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(24. Fortsetzung.) „Schön und neu ist er nicht. Aber ich fahre tyn nun mal gern. Ihnen steht der Wagen der Herrschaft zur Verfügung!" „Wenn sie ihn aber selbst braucht!' „Die Herrschaft ist selten auf Brocke und ebensowenig oder noch weniger auf Dorten. Sie werden selten mit ihr zu rechnen haben." „Aeltere oder alte Leute?" „Alt? Das kann man nicht sagen. Aber auch nicht mehr so ganz jung!" „Sie stehen sich gut mit''der Herrschaft?" Manners lächelte. „Sehr gut!" „Lebt denn die Herrschaft vielleicht auf einem ihrer ndelshöfe in der Stadt?" »Zur Zeit gerade nicht. Machen Sie sich keine Ge danken über die Gräfin Brocke. Sie werden alles Nötige erfahren, wenn Sie lange genug hier sind. Die Gräsin hat nicht gern, wenn man von ihr spricht..." „Die Herrschaft ist eine Dame?" fragte Richtleben so ehrlich entsetzt, daß Manners lachte. „Sind Sie damenscheu, Herr Baron?" fragte er lustig. Er konnte gut lachen! Er wußte ja nichts von einer Helma Vogt und ihrer Art, mit Angestellten umzugehen... „Nicht gerade damcnscheu", sagte Richtleben ohne allen Humor, „aber Damen als Vorgesetzte..." Manners lächelte. „Es sind nicht alle Frauen gleich. Ueber unsere Gräfin werden Sie sich, gesetzt den Fall, daß Sie sie überhaupt kcnncnlernen, nicht zu beklagen haben. Sie hat ein ruhiges, gleichmäßiges Wesen, beschäftig! sich gern nützlich, arbeitet selbst unv weiß Arbeit zu schätze«. Sie ist sehr sozial, und ihre .Hauptbeschäftigung besteht darin, anderen zu helfen and Armen wohlzutun. Aber, wie gesagt, es kann Jahre vauern, ehe Sie sie einmal zu Gesicht bekommen. Die Frage ist keineswegs akut!" Richtleben seufzte erleichtert. Da tauchte schon das hübsche Schloß Brocke, im edelsten Renaissancestil gehalten, auf. Manners erklärte, daß die Rentei sich in einem der vorgelagerten Wirtschaftsgebäude befinde und ebenfalls seine, Manners, geräumige Privatwohnung. Er schlug Richtleben vor, bis zu der Ankunft seiner Mutter und s Schwester, bei ihm zu essen. Seine Frau werde sich freuen, I ihn gut verpflegen zu dürfen. Richtleben fühlte die Notwendigkeit, zuzusagcn; aber ruch dies Angebot erfüllte ihn wieder mit Mißtrauen... bis er die noch sehr jugendliche Frau Manners, eine sein- zebildete Dame, und ihre eiden Buben selbst sah ... Nein, > rs war wirklich nichts gegen den Vorschlag einzuwenden. ! Ein Zimmer, oder, wie sich Herausstellle, eine ganze, ! nette, kleine möblierte Wohnung, wurde ihm im Schloß selbst eingeräumt. j Das schöne Gebäude enthielt eine ganze Menge be achtenswerter Kunstschätze, und Nichtleben, der bald Ge legenheit hatte, sie hier und in dem beinahe noch reicheren - Dorten zu bewundern, fragte sich erstaunt: „Wie kann man nur einen solchen Besitz meiden!" Ernsteste Arbeit hielt ihn dann allerdings von allem Grübeln und Fragen ab. Tagelang kam er überhaupt nicht zu sich selbst. Manners führte ihn bei den verschiedenen Beamten und Angestellten ein, zeigte ihm die aus gedehnten Ländereien, die Felder, Forsten und Weiden... j Freute sich, einen tüchtigen, kenntnisreichen Landwirt, l einen guten Forstmann und einen weidgerechten Jäger in ! dem jungen Mann zu finden. ! Manlius nahm seine Aufgaben sehr ernst. ' „Der hat einen Eifer!" lobte Manners Nichtleben vor seiner Frau. Die lächelte vielsagend. > „Ob er wirklich keine Ahnung hat?" s „Nicht die geringste!" ! Sie sahen sich an und schüttelten die Köpfe... j „Ja, ja, unsere Gräfin!" meinte vielsagend Frau ! Manners. „Menschenkenntnis hat sie...", lobte ihr Gemahl. Und die Frau nickte lächelnd und zufrieden. ' Einmal, als er schon fast vierzehn Tage aus Brocke weilte, fiel Richtleben das Porträt einer alten Dame auf, das , im Mannersschen Salon hing. ! Ein schmales, gütiges Gesicht mit großen grauen Augen, starker Nase, schmalen Lippen ... von weißem Haar umrahmt. Die Dame trug ein dunkles Spitzcmlcid im Schnitt der neunziger Jahre des vergangenen Jahr hunderts. Das freilich erkannte Richtleben nicht. Was > wußte er von Moden? ! Das Gesicht kam ihm auf unbestimmte Weise be kannt vor. „Die Gräfin Brocke?" fragte er, denn eine verzeihliche Neugier, etwas mehr über seine Arbeitgeberin zu er fahren, beseelte ihn. „Gräfin Brocke, jawohl...", erwiderte Manners, und ein seltsames Lächeln huschte über sein gutes, kluges, altes Gesicht, z „So alt ist sie schon!" sagte verwundert Richtleben. Manners sah ihn seltsam au. Nichtleben lachte. lichem Dank Ihre gütige Schwesternhand. Wenn st der Mühe wert finden sollten, mir einmal zu antwi wie dankbar würde ich Ihnen sein..." Kein Wort von Liebe. Kein Wort von Zukunft, PI und Hoffnungen! Als er den Brief adressieren wollte, fiel ihm ein er ja nicht einmal Armgards Zunamen kannte... Gewiß, er hatte ihn einmal gehört! Aber vorgestellt und angeredet war sie immei „Schwester Armgard"... Er hatte tatsächlich nicht d geachtet noch daran gedacht... Es war irgend etwas mit B gewesen! Brocke? Brocke? Wie die Gräsin hier oder der Schuster zu Hause? Ach, das bildete er sich ein! Der Name Brocke halt sein Leben eine so große Bedeutung gewonnen, daß e nun überall vermutete... „Ja, sehen Sie... Ich möchte hier heimisch w^ Aber wenn nun die alte Gräfin stirbt.. l! Erben ...' Da lachte Manners hell heraus. „Sie sind ja die leibhaftige kluge Else, Herr Lassen Sie sich darüber keine grauen Haare I Ihrem Alter nach kann unsere Gräfin noch maych, leben — und so Gott will, wird sie das auch!" Seit diesem Tage versagte sich R-chtleben. zu ve über die Gräfin Brocke Näheres zu erfahren... Aber eine warme Dankbarkeit erfüllte ihn geg« unbekannte Wohltäterin, und er gelobte sich, ihr dur, Dienste zu vergelten, daß sie ihm Arbeit und Brot und vielleicht gar sein Lcbcnsglück verschafft hatte. Ungefähr vierzehn Tage war er aus Brocke, zuerst an Schwester Armgard schrieb. Es war ein. ein wenig steiser, sehr zurückha Brief. Denn Richtleben dachte daran, wie eigentlich die Worte, die Armgard zu ihm geredet, das offene ur mütige Bekenntnis ihrer Liebe zu ihm gewesen wa, Jede Annäherung seinerseits schien ihm nun w Mahnung an diese ihre Worte, die sie aus irgcw Grunde wohl gar bereute... So teilte er ihr nr und übertrieben sachlich mit, daß er, wider alles Erv eine Beschästigung, ja, vielleicht sogar eine Lebenss gefunden habe. „Die Episode Vogt, die mit lange nachgegani fängt an zu verbleichen. Ich fühle mich Wied Mensch. Wie leicht und schön ist es doch, gebildet! guten Leuten zu dienen. Solcher Dienst erhebt, niedrigt nicht. Ihre lieben, tröstenden Worte, d die Güte hatten, mir zu schreiben und die mit d> ich muß es gestehen, phrasenhaft und nichtssagem kamen, wollen mir heute wie ein gutes Omen ersch Ich küsse Ihnen, liebe Schwester Armgard, mit