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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE -MUSEUM Sonnabend, 10. Februar 1962, 19.30 Uhr Sonntag, 11. Februar 1962, 19.30 Uhr 6. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Siegfried Geißler Solist: Anton Dikov, Sofia DIE WIENER KLASSIK Leopold Mozart 1719—1787 Joseph Haydn 1732—1809 Sinfonie G-Dur Allegro Andante Menuetto Allegro Notturno Nr. 1 C-Dur Allegro moderato Adagio Presto Notturno Nr. 2 C-Dur Allegro moderato Andante cantabile Molto vivace Ludwig van Beethoven 1770—1827 Konzert für Klavier und Orchester c-Moll op. 37 Allegro con brio Largo Rondo: Allegro PAUSE Ludwig van Beethoven 1770—1827 6. Sinfonie F-Dur, op. 68 (Pastorale) Allegro ma non troppo (Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande) Andante molto moto (Szene am Bach) Allegro (Lustiges Zusammensein der Landlcute, Gewitter, Sturm) Allegretto (Hirtengesang, frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm) ZUR EINFÜHRUNG Leopold Mozart (1719-1787), der Vater Wolfgang Amadeus Mozarts, ist uns heute hauptsächlich als Lehrmeister und Erzieher seines genialen Sohnes bekannt; darüber hinaus vielleicht noch aus der Geschichte der Instrumentalmusik als Verfasser des seinerzeit berühmten „Versuchs einer gründlichen Violinschulc“ (1756). Als Komponist dagegen ist er uns eigentlich kaum noch ein Begriff, verdiente cs aber, auch auf diesem Gebiete seines Wirkens nicht ganz vergessen zu werden. - Aus Augsburg stammend, studierte Leopold Mozart nach dem Besuch der dortigen Klosterschule kurze Zeit Philosophie und Jura in Salzburg, mußte jedoch (vermut lich aus wirtschaftlichen Gründen) bald sein Studium abbrcchcn und wandte sich der Musik zu. Er wurde, nachdem er vorübergehend als Kammerdiener tätig war, Violinist in der fürsterz bischöflichen Hofkapelle und 1753 zum Hofkomponisten, 1763 zum Vizekapellmeister ernannt; er erreichte jedoch zu seinem Kummer niemals den Rang eines ersten Kapellmeisters. Neben einer vielfältigen musikpädagogischen Tätigkeit trat er auch als ein tüchtiger und geschätzter Kompo nist mit zahlreichen Werken der verschiedensten Gattungen hervor, wenn er auch später, als er sich mehr und mehr seinem Sohn widmete, sein eigenes Schaffen schließlich ganz zurückstellte. Leopold Mozart schrieb besonders Kirchenmusik, Kammermusik, Sonaten, Konzerte, Diverti menti und Sinfonien, sein Stil zeigt ihn als Komponisten der Übergangszeit, der barocke und frühklassische, daneben aber auch süddeutsch-volkstümliche Züge in sich vereinigte. Unter sei nen vielen Instrumentalkompositionen machten besonders einige heiter-programmatische Gelegenheitsmusikcn mit bisweilen etwas derb-humoristischen realistischen Wirkungen (wie die „Musikalische Schlittenfahrt“, die „Bauernhochzeit“ und das „Divertimento militarc“) seinen Namen bekannt. In seinen Sinfonien finden wir noch keinen bestimmten Typus herausgebildet: während er in den Kammersinfonien noch eine Continuostimmc vorschreibt, sind die übrigen Sinfonien oft noch im Sinne der Suite Aneinanderreihungen beliebig vieler, in sinfonischer Be ziehung noch wenig durchgebildeter Sätze. Die heute erklingende Sinfonie in G-Dur, die ebenso wie seine letzte Sinfonie in D-Dur eine Zeitlang sogar für ein Werk seines Sohnes gehalten wurde, weist trotz ihrer klassisch-vicrsätzigen Anlage ebenfalls noch Merkmale des Übergangs auf, so z. B. in der etwas primitiven Durchführung des i. Satzes. Das hübsche Menuett ist neben dem kantablcn, sehr kurzen Andante als bester Satz dieses Werkes anzu sprechen, während das rondoartige Schluß-Allcgro ein wenig schematisch anmutet. Das Notturno („Nachtmusik“) gehört wie das Divertimento, die Kassation und die Serenade zu den verschiedenen Formen von mehrsätzigen Instrumcntalstücken unterhaltenden, leichteren Charakters, die sich in der Musikpflcge der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts großer Beliebt heit erfreuten. Die genannten verschiedenen Bezeichnungen wurden häufig unterschiedslos für ähnliche Werke gebraucht, charakteristisch für das Notturno war allerdings im allgemeinen die Verwendung von Bläsern, besonders von Hörnern. Gerade in Süddeutschland und Österreich gab es eine sehr reiche Literatur dieser meist für fröhliche Geselligkeit und Festlichkeiten oder als Ständchen bestimmten Art von Musik, deren Besetzung zum Teil ausgesprochen kammer musikalisch, zum Teil aber auch durchaus für größeres Orchester gedacht war. - Ebenso wie Wolfgang Amadeus Mozart schrieb auch Joseph Haydn eine große Anzahl solcher Instru mentalwerke. Die heute zur Aufführung gelangenden Notturni in C-Dur sind zwei hübsche, fein gearbeitete Stücke von unbeschwerter Heiterkeit, in der ganz ähnlichen formalen Anlage mit je zwei schnellen Ecksätzen und einem langsamen Mittclsatz fast dem Typ der italienischen Ouvertüre angenähert. Sic gehören zu einer Gruppe von acht Notturni, die Haydn für den König Ferdinand IV. von Neapel komponierte, und sind wahrscheinlich 1790 (Datie rung des Autographs) entstanden, eventuell aber auch schon etwas eher, da Haydn den Auftrag bereits in einem Briefe vom Februar 1788 erwähnte. Interessanterweise waren in der Besetzung der kleinen Werke ursprünglich zwei Drehleiern enthalten; die Drehleier, eigentlich ein weit verbreitetes Bauern- und auch Bettlerinstrument, damals (wie der Dudelsack) aber auch in höfischen Kreisen Mode geworden, war das Lieblingsinstrument des Königs von Neapel. Erst als Haydn in den Jahren 1791 und 1792 die Notturni wiederholt mit großem Beifall in London aufführte, schrieb er, da ihm dort vermutlich keine Leierspieler zur Verfügung standen, die betreffenden Partien für Flöten (bzw. zum Teil für Flöte und Oboe) um. Anton Dikov