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Kongreßsaal Deutsches Hygienemuseum - Dresden Spielzeit 1692/63 Donnerstag, den 18. Oktober 1962, 19.30 Uhr Freitag, den 19. Oktober 1962, 19.30 Uhr ffllulh (WuiGniQ Leitung: Gerhard Rolf Bauer Solist: Gerhard Berge, Dresden PROGRAMM N. Rimski-Korssakow (1844-1908) A. Chatsdiaturjan (geb. 1903) P. Tschaikowski (1840-1893) Suite aus »Der goldene Hahn« Allegro-Andantino-Allegro assai Moderato Andantino-Allegretto-Allegrogiocoso Allegro assai-Allegro alla marcia Konzert für Klavier und Orchester Allegro ma non troppo e maestoso Andante con anima Allegro brillante PAUSE Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Andante sostenuto-Moderato con anima Andante in modo di canzona Scherzo: Allegro Finale*. Allegro con fuoco Mit der Suite aus der Oper »Der goldene Hahn» lernen wir das hervor ragende Mitglied des »Mächtigen Häufleins«, Nikolai Rimski-Korssakow nicht nur als den Meister musikalischer Genremalerei kennen, sondern auch als einen Musiker, der — ähnlich wie Tschaikowski, was dessen Vierte Sinfonie beweist — den politischen Verhältnissen seiner Zeit offen und kritisch ge- genüberstand. In den Revolutionstagen des Jahres 1905 hatte er sich auf die Seite der revolutionären Studentenschaft gestellt, was zur Folge hatte, daß er in brüsker Weise entlassen und als politisch verdächtig angesehen wurde. Die Aufführung seiner Werke in Petersburg wurde verboten. Diese Maßnahmen riefen einen Sturm des Protestes hervor. Aus allen Teilen Rußlands kamen Sympathieerklärungen. Der Name Rimski-Korssakow wurde für die progressiven Kreise der russischen Intelligenz zum Symbol des Fort schritts. Der Meister ließ sich nicht entmutigen. Er versammelte die Schü ler in seinem Haus und gab ihnen hier Unterricht. Als dann im Jahre 1907 das Konservatorium unter Glasunows Leitung wieder eröffnet wurde, trat Rimski-Korssakow auf dringende Bitten seiner Kollegen erneut in den Lehr körper ein. Seine Abrechnung mit der Revolution bildete die Komposition einer neuen Oper, »Der goldene Hahn«, die voll scharfer politischer An spielungen ist. Um die Musik der »Suite«, die von A. Glasunow und M. Steinberg nach den Intentionen des Komponisten bearbeitet wurde, ver stehen zu können, ist es notwendig, die Handlung der Oper, die auf ein Märchen von Puschkin zurückgeht, zu kennen. Sie verspottet den unfähigen, beschränkten, tölpelhaften und eigen Zaren Dodon und seine ebenso beschränkten Ratgeber, darunter der Feldherr Polkan, der das Heer in einen sinnlosen Untergang führt. Dodon geht schließlich zugrunde, betört von der Kaiserin von Schemacha, die mit ihrer alles Böse vernichtenden Schönheit Siegerin bleibt. Eingeleitet und aus geleitet wird die Oper durch einen Astrologen, der das Publikum darüber aufklärt, daß es die Handlung ernst nehmen muß: »Ist's auch nur ein Gaukelspiel, birgt's doch weiser Lehren viel.« Daß man diese Lehren sehr wohl verstanden hat, nämlich die Satire auf die russische Autokratie, geht daraus hervor, daß das Werk erst nach Rimski-Korssakows Tode aufgeführt werden durfte. Der Titel der Oper versteht sich so: Der Astrolog schenkt dem König einen goldenen Hahn, der jede Gefahr durch sein Krähen an zeigt. Die »Suite« besteht aus vier Sät)en. Der erste Sat; wird eingeleitet durch das sehr ohrenfällige Thema des goldenen Hahns, dem nach wenigen Takten das Motiv der Kaiserin von Schemacha folgt, das mit seinen sich windenden Tonlinien das Verführerische der Frau symbolisiert. Es folgt eine Darstellung des beruhigt eingeschlafenen Königs Dodon, wieder ertönt der Hahnen schrei und weckt den König und sein Gefolge auf. Ein Tumult entsteht und schließlich klingt der erste Satj mit der Schlummermusik aus: die Ge fahr scheint gebannt zu sein. Der zweite Satj führt die Handlung weiter: wieder hatte der Hahn gekräht, der König war mit seinem Heer ins Feld gezogen, wurde geschlagen und zwei seiner Söhne fielen. Müde zieht der König über das Schlachtfeld. Plötzlich steht vor ihm das Zelt der schönen Königin. Sie bewirtet den König und umstrikt ihn mit ihrem Liebreiz, der nun im dritten Teil der Suite, einem tänzerischen Stück, geschildert wird. Hier feiert die Instru mentierungskunst des Komponisten wahre Triumphe. Der König führt die schöne Frau in sein Reich (Einzugsmarsch im vierten Teil der Suite), das Volk jubelt ihnen zu. Als aber der Astrolog die Belohnung dafür haben will, daß er dem König den goldenen Hahn geschenkt hat, schlägt ihm der König mit dem Zepter den Schädel ein. Der goldene Hahn wird lebendig, und tötet mit wütenden Schnabelhieben den Mörder seines Herrn, der König fällt tot um (kurze Episode, Hahn-Motiv, man hört die Schnabelhiebe, lange Pause: der König ist tot). Kurzer Epilog: noch einmal das Motiv des gol denen Hahns, Triumph über die Kräfte der Reaktion. Prof. Dr. Karl Laux Das Klavierkonzert von Aram Chatschaturian ist ganz aus der freien Impro visation, aus dem Hang zum rapsodischen Sichausleben geboren. Gewiß zerschlägt der Komponist nicht die klassische Form. Aber er erweitert sie, indem er dem Klavier ein starkes Sonderrecht einräumt. Das Orchester ist nur der allerdings sehr farbige und fesselnde Hintergrund, der manchmal ganz aufgegeben wird in den Kadenzen, die mehr sind als bloße Virtuosen stücke, vielmehr die Fortführung des sinfonischen Gedankens durch den Solisten. Große dramatische Spannungen erfüllen den ersten Satj. die an russische Vorbilder, aber auch an einen Musiker wie Bela Bartok denken lassen. Die Melodik des Mittelsatjes läßt am deutlichsten den Zusammen hang dieser Musik mit den volkstümlichen Elementen aus der Heimat des Komponisten erkennen. Der letjte Satj ist dann wieder angefüllt von dra matischen Steigerungen, die etwas Elementares an sich haben. Einen »ver wegenen Klavierritt durch das wilde Kurdisan« hat ein Kritiker das Werk nicht unzutreffend genannt. J. P. Thilman Immer schon gehörte Tschaikowskis Vierte Sinfonie zu den beliebtesten Werken der Konzertliteratur. Es ist zugleich jenes Werk des russischen