Volltext Seite (XML)
(31. Fortsetzung.) Jetzt begriff sie es... Nein, das war ihr ganz klar: lieb hatte sie Wilfried nicht gehabt! Er war hübsch, stattlich und liebenswürdig. Sie hatte gedacht: Eine Partie! Ein Mann, mit dem man Staat machen kann... Sie hatte es, wie sie im Dorfe zu sagen pflegten, „mit der Freite gekriegt"... und er war ihr gerade in den Weg gelaufen... Ganz unbarmherzig klar sah sie das und sagte sich das... Dies, dachte sie, streng sich selbst richtend, ist nun die Quittung... Er auch, er hat dich um der äußeren Vor teile genommen, die du ihm bietest... Eine Ehe, von vorn herein aus morschen Grund gebaut-.- Aber sie hätte ihm doch und auf alle Fälle Treue ge halten. Das wußte sic. Treue war ihr die Grund bedingung des Seins. Man konnte viel Unschönes tun... Schelten, launisch sein, anderen Vorwürfe machen, die sie nicht verdienten... Das und viel anderes... Aber Lüge, Untreue und Falschheit... Die kannte kein anständiger Mensch... Und nun sah sic, wie die Ware Mann, die sic sich — s o vorsichtig! — gelaust... sie dachte an die Auskunft des Büros! — an die lange „Probefahrt", die ihr Garantie geschienen patte... wie diese mit Vorsicht und Umsicht aber ohne eigentliches Gefühl gekaufte „Ware" dennock eine minderwertige war... Ehe, dachte sie, plötzlich sehr klug geworden, ist Sach, der Seele... Und für Wilfrieds Seele sollte sie nun verantwortlick sein? i Ilir schauerte bei dem Gedanken. Sie sah mit gräßlicher Deutlichkeit das Bild vor sich, ! das ihr der Onkel so unvorbereitet gezeigt... Ein widerwärtiges und für ihr Empfinden schamloses Bild... Sie spürte körperliche Uebelkeit... Nein, nein, sic konnte nich, mit Wilfried zusammen- blciben... Scheidung vielleicht nicht, aber Trennung... Trennung sogleich und für lange Zeit... Trennung vielleicht für immer... Der Gedanke, den, der sie so schmählich hintergangcn, nicht mehr um sich haben zu brauchen, tat ihr wohl, ent ¬ spannte ihre zum Zerspringen gereizten Nerven...» Sie wollte keine Rache, sie wollte nicht einmal Genug- . tnung... > Sic wollte nur leben können, leben und atmen... Und ihres Kindes Mutter werden in Frieden und ! s Ruhe... , Sie legte sich lang ins Gras. Die Müdigkeit über- . wältigte sie. Sie schlummerte ein. Sataus weiches Maul witterte über ihr Gesicht. Er hatte sich ausgeruht. Ihn verlangte nach Haus. Er ; ! weckte Helma, die fest eingcschlafen war. Sie blickte umher, verwundert, einen Augenblick hatte ' ' sie noch alles vergessen... i ! Dann kam das Erinnern wieder über sie... j ! Es kam mit heißem Schmerz... .! ! Sic setzte sich auf, barg das Gesicht in die Arme und ! legte die auf ihre Knie... ! Sie weinte, weinte, weinte... ! Sie sehnte sich nicht nach einem Menschen, einen Rat, ! einer Hilfe mehr. > ! Sie wußte, daß sie das alles schließlich doch mit sich ! > allein ausznmachen haben würde... s < Niemand, niemand sollte wissen, wie hart es sie traf... i Nicht daß sie sich gedemütigt oder erniedrigt fühlte... s , Was ging es sie an, was der tat, der ihr jetzt so ! fremd und fern und wesenlos erschien. Sie hatte nichts i mehr mit ihm gemein... > Nu» traurig war sie, sehr traurig... § j Sie hatte glücklich sein wollen und war nun sehr un- glücklich geworden... Dunkel nur empfand sie, was ihr i später zu klarer Weisheit werden sollte, daß Glück sich ' niemals schenkt. Es will errungen sein — in hartem « ! Kampf mit sich selbst und den Umständen... ! Satan wieherte auf... Er wollte in den Stall... > Die Sonne begann schon zu sinken. Abendliche Be leuchtung tauchte das schöne Land in Rot und Gold... ? Der Weg heim war noch weit... Und sie mußte das Tier schonen. i Viele und ernste Gedanken bewegten sie während des - langen und langsamen Heimrittes... ! Eine ganz andere Helma sah der Abend, wie die, die s am Morgen aufgestanden war. i Es war nach elf Uhr, als sie auf Müllenhofen an- langle. Das Gutshaus war beleuchtet. Man hatte also auf sie gewartet. Die Eidam saß in der Küche und weinte. Die Mädchen sahen verängstigt vor sich hin. Der alte Onkel Vogt lies unruhig auf der Dorfstraße auf und ab. ! Wilfried, der anfangs nicht -je geringsten Sorgen emp- ! funden hatte, war nun doch ustruhig geworden. Er hatte i den Wagen genommen und suchte Helma. Aber er war in die e.n.taeaenaeleüte Ricktuna aefahren. Schließlich kehrte er entmutigt um. Der alte Vogt hatte ihm nichts von dem, was geschehen war, verraten. Heimann verstand Helma nicht. Er konnte sich gar nicht denken, was den» geschehen sei... Wenige Minuten später als sie kam er wieder auf dein Hof an. Helma hatte schon die weinende Wirtschafterin und die Mädchen beruhigt. Satan sei gestolpert. Sie habe seine Vorderfessel behandeln lassen müssen. Wilsried trat ihr übcllaunisch entgegen. . „Was machst du für Sachen, Helma? Bist du nicht bei Sinnen? Regst den ganzen Hof, das ganze Dorf auf! Was ist das für ein Benehmen! Bitte, etwas mehr Rücksicht..." Sie sah ihn groß an. Wie fremd und gleichgültig er ihr war... Fremder und gleichgültiger, als wie sie ihn zuerst gesehen. „Einen Augenblick, bitte, Wilfried", sagte sie sehr ruhig und gelassen. Im Zimmer, als sie allein und unbeobachtet waren, ihre leichte Reitgerte, die sie noch trug, durch die Hände ziehend, ohne aufzusehen, bat sie ihn, sofort, heute abend noch, den Hof zu verlassen. „Für lange, lange Zeit!" „Bist du verrückt? Ich verbitte mir deine Launen!" „Und ich verbitte mir ein Techtelmechtel mit den Dienst boten!" Jetzt zeigte sich ihr erst richtig die Kehrseite von Wilfrieds strahlender Liebenswürdigkeit... Er schimpfte und beschimpfte sie haltlos... „Gott", sagte die Eidamsche, denn seine Stimme drang bis in die Küche, „so kurz man verheiratet..-, und schon solcher Krach." Sofie und Marie freuten sich heimlich... Sie haßten Helma, die Anrechte auf Wilfried hatte, mit dem Haß des Neides, gönnten ihr die unangenehm« Szene... Aber Helma wurde durch sie wenig berühr». Ganz kalt und sachlich beobachtete sie ihren Gatten. So also war er! So jämmerlich log und leugnete er. So feige versteckte er sich hinter Grobheit und Unwahr heit ... Sie anlworterc nicht. Sie verschwieg ihm, daß sie einen Zeugen hatte... Nur, als er geendet, wiederholte sie ihre Aufforderung, noch in dieser Nacht Müllenhosen zu verlassen... „Oder ich quartiere mich aus, gehe zu Oberförsters ode» ins Gasthaus..." Es blieb ihm nichts übrig... Line Viertelstunde später schnaufte der große schwarze Wagen vom Hof... In rasender Fahrt erreichte Wilfried das elterliche Haus gegen ein Uhr morgens... »WM»»,- 1 ..n«