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S) Nachdruck verboten. Irgendeine Dame sagte es leise zu ihrem Kavalier. Der antwortete nicht, sondern musterte lächelnd die beiden schönen Rivalinnen, die sich doch immer wieder mal zu sammen zeigten, um das Gerücht zu widerlegen, daß sie einander haßten. Die beiden Damen begrüßten einander sehr herzlich, und die meisten Gäste lächelten leise. Dann blitzte es in den Augen der Bcrani auf. Sie reichte Arndt von Berken die ringgeschmückte Hand, über die er sich lächelnd beugte. Heute waren sehr viele Prominente da. Und Arndt war heute zur Berani viel höflicher und galanter als sonst. Weil er plötzlich wußte, daß diese Frau einen Dornenweg hinter sich hatte. Daß sie aus kleinen Verhältnissen ge kommen war, und daß sie nun wie eine Löwin um den Platz an der Sonne kämpfte. Daß sie nicht wieder hinab wollte in das Dunkel einer kleinen, unbeachteten Existenz. Mußte man einen Menschen nicht achten, der sich mit ungeheurer Energie in die Höhe kämpste, auch wenn sein Weg durch dunkle Gassen und Wege führte? Wenn er nur kein Verbrechen beging! Dann war alles gut! Laun durfte man ihm die Achtung nicht versagen. Und in den großen, schönen, dunklen Augen der Berani glomm ein leises, sehnsüchtiges Feuer. Und sie bereute es fast, die wunderschöne kleine Käthe Randolf hierher aebrackt ru haben. Aber — es war ja lächerlich! Lie war doch nur ein Mittel zum Zweck. Die war nur Nier, damit sich die Mila Kranz ein bißchen kränken sollte. Eigentlich war es auch nur ein Streich, den sie der Rivalin spielen wollte. „Meine Herrschaften, ich hab' hier zwei junge Damen! Nachwuchs beim Film. Fräulein Olga Schieder und Fräu lein Käthe Randolf. Nehmen Sie sich der beiden kleinen Damen ein bißchen an, damit sie sich nicht langweilen." Die Berani stand, an jeder Hand eines der beiden Mädchen, lächelnd mitten im großen gelben Salon, und ihre schillernde Figur in dem silberglitzernden Abendkleid sah wie eine Bajadere aus. Atemlos blickten die Herren aus die schöne, hoch gewachsene Frau, dann glitten die Blicke über Käthe Randolfs blonde, hinreißende Schönheit. Niemand be achtete Olga Schieder. Niemand. Und die hatte ein resig niertes Lächeln um den Mund. Käthe Randolf aber wußte nicht, wohin sie blicken sollte. Und ihr einziger klarer Gedanke war: Wären wir doch nicht hierher gekommen! Man will sich doch nur über uns lustig machen. Sie wußte nicht, wie schön sie war, die kleinx, un berührte Käthe. Und sie wagte noch immer nicht, sich um zusehen. Die Berani lachte laut und fröhlich. Sie hatte den entsetzten Blick Milas gesehen, mit dem die auf die junge, blonde Schönheit starrte. Mila Kranz dachte: Sie steht mir ähnlich, und sie ist jung, viel jünger als ich! Ich werde heute alt und ver blüht wirken neben ihr. Und das hat die Berani be zweckt! Ihr Blick glitt zu Arndt von Berken, der starr auf das blonde Mädchen blickte. Und da kroch ein unsagbares Weh in Mila Kranz auf. „Vorbei der letzte schöne Traum! Vorbei die letzte Hoffnung auf ein völlig neues Leben." Und auf einmal kam ihr diese Hoffnung, die sie gehegt, in sich getragen, völlig unhaltbar vor. Diesem Manne dort konnte man nichts verschweigen. Der hätte von seiner Frau'völlige Offenheit verlangt, und die hätte sie niemals geben können. War ihr Leben nicht ein tausendfaches gewesen bis heute? Wieviel Rollen hatte sie denn eigentlich spielen müssen? Und war diese Berani dort nicht zu beneiden, weil sie so ganz und gar in ihrem Berus aufgehen konnte, ihre «einen und großen Intrigen spann, sonst aber nichts für sich fürchten brauchte? Immerhin war' ihr Leben leinen Deut anders als dasjenige vieler Berühmtheiten. Sie wollte festhalten, was sie sich erobert hatte, und würde das alles festhalten, solange es ihr nur irgend gelang. Dgs war das Leben der Berani! Und man erzählte sich, daß sie aus kleinen Verhält nissen stamme. Daß sie das ängstlich verdecke. Was war Wetter dabei? Das alles hätte ein Mann verzeihen können, wenn es auch nicht gerade Arndt von Berken sein würde. Der würde vielleicht ein junges Geschöpf heiraten, das er formen und modeln konnte nach seinem Willen, das er für sich erzog! Zu einem großen, heiligen Glück! Aber immerhin gab es Männer genug, die sich glücklich schätzen Würden, die Hand der Berani zu erringen! Wie seltsam er aus die blonde, junge Schönheit sah!. Seine Augen waren ganz zornig. Was war denn daS?s Mannte er vielleicht dieses Mädchen? Mila Kranz ging jur Berani hin, sagte lächelnd: /Rber liebste Kollegin, was haben wir denn da? Daß M sä «tzltebp. Und da- haben Sie uns so lange versteckt gehalten? Junger Nachwuchs? Wundervoll! Für jede von uns beiden also ein prachtvoller Ersatz. Ich ziehe mich nämlich vom Film zurück, und da trifft sich das gMz wunderbar, denn Fräulein — wie hieß sie doch gleich? Ja, Fräulein Randolf sieht mir ähnlich. Sie wird fabelhaft in meine Rollen passen." Und Mila Kranz neigte sich zu Käthe Randolf und strich ihr das blonde Haar aus der Stirn. Dabei dachte sie: Wie kam die Berani auf diesen fürchterlichen Einfall, uns beiden heute das Urteil unseres Alters zu sprechen? Denn auch sie trifft es mit, und sie weiß das ja auch schon in diesen« Augenblick. Die Berani lachte laut und perlend. Es klang echt, dieses schöne Lachen. Dazu war die Berani eben doch zu sehr große Schauspielerin, als daß ihr jetzt dieses perlende Lachen mißlungen wäre. Und dann sagte sie: „Oh, Jugend allein tut es doch nicht! Ein bißchen Kunst gehört schon dazu, und da müssen wir eben doch noch ein Weilchen dableiben, damit die Jugend lernen kann." Und vielleicht war die Berani noch nie so bezaubernd "ewesen wie in diesem Augenblick! Die Herren küßten ihr die Hände, wandten sich be dauernd an Mila Kranz. „Doch nur ein Scherz, gnädige Frau? Der Film darf Sie noch lange nicht verlieren." „Er tut's! Ich reise in meine Heimat!" Man spitzte die Ohren. Würde die Kranz endlich ver raten, was für eine Landsmännin sie eigentlich war? Aber Mila Kranz lächelte, wandte sich an Käthe Randolf und sagte: „Kommen Sie, wir plaudern ein bißchen!" Und sie nahm Käthe mit sich hinüber in eine gemu>- liche Ecke. Olga Schieder stand noch neben der Berani. Die sagte: „Na, nun beteiligen Sie sich ein bißchen an dem Leben hier, liebes Fräulein Schieder!" Und wandte sich dem Prinzen Reizenstein zu. Udo von Bodenstein stand neben Arndt und fragte verdutzt: „Nanu — was soll denn das eigentlich heißen? Was ist denn das heute hier für 'ne Palastrevolution? Da wird wohl noch ein dickes Ende nachkommen?" „Laß das! Sieh dir lieber mal recht genau die kleine Blonde an, die die Berani vorstellte." Bodenstein sagte lächelnd: „Ist bereits geschehen! Die Kleine ist reizend. Und hätte ich nicht seit gestern soliden Boden unter den Füßen, würde ich mich jetzt da heranpirschen." „Du Schaf!" „Nanu?" Bodenstein sah sich verdutzt um. Was hatte da Arndt con Berken soeben gesagt? Aber der stand gar nicht mehr neben ihm, der steuerte direkt auf die Ecke zu, wo Mila Kranz und die kleine blonde Schönheit saßen. Arndt von Berken verbeugte sich. „Gibt es Geheimnisse, meine Damen? Oder darf man sich ein bißchen mit niederlassen? Möchten Sie mich vor stellen, liebe gnädige Frau?" Groß, wuchtig, breitschultrig, das markante Gesicht auf sie niedergeneigt, stand der Mann vor Käthe Randolf, den sie nicht hatte vergessen können, dessen Stimme sie wieder hörte, an den sie immer und immer wieder gedacht hatte. Und nun war er hier! Kannte er sie wieder? Käthe war sehr blaß, und ihre Augen waren gesenkt. Ihre Hände zitterten. Sie ist's also doch!, dachte er, und er dachte an das dünne Mäntelchen, das neben ihr im Abteil gehangen hatte. Er dachte an die häßlichen, plumpen Stiefel, die sie noch vor wenigen Wochen getragen, und sein Blick strich forschend über sie hinweg. Wozu ihr sagen, daß er sie erkannt hatte? Was ging ihn dieses kleine Mädel an, das da eine Karriere machte?! Sein Blick glitt über das kostbare Kleid, über die feinen Schühchen — und in diesen Blick kam etwas Hartes! Ein Mädchenschicksal, das sich vollzog wie lausend andere auch! Daheim durchgebrannt l Zum Film! Keinen anderen Gedanken mehr als den: Ich will zum Film. Und dann kam eben der Weg, den Menschenkinder gehen, die alles auf eine Karte setzen. Immer war es nicht so! Es gab auch edle Kunstmäzene, die einem Menschen kind, das begabt war, in die Höhe halsen. Aber diese kleine Käthe hier, die schien doch den Weg zu schreiten, den ein Mädchen nicht beschreiten sollte! Selbst dann nicht, wenn alle Träume zerschellten! Alle heißen Wünsche sich nicht erfüllten. »Bitte, nehmen Sie Platz, lieber Berken! Fräulein Randolf, darf ich vorstellen? Herr Arndt von Berken!" Käthe neigte den blonden Kopf. An seinen finsteren Augen sah sie, daß er nicht gut von ihr dachte. Und sie schämte sich plötzlich entsetzlich der geschenkten Kleider. Sie und Olga waren ja doch nur zwei Puppen der Berani, die diese Puppen heute hier tanzen ließ, weil sie sie gerade heute brauchte. - Wie schlecht mußte er von ihr denken! Er hätte sie vor I wenigen Wochen arm und verlaffen kennengelernt, und heute sah er sie so. Und wenn er erst wüßte, daß sie nur eine kleine Komparstn war, die die Laune einer gefeierten Diva heute hierher gestellt chatte, und die sonst immer ein fach dahinlebte und zufrieden und glücklich war in dem kleinen bescheidenen Heim von Mama Kulick! Wenn er das alles wüßte! Mila Kranz aber plauderte fieberhaft. Sah dabei in seine großen, dunklen Hügen und dachte traurig: Er ist tveg v^Mk, Meit ssrj. Heine Gedanken sind mit irgend etwas beschäftigt. Kennt er dieses kleine schöne Mädel , hier? Sein undurchdringliches Gesicht ließ keinerlei Schlüffe aufkommen. Es wurde zum Essen gebeten. Und die Berani lachte und sagte, Herr von Berken könne eigentlich die kleine Käthe Randolf unter seine Obhut nehmen. Sicherlich sei sie bei ihm gut aufgehoben. Die Berani war in einer ganz ausgezeichneten Laune. So viel hatte sie niemals von ihrem heutigen Streich er hoffen können. So viel, daß die Mila Kranz heute bekannt gab, daß sie sich'vom Film zurückziehen wolle. Das hatte sie nicht zu hoffen gewagt. Und sie, die Berani, dachte ja gar nicht daran, diesem Beispiel zu folgen. Das kannte man ja. Da kam wieder einmal eine neue Schönheit zum Film; wenn sie aber nicht die langjährige Routine besaß, dann setzte das verwöhnte Publikum eben doch dies und jenes aus und verlangte nach seinem gewohnten Liebling. Alle Rollen konnte man ja nun auch nicht spielen; aber immerhin hatte man die Genugtuung, daß Mila Kranz verschwand. Und die Berani war so entzückend an diesem Abend, daß Udo von Bodenstein lächelnd dachte: Tu Katze! Du böse Wildkatze du! Wenn du gereizi bist! Ich kenne dich nun! Gott sei Dank, oaß ich dich kenne. Geheiratet hätte ich dich wahrscheinlich nicht; aber immerhin hätte es sein können, daß ich dann meine kleine, lustige Else nicht ge funden hätte Sterne! Schön, glänzend! Unerreichbar! Und es ist gut, wenn ihr unerreichbar bleibt! Ihr habt der Kunst treu zu sein! Dafür hat sie euch geadelt! Zweimal Treue kann man nicht verschenken! An einem geht man dann zugrunde! Und so ist es besser, ihr bleibt weiterhin schöne, unerreich bare Sterne! Das Ideal von Tausenden, die keine Ahnung haben, wie hart euer Weg sein kann! Arndt von Berten aber sprach mit Käthe Randolf. Und die konnte es nicht fassen, daß sie hier wirklich neben ihm sitzen durfte. Daß er mit ihr sprach, als sei sie eine der Damen. Eine wirkliche Dame! Sie wußte nicht, was sie atz, sie wußte nur, daß seine Hand sich einmal warm und schützend um die ihre legte, daß er sich dicht zu ihr beugte: „Wie kamen Sie hierher? Sie sind doch noch nicht lange in Berlin? Wir sahen uns vor Wochen in der Eisenbahn, und da —, hm! —, da sah es nicht so aus, al- ob Sie schnurstracks in einem Salon wie dem heutigen Aufnahme finden würden. Verzeihen Sie mir, aber ich möchte eine offene Antwort. Darf ich Sie heute abend nach Hause bringen?" „Ich gehe mit meiner Freundin Olga Schieder. Ich gehe nie allein. Wir sind immer zusammen. Sie schützt mich. Wenn es Ihnen recht ist, daß sie dabei ist?" Ein weiches, nachdenkliches Lächeln lag um seinen Mund. Die Situation war ganz anders, als er sie sich gedacht hatte. Was aber hatte die Berani bezweckt, daß sie diese beiden Mädelchen heute hierher zitiert hatte? Nun, das würde er ja noch erfahren! Dieses kleine Mädel hier log nicht! Das würde ihm in allem die Wahrheit sagen. Er wollte also die beiden Mädchen nach Hause be gleiten. Und dann würde er ja erfahren, wie sie hierher gekommen waren. Er sprach von diesem und jenem mit ihr. Und Käthe ' lächelte zu ihm auf. Er aber war weit davon entfernt, an ihr Gefallen zu finden. Er dachte nur: Wenn sie wieder heraus will aus dem allem hier, dann will ich ihr dabei helfen. Später wurde getanzt. Und Berken tanzte auch mit Mila Kranz. Sie lehnte sich leicht an ihn, tanzte wundervoll. Der Dust ihres Haares stieg zu ihm aus. Aber sie berauschte ihn nicht mehr, die schöne Frau mit ihrem geheimnis vollen Leben. „Brigitte hat recht. Ganz recht hat sie. Nach Berten- Hofen gehört ein liebes, einfaches Frauchen, dem eS in der ländlichen Stille gefällt. Ein kleiner, tapferer Kamerad, der mit mir durch dick und dünn geht. Dann ist auch das Glück da. Diese schönen Frauen hier gehören mitten ins Leben. In Ruhm, in Glanz!" Und da durfte man sie nicht herausnehmen. Es würde sein wie mit einem schönen, schillernden Vogel, an dem sich alle Welt erfreute, und den man plötzlich für sich allein etnsperren wollte. Er würde auch zugrunde gehen, nach dem er sich krank gesehnt hatte nach Sonne und Freiheit! Frau von Rankenbühl! Die war anders gewesen! Die hatte ihren Mann lieb genug, um auf alle- ver zichten zu können. Und er hatte hier in Berlin noch andere Künstler kennengelernt, die in glücklichster Ehe lebten. ES kam eben doch immer wieder auf den einzelnen Menschen selbst an. Diese beiden schönen Frauen hier waren besondere Menschen. Die durste man niemals etnsperren in die Stille eine- Landsitzes. Die würden sich auch krank sehnen nach Freiheit und Licht und Ruhm. Mila Kranz fragte leiser „Sie fragen mich nicht, wohin ich reise?E . . (Fortsetzung folgt.)