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zweiten Satz (Adagio) hatte Brahms ursprünglich die Worte „Benedictus qui venit in nomine Domini“ gesetzt, und so klingt auch der Satz: beseelt, abgeklärt, ruhig, verinnerlicht, sich dennoch zu großen Aufschwingen entwickelnd. Der letzte Satz ist ein Rondo, nicht heiter, beschaulich und humorvoll wie bei Mozart oder Beethoven, nein, trotzig, eigenwillig, selbstbewußt, herausfordernd. Es ist wohl verfehlt, das d-moll-Konzert mit Beethovens 9. Sinfonie zu vergleichen, wie man das oft getan hat; aber Brahms ist wahrscheinlich von der „Neunten“ so beeindruckt worden, daß ein gewisser persönlicher Niederschlag in seinem Klavier konzert nicht zu verkennen ist. Indem Brahms in diesem Konzert die Elemente des Konzertanten mit dem Sinfonischen vereinte, hat er weit über seine Zeit hinaus Neues und Gültiges geschaffen. Dimitrij Schostakowitsch (geb. 1906) 1. Sinfonie, op. 10 Dimitrij Schostakowitsch gehört zu den wenigen wirklich bedeutenden Sinfonikern unserer Gegenwart. Mit seinen 10 Sinfonien hat er gültige Werke geschaffen, die weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus in aller Welt gespielt werden. Die erste Sinfonie (opus 10) schrieb Schostakowitsch noch während seiner Studien zeit auf dem Leningrader Konservatorium, und zwar in den Jahren 1924/25. Die erfolgreiche Uraufführung fand am 12. Mai 1926 statt. Das Orchester der Lenin grader Philharmonie wurde von Nikolai Malko geleitet. Schon ein Jahr danach wurde die Sinfonie im Ausland bekannt, seitdem haben sich erste Dirigenten wie Toscanini, Stokowski und Bruno Walter, um nur einige Namen zu nennen, stetig und nachdrücklich für das sinfonische Erstlingswerk eingesetzt. Nach einer vieldeutig-geheimnisvollen, düster gestimmten Einleitung erklingt eine Marschweise als Hauptthema, dem sich nach_einem Ruf der Trompete (Einleitung) als zweites Thema ein kontrapunktisch umspielter Walzer anschließt. Noch fehlt innerhalb der Themenaufstellung der Aufeinanderprall der Gegensätze, doch im Kontrast zwischen der noch ungewissen Einleitung und der Aktivität des ersten Satzes erfüllt der Komponist auch hier die Forderung des sinfonischen Prinzips. Das virtuos instrumentierte Scherzo wird von rhytmischer Bewegung bestimmt. Während das erste Thema frech und witzig wirkt, erkennt Martyno, Schostakowitschs Biograf, im zweiten Thema das „ruhige Dahinströmen eines Steppenflusses“. Als Orchesterinstrument spielt das Klavier in diesem Satz eine große Rolle. Ruhevoll, lyrisch fließt das Hauptthema des Lento (3. Satz) dahin. Das Finale (Endsatz) wird durch eine kurze Einleitung eröffnet. Wieder sind es zwei Themen, die sich logisch entwickeln und schließlich zum festlichen Höhepunkt führen. Auf der Grundlage der russischen Musiktradition ist Schostakowitsch mit dieser ersten Sinfonie ein Werk gelungen, in dem der spätere Meister an vielen Stellen zu erkennen ist. Tradition und Fortschritt vereinigen sich in Schostakowitschs erster Sinfonie zu einem durch und durch persönlich bestimmten Eigenklang.