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gevacht. Aber im ersten Augenblick empfanden sie doch eine den Kopf. War denn dicse^Hcl — 16» — der Klasse, und von nun ab ergänzten wir uns immer, einer den anderen. mehr. Aber einmal kam es anders. Da wurde Fritz mein bester Freund und unser aller Kamerad, und das kam so: Die Heide weit draußen vor der Stadt stand in voller Blüte. Da gingen Ivir eines Mittags hinaus, um für Mutter einen Strauß blühenden Heidekrauts zu Pflücken. So tollten wir auch ein wenig herum und kamen dann bis an das Totcnmaar, ein unheimliches, abgrund tiefes Moor. Nur wenige grundsichere Pfade führten darüber hin. Aber wir Jungens kannten sie alle, und oft ivielten wir auf ihnen Moarjaad. ein Spiel, welches viel Mut und Geschicklich keit erforderte. Hatte das Spiel einmal Vuckclchen. Bon Alfred Bergicn. Wir nannten ihn Buckelchcn, unseren kleinen Schulkameraden Fritz. Er war ein schwächlicher Junge, etwas ver wachsen, sehr zart, fast mädchenhaft, und paßte kaum iu unsere rauhbeinige Ge sellschaft. Aber trotzdem war er glück lich, wenn wir ihn mit uns nahmen, ihn bei unseren wilden Spielen neben uns duldeten. Besonders an mich schloß er sich immer wieder an. Ich machte mir nicht viel ans ihm, nur manchmal tat er mir sehr leid, und dann schützte ich ihn vor dem Spott der anderen. Dafür war er mir sehr dankbar, und immer, wenn er mich sah, hatte er etwas für mich. Mal ein Stückchen Schokolade, einen Apfel oder ein buntes Bildchen. Ich nahm das hin wie eine Selbstverständ lichkeit und bin mir niemals bewußt zelpordcn, was der arme Kleine mir in einer Hilflosigkeit mit diesen Guttaten agen wollte. Wie unendlich einsam muß er sich unter uns gesunden und kräftigen Jungen gefühlt haben. Manchmal nannte ich ihn meinen besten Freund, aber, ich sage cs ehrlich, wirklich ernst meinte ich es damit nicht. Ich war vielmehr durchaus berechnend, denn ich konnte alles von ihm haben, Wenn ich ihn so nannte. Dann gab er mir einen Zettel mit seinen Rechen- Ergebnissen, so daß ich sie nur ab zuschreiben brauchte. Und seine Rech nungen waren immer richtig, denn Buckelchen war Primus unserer Klasse. begonnen, so durfte keiner der Be teiligten vor dem Abschluß desselben festes Land betreten. Immer hieß es, auf den schliipfrigcn Pfaden zu bleiben, und dem Verfolger geschickt auszu- wcichcn. Anch Henie spielten wir cs wieder. Nur Buckelchen machte nicht mit. Er stand drüben auf dem festen Lande und sah nns zu. „Angsthase!" riefen wir zu ihm hinüber. Uno dann war cs geschehen. Rolf war hinter mir hergchetzt und hatte mich so" in die Enge getrieben, daß mir nichts anderes übrigblieb, als den Sprung nach einer kleinen, grünen Insel, die mir grundsicher erschien, zu wagen. Dabei rutschte ich aus, — verlor das Gleich gewicht, — und immer tiefer strampelte ich mich in den zähen Schlamm. Und als ich mich an die kleine. Insel festklam- mern wollte, gab sie nach, denn tags zu- vor war ein Wolkenbruch niedergegangen, und damit hatte ich nicht gerechnet. Immer tiefer sank ich ein. Da schrie ich um Hilfe; — aber keiner kam. All' meine Freunde, die großen, starken Jungens, waren entsetzt von dem Moor gelaufen und sahen vom festen Land aus ratlos zu, wie ich um mein Leben kämpfte. „Halt dich Fred — ich komme!" rief mir Plötzlich ein dünnes Stimmchen zu. Es war Buckelchen. Er kam mit einer langen, schweren Leiter angekeucht, die er aus einem nahegelegenen Bienen- schuppen geholt batte. Noch heute be- , „ greise ich nicht, wie er mit seiner kleiner Aber das reizte unseren Spott nur noch Kraft die schwere Leiter schleppen konnte Er legte sie quer Vor mich hin und reichte mir, lang auf dem Bauche lie gend, seine kleine Hand zur Hilfe. Als ich gerettet war, brach er kraft los zusammen, und ich trug ihn, trotz dem ich selbst sehr erschöpft war, anS Ufer. Die körperliche Anstrengung und die eigene Erregung über sejne Tat haben meinen Retter dann lange tns Kranken bett gefesselt, aber, als er es verließ, da wurde Fritz wirklich mein bester Freund, und niemand wagte mehr, Buckelchen zu sagen. Denn Fritz war Primus, das heißt: der Klügste, und ich war Favorit, das heißt: der Stärkste in