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tu. s—Ich«») Dennoch benutzte er es, sobald sie mit Richtleben fuhr. Er war bereits mit allen Leuten dick Freund und wußte: niemand würde ihn verraten. Helmas erstes unersättliches Vergnügen am Autofahren ließ bald ein wenig nach. Es fiel ihr ein, wie sehr sie „Satan" in letzter Zeit vernachlässigt hatte. Der hatte sich damit begnügen müssen, von seinen, Putzer täglich ein wenig spazieren geführt zu werden. In dem edlen Pferd hatte sich die Kraft gestaut. Es würde ein wildes und krafterforderndes Reiten werden. „Kommt einer von Ihnen mit, meine Herren?" fragte sie herausfordernd beim Morgenkaffee. — „Oder reiten Sic nicht?" Richtleben errötete. „Ist denn »och ein zweites Reitpferd da?" fragte er rasch. Nach einem fröhlichen Ritt hatte er lange schon Sehn sucht gehabt. „Das Pferd meines Onkels I" Heimann lachte hellauf. „Die alte Rosinante — und Nichtleben, der Herren reiter ..." „Sie reiten nicht?" gegenfragte Helma, etwas ent täuscht. Das Zünglein der Waage ihrer Laune neigte sich immer mehr Heimann zu, dessen Art ihren Ansprüchen mehr ent gegenkam als die des ernsten und strengwirkenden Richt lebens. „Doch!" erwiderte Heimann. „Gern — und nicht schlecht. Freilich an Richtleben kann ich nicht tippen. „Aber..fügte er scheinbar selbstlos zurücktretend hinzu, „das Vergnügen möchte ich, mit Ihrer Erlaubnis, Fräu lein Vogt, meinem Freunde überlassen. Ich habe schon lange gemerkt, wie er sich nach einem Ritt durch das weite Land sehnt!" Richlleben warf Heimann einen dankbaren Blick zu. Alles in allem hatte er keine angenehmen Eindrücke von ihm gewonnen, diese Tage. Die Art, wie er Helma hofierte, um sich hinterher über sie lustig zu machen, hatte ihn ge ärgert und verletzt. Diese Geste des Verzichts, stimmte ihn um. Er war doch ein netter Kerl, der Wilfried. -Man mußte ihn nicht zu ernst nehmen. Tier zwinkerte indessen heimlich und von keinem be merkt dem niedlichen Stubenmädchen zu, das beim Kaffee bediente und das zugleich das Amt hatte, die Zimmer der Gäste zu ordnen. Sie verstand ihn. Aber er hatte sie bereits gelehrt, das glückliche Lächeln zu unterdrücken. Wenn wir nachher zu zweien sind, wird sich schon alles finden!, dachte er ver gnügt... Heimann, der Frauenliebling, hatte ein ungeheures Bedürfnis nach Frauen und Frauenliebe. Er war nicht wählerisch, nahm sie, wo sie sich ihm bot. Das dralle Mädchen hatte schon manchen Kuß auf seine verlangenden Lippen gedrückt. Als die Pferde vorgeführt wurden, stand er oben auf der Treppe, die zur Haustür heraufführte, mit der Miene eines Paschas, eine Zigarette zwischen den Lippen, in brauner Samtjacke, die ihm so gut stand, daß sogar Frau Eidam ihm verliebte Blicke zuwarf und von seiner Gunf träumte. Heimann vergaß nicht, auch ihr ab und an ein freund liches Blinzeln zu schenken. Mit Küchenfeen muß man sich gut stellen, solange mar Appetit hat — und wären sie auch noch so alt. Helma, sie ihn und seine frische Schönheit sah, emp fand mit einem Male ein leises Mißtrauen. Er würde doch nicht mit irgendeiner vom Personal an? bändeln? Am liebsten hätte sie ihn milbefohlen, aber da war wirtlich kein reitfähiges Tier mehr auf dem Hof. Des alten Jnspektoronkels Brauner schon war das mindeste, was man einem guten Kavalleristen anbieten konnte. „Laß dir die Mähre nur nicht durchgehen!" mahnte Heimann spöttisch den Kameraden. Der zuckte die Achseln. Aus irgendeinem Grunde ärgerte sich Helma über diese Bewegung. War dem Habenichts das Pferd nicht gut genug? Ein hämischer Gedanke kam ihr. Sie empfand Richtlebens Art immer ein wenig wie Herablassung, so fern dem eine solche Gesinnung auch lag. Den hochmütigen Menschen einmal recht klein, recht blamiert zu sehen! „Wenn Ihnen der Braune nicht gut genug ist, Herr von Richtleben — nehmen Sie meinen Satan!" stellte sie , ihm liebenswürdig anheim. Der Stalljunge, der Satan am Zügel hielt, grinste. Man kannte auf dem Hof Satan und seine Rücken. Wenn der fremde Herr wirklich heraustäme: in zwei Sekunden würde er wieder unten liegen. Der Hof war nicht gepflastert. Der Fall würde ihm nicht schaden. „Womit habe ich so viel Güte verdient, gnädiges Fräu- I lein?" antwortete Richtleben so ehrlich erfreut, daß Helma s sich fast schämte. „Aber er heißt nicht nur, er ist auch ein Satan. Er duldet keine unbekannte Hand", sagte sie nun, ehrlich Richtleben lachte leise auf. „So schlimm wird es nicht werden. Ein bißchen kennt er mich auch schon. Ich war ein paarmal bei ihm im Stall..." Helma zuckte nun ihrerseits die Achseln. Heimann, oben an der Balustrade der Treppe, stellte sich zurecht. Das würde auf alle Fälle ein Schauspiel geben! Er zweifelte nicht daran, daß der Reiter das Tier bezwingen würde, falls es sich ernstlich zur Wehr setzte. Und an Widerstand ließ es der schwere Hengst nicht fehlen. Ehe er es sich versehen hatte, saß ihm Richtlebcn im Sattel. Aber im selben Augenblick stand Satan kerzen gerade aus seinen Hinterbeinen und schüttelte sich wie eine mit Wasser begossene Katze. Richtleben hatte keine Peitsche. Mit der Kraft seiner Schenkel und der Gewandtheit seines schlanken Körpers allein bekämpfte er den Eigen sinn des Pferdes. Das, als es merkte, daß die unwillkommene Last sich nicht abschütteln ließ, versuchte es anders. Es raste los. Fm wilden Galopp rings um den Hos herum... Alles stob vor ihm davon. Der alte Vogt kam aus dem Stall gelaufen. Er sah, was vor sich ging. Mit geballter Faust rrohte er zu Helma hinüber, die sich auf die Treppe ge flüchtet hatte und neben Wilfried stand. Der Hofhund kläffte wie verrückt. Er machte das bockige Pferd nur noch nervöser. Dennoch verlor Richtleben nicht ganz die Herrschaft aber das Tier. Er zwang es, über den Zaun hinweg, mit wllem Sprunge, vom Hof fort, auf die Dorfstraße... Da :aste er mit ihm los...ins Freie hinaus... „Mein Gott!" sagte Helma. „Was soll das geben? Er wird doch nicht Hals und Bein brechen?" „Wer?" lachte Heimann. „Satan oder Richtleben?" .Richtleben natürlich!" „Warten wir ab... Und was gedenken Sie jetzt zu tun, Fräulein Vogt?" „Lassen Sie uns den beiden mit dem Wagen folgen. Wenn dann was passiert..." „Auch gut!" sagte Heimann, nicht ohne zu bedauern, daß er um sein Schäferstündchen mit der Dienstmagd kommen sollte. Aber sie fanden die Gesuchten nicht so bald. Rach einer Stunde mühseligen Fahrens auf rauhen Feldwegen erst bot sich ihnen der ersehnte Anblick, anders indessen, als sie gefürchtet. Aus einer Waldschncise kamen ihnen Roß und Reiter entgegen — sehr versöhnt miteinander. Das Tier bedeckte noch der Schweiß, der Reiter war gleichfalls sehr, erhitzt. Aber er strahlte vor Freude.