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Und als Gipfel des Programms das Konzert für zwei Violinen in d-Moll und die 3. Suite von Johann Sebastian Bach, Es dürfte wohl kaum einen Musik freund geben, der nichts von der großartigen Architektonik des ersten Satzes, des Doppelkonzerts, von dem wunderbaren Frieden des Largo ma non tanto des zweiten Satzes in F-Dcr, von der Klangpracht des letzten Allegros zu berichten wüßte. Bach scheint das Geigenspiel von Jugend auf gepflegt zu haben. Als er das Gymna sium zu Lüneburg verließ, war er ein ausgebildeter Violinist und konnte sich als solcher in der Kapelle Johann Ernsts, des Bruders des regierenden Herzogs von Weimar, anstellen lassen. Auch später vernachlässigte er die Streichinstrumente keineswegs. Bei den Hausmusiken spielte er (nach Carl Philipp Emanuel) mit Vor liebe die Bratsche, weil er sich so gewissermaßen im Mittelpunkt des lebendigen Tongewebes befand. Jedenfalls kannte er die Technik der Bogeninstrumente genau, sonst wäre es ihm nicht möglich gewesen, aus allen Effekten, die man darauf erzielen kann, einen so einzigartigen Vorteil zu ziehen, wie er es in seinen Kompositionen tut. Wir gehen wohl nicht fehl in der Annahme, daß der ,.Premier Cammer Musicus“ Josephus Spieß und der „Cammer Musicus“ Johann Ludwig Rose (die wir aus alten Verzeichnissen kennen) eines Abends, als die Kerzen im großen Musikzimmer des Schlosses von Cöthen angezündet waren, erstmalig dieses Prachtkonzert für zwei Geigen zu Gehör brachten. Die Einleitung (Ouvertüre) zur Suite in D-Dur ist ein monumentaler Satz — ein feierliches Grave, ein lang ausgesponnenes, pracht volles Allegro, am Schluß der Ouvertüre wieder der feierliche Anfang. Als Mendels sohn Anno 1830 dem alten Goethe diese Ouvertüre auf dem Klaviere vorspielte, meinte dieser „eine Reihe geputzter Leute feierlich eine große Treppe herunter steigen zu sehen“. Und im Jahre 1838 setzte Mendelssohn es durch, daß die Suite zum ersten Male seit Bachs Tode im Gewandhaus zu Leipzig erklang. Inzwischen ist die „Air“ ein weltberühmtes Stück geworden, und in den Tanzweisen ist ein Stück von Grazie und Eleganz des 18. Jahrhunderts in unsere Zeit gerettet worden, in dem sich Kraft und Anmut des Spät-Barocks glücklich vereinen. Prof. Dr. Mlynarczyk Literatur: Phil. Spitta: Bach, Leipzig 1921; Albert Schweitzer: Bach, Leipzig 1951 Karl H. Wörner: Neue Musik in der Entscheidung, Mainz 1956 Hans Schnoor: Geschichte der Musik, Bielefeld 1953 6603 Geb III- 9,-5 1,4 95 8 It-G 009/59 i.ZYKLUS-KONZERT ANRECHT B 1959/1960 „Musik von großen Meistern — um große Meister“