine Ab schlußarbeit, die auch von Tschaikowski gelobte Oper „Aleko" nach Puschkin, ein beachtlicher Erfolg. Danach entstanden viele gewichtige Werke, so u. a. zum Tode des von ihm hochverehrten Tschaikowski das „Elegische Trio“. Lange Jahre wirkte Rachmaninow als angesehener Operndirigent in Moskau. Während dieser Tätigkeit schloß er Freundschaft mit dem berühmten Sänger Fjodor Schaljapin. 1901 vollendete er eines seiner berühmtesten Werke, das heute erklingende 2. Klavierkonzert, 1904 die Opern „Der geizige Ritter" und „Francesca da Rimini". 1917 begab sich Rachmaninow ins Ausland, ohne bis zu seinem Lebensende v/ieder in seine Heimat zurückzukehren. Als gefeierter, glänzend begabter Pia nist erwarb er internationalen Ruhm in den Konzertsälen Europas und Amerikas. Nach mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland und Frankreich wanderte er nach Amerika aus. Doch immer litt er schmerzvoll unter der Trennung von seiner Hei mat. „Als ich aus Rußland fortging", bekennt er, „verlor ich den Wunsch, zu schaffen. Als ich die Heimat verließ, verlor ich mich selbst." Von Heimweh ver zehrt, starb Rachmaninow 1943 in Kalifornien. Stilistisch kann man bei ihm im guten Sinne von einer Liszt-Tschaikowski-Nach- folge sprechen. Dabei ist Rachmaninow — selbst im Ausland — im Charakter und Wesen seiner Musik, auch in den Spätwerken der 20er und 30er Jahre, immer Russe geblieben, ein typisch russischer Künstler, dessen Schaffen deutlich natio nale Merkmale trägt. Das Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18 gehört neben dem populären Klavier-Prelude cis-Moll zu den bekanntesten Schöp fungen dieses russischen Meisters. Es wurde in seiner glücklichsten Schaffen^ periode geschrieben und weist alle Kennzeichen seines Personalstils auf: vl tuose Behandlung des Soloinstrumentes, spätromantische Farbigkeit, eine Vor liebe für ausdrucksvoll-pathetische Balladenstimmung, eine dunkel-schwärme rische Lyrik, eine Neigung zu stimmungshaft-melancholischer Elegie, andererseits leidenschaftliche Ausbrüche, ohne daß die Eleganz seiner ungewöhnlich reich haltigen Melodik durch heftige dramatische Auseinandersetzungen beeinträchtigt würde. Das Verstehen des Werkes bietet keinerlei Schwierigkeiten. Lyrische Inten sität besitzt das Hauptthema (in der Klarinette und den Streichern) des groß flächig und kontrastreich angelegten ersten Satzes (Moderato). Der zweite Satz (Adagio sostenuto) stellt eine typisch Rachmaninowsche Elegie dar, die sich leidenschaftlich steigert und in Kadenzen dem Solisten Gelegenheit zu virtuoser Entfaltung gibt. Das Hauptthema dieses Satzes erklingt zuerst in der Soloflöte. Während die ersten beiden Sätze des Konzertes vor allem durch eine breite Entwicklung der Melodik gekennzeichnet sind, so gewinnt das mitreißende Finale (Allegro scherzando) seine Überzeugungskraft vor allem aus seinen überwälti genden rhythmischen Energien. Der Kraftstrom, der von dieser Musik ausgeht, ist bezwingend. Rachmaninow hat übrigens das klavieristisch ungemein dank bare Werk selbst verschiedentlich in Deutschland gespielt. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: Das 12. AUSSERORDENTLICHE KONZERT muß infolge Absage der Solistin Gloria Davy ausfallen. 14. und 15. März 1959, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 13. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solistin: Cecile Ousset, Frankreich, Klavier Werke von Hindemith, Franck und Chopin Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968 69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 40089 III 9 5 1,4 169 It G 009 3 69 «resenep (•Hlhönnoorpio 11.AU SS ERORDENTLICHES KONZERT 1 968 /69