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Orkeberreckt^cbuts: l>ünk Türme »Verlsg, rialle (8«alei 16) Nachdruck verbalen. Arndt von Berken hatte in der letzten Zeit an keine Heirat gedacht! Er hatte sich nur ein kleines Mädel aus Berlin mitgcbracht, das er jederzeit mit einer anständigen Abfindung wieder dorthin zurückschickcn konnte. Eine nähere Bekanntschaft mit einer der jungen Damen im Umkreis hier wäre gefährlicher gewesen. Bestimmt! Das kleine Mädel aus Berlin, dem man hier eine Sekretärinnenstelle zugcbilligt hatte, das war nicht ge fährlich. Niemals! -> Und Julchen Mittrasch kam. Aber Julchen Mittrasch hatte auch dafür gesorgt, daß es im ganzen Umkreis bekannigeworden war, daß die gepfefferten Aufsätze, die ab und zu in verschiedenen Magazinen erschienen, von Nora von Stetten stammten, die unter dem Namen Rudolf Heller schrieb! Das gab Stoff zu neuem Gerede! Sowas! Na, schön Ivar es bestimmt nicht, wenn eine Frau solche Sachen schrieb. Rudolf Heller! Man hatte seine Sachen gern gelesen. Dafür war er eben ein Mann. Aber wenn es nun plötzlich von einer Fran stammte, so war cs unfein, rundheraus gesagt ordinär. Und wenn man diese Frau noch dazu kannte, war es von ihr eine Gemeinheit, solche Sachen zu fabrizieren! Fertig! Noras schriftstellerische Tätigkeit wurde in allen Ton arten durchgehcchclt. Verschiedene Damen nahmen sich vor, daraufhin nun nicht nach Martensbrück zu gehen, wenn sich don in nächster Zeit die Tore gastlich öffnen würden. Und natürlich auch diese Dame nicht zu sich bitten, wenn man selber eine kleine Gesellschaft gab. Die Herren schmunzelten, wenn sie unter sich waren. Den Damen gegenüber aber taten sic empört. Baron Zesewitz aber sagte: „Donnerwetter noch mal, endlich mal eine Frau, die das Leben von der richtigen Seite ansicht! Wenigstens mal eine, die sich den Ansichten der prüden Gänse hier nicht auschließt. Ich hab' solche prüden Frauen nie ge mocht, deswegen bin ich auch ledig geblieben. Eben, weil meine Ansichten mit denen einer Frau himmelweit crus- cinandcrgegangen wären. Aber nun werde ich der feschen Person meine Aufwartung machen. Gut, daß ich dem alten Martens vor kurzem eine kleine Gefälligkeit erweisen konnte. Das heißt — kleine Gefälligkeit? Es waren immerhin achttausend. Aber jetzt wäre es mir beinah lieber, cs wären zwanzig gewesen. Das hätte die Martens fester an mich gebunden!" Das halte der Baron natürlich nicht im Kreise von Damen gesagt. Sondern das halte nur sein Freund Hilmar Andersen gehört. Hilmar Andersen aber hatte für solche Sachen Verständnis. Ter war in China, in Japan, in den Straßen Algiers daheim. Der war ein Globe- irollcr, der unheimlich viel Geld besaß, und der alles kannte. Dem niemand mehr etwas Neues bieten konnte. Und Hilmar Andersen hatte gelacht. In seiner leisen, aufreizenden Weise. „Menschen müssen sich zusammenfindcn. Hol' dir also diese Nora!" „Werde ich tun! Verlaß dich darauf. Und ihr Vater, der hat viel Sorgen. Da soll noch ein Wechselchen laufen. So an die dreißigtauscnd. Wenn ich bloß herausbekommen könnte, wer ihn besitzt." „Leichtigkeit! Wenn dir daran liegt, beschaff ich dir das Papierchen. Das mache ich gern." „Andersen!" „Bitte?" „Andersen, ich verlaß mich auf dich!" „Kannst du — wie immer!" Andersen sah in das unschöne, hagere Gesicht des ^Freundes, und er dachte: Ich kenne Nora von Stetten 'nicht, aber vielleicht ist sie doch zu bemitleiden, wenn sie diesen da heiraten muß! Doch vielleicht tut sie es nicht. Ihr Vater allerdings, der hat beinah dafür gesorgt — daß es so werden kann. Nun, was geht's mich an? Ich ^werde den Wechsel besorgen, und dann habe ich mit der Sache nichts mehr zu tun! Nora erhielt einen empörten anonymen Brief, worin man ihr vorwarf, das Geschlecht der Frauen bloßgestellt zu haben. Und man wisse ja nun Gott sei Dank endlich, wer Rudolf Heller sei! Nora lächelte. Niß den Brief in kleine Fetzen und lächelte. Aber sie wußte nun, daß sie gegen Julchen Mittrasch sehr, sehr vorsichtig sein mußte! Käthe Randolf aber arbeitete still und fleißig. Nach und nach hatte sie Brigitte von Berken alle möglichen Arbeiten abgenommen, so daß die einmal ganz verwundert zu Ihrem Bruder sagte: „Ich hab' ja fast nichts mehr zu tun. Das kleine Mädel nimmt mir ave Arbeit weg. Ich hab' tüchtig gezankt. Sie jmag doch Lieber ab und zu ein bißchen an die Luft gehen." Der sagte gleichgültig: „Es freut mich, Brigitte, daß du so zufrieden bist." „Ja! Aber ich weiß nicht — mir sieht das doch stark so aus, als ob wir die Kleine ausnützten. Und — was ich dir längst sagen wollte: die Mamsell meint, der In spektor Fischer hat ein Auge auf Käte Randolf." Er blickte auf. Seir^ Blick strich prüfend über sie hin. „Fischer? Ich glaube nicht, da^ die kleine Randolf ihn nimmt." „Er ist ein netter Kerl — das wirst du Wohl nicht leugnen können." „Mehr wie nett ist er. Aber was sorgst du dich eigent lich? Wir könnten es nicht aushalten, wenn die zwei jungen Menschen sich lieben lernen." Jetzt sah Brigitte ihn prüfend an, aber «r m»" ibren Blick lächelnd ans, meinte nur: „Hab'-, ich nicht recht?" Brigitte nickte, denn sie mußte ihm wirklich recht geben. Am Ostermorgen schien die Sonne ganz warm und hell. Und Veilchen und Narzissen und andere Frühlings blumen hoben lauschend die Köpfchen. Käthe hatte einen weiten Spaziergang unternommen. Neben ihr lief Flock, der kleine Hund des Gärtners, der sich sehr an sie gewöhnt hatte. An den Weiden lachten die gelben Kätzchen, und ein unbeschreiblich schöner Duft erfüllte die Luft. Und Käthe ging immer weiter. Durch den stillen Wald, auf einem Wicsenweg dahin, durch die Wiesen bis zum nächsten Wald, wand sich ein klares, schmales Wasser. Ganz geschäftig plätscherte es dahin. Käthe weitete sich das Herz angesichts all der Schönheit der Natur üe war glücklich, daß sie hier sein durfte. Flock trank. Und sie sah ihm zu, wie er flink die kleine rosa Zunge bewegte. Dann schritt sie weiter. Dort drüben lag Dorf Unterslau! Wenn sie geradeswegs darauf zuschritt, dann konnte sie durch das Dorf gehen und dort drüben durch dcu Wald wieder nach Bcrkenhofcn zurück. Dieser Früh- spaziergang war herrlich. Wie gut, daß sie ihn unter nommen hatte! Im Schloß waren Gäste. Aus Pommern! Tante Adelheid und .Herr von Osten mit seiner Gemahlin Rosemarie. Und Herr von Berken sowie Fräulein Brigitte hatten sich sehr über diesen Besuch gefreut. Käthe dachte daran, daß sie zeitig genug wieder daheim sein wollte. Denn sie konnte dann Fräulein Brigitte manches abnehmcn, was ja eigentlich nicht zu ihren Ob liegenheiten gehörte, was aber das gnädige Fräulein ent lastete. Und sie, Käthe, tat cs doch so gern. Käthe kam an einen Teich. Still, tief, voll Schling gewächsen und Schilf, lag er vor ihr. Ringsum waren Wiesen. Nur ein kleines Gebüsch war links. Käthe in ihrem weißen, einfachen Lcinenkleid mit dem blauen Jäckchen und dem weißen Hut sah entzückend aus. Die Landlufi und das gute Essen hatten ihre Wangen voller gemacht. Und die dunklen, blauen Augen strahlten sehnsüchtig. Lange stand das Mädchen und blickte in das stille, tiefe Wasser. Dann fühlte sie plötzlich einen derben Stoß, verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber ins Wasser. Julchen Mittrasch sah sich scheu um. Niemand war da, und dort drüben trieb der Körper schon davon. Langsam, aber sicher trieb er der Mitte des Teiches zu. Warum schrie das Mädchen nicht? War sie ohnmächtig geworden? Dann um so besser! Und Julchen verschwand wieder im Gebüsch, wo sie Weidenkätzchen schnitt, die ihre Mutter auf dem Markte in der Stadl verkaufte. Die Mittrasch hatte auch schon Blumen auf dem Friedhof geholt. Man mußte sehen, wie man zurechtkam. Sie wollte auch noch einmal reich sein. Durch ihrer Hände Arbeit wurde sie es nicht. Und — die Nora von Stetten mußte ihr für das, was sie, die Mittrasch, wußte, so an Die dreitausend Mark bezahlen. Sonst schwieg sie nicht! Man mußte ausnützen, was man wußte! Käthe war wirklich) einige Minuten besinnungslos gewesen. Jetzt kam sie wieder zu sich, wußte, daß man sie ins Wasser hineingestoßen hatte. Und im gleichen Augen blick trieb sie auch schon wieder dem Ufer zu. Sie konnte ja schwimmen! Und neben ihr schwamm der kleine Weiße Hurid vergnügt einher. Augenscheinlich hatte er das Ganze für eine freundliche Aufforderung gehalten, ein Bad zu nehmen. Drüben über den Weg raste Julchen Mittrasch. Sie hatte nur gesehen, daß der Mädchenkörper wieder ruhig und sicher dem Ufer zutrieb. Käthe kauerte jetzt auf der Wiese am Rande des Teiches, und der Hund schüttelte sich vor Vergnügen. Dann sprang er nochmals ins Wasser hinein, und als er hcraus- kam, überschüttete er sie mit einem Sprühregen. Die Sonne verkroch sich. Verkroch sie sich, weil es ihr vor soviel Bösem graute? Käthe aber dachte: Wer kann das getan haben? Ich habe doch keine Feinde! Oder — kann Julchen Mittrasch? Aber es ist ja unmöglich! Käthe fror. Der Boden war noch kalt. Und die Kleider klebten näß an ihrM'Körper. Ein SchüMftoffMM'N nach einer Weile. Kalt und unfreundlich war eS ringsum^ geworden, seit hie Sonne ihre goldenen Strahlen verstEt hatte. Käth^erhob sich, taumelte aber und mußte sich wieder ' "setzen. ES wurde ihr schwarz vor den Augen Das Mädchen dachte ergeben: Ob es nicht am besten gewesen wäre, wenn ich jetzt dort unten in der Tiefe läge? Der weiche Boden erzitterte. Käthe wandte sich um. Ein Reiter kam über den Wald weg herüber, hielt auf sie zu. Sie erkannte ihn! Arndt von Berken, Er saß ab, kam auf sie zu, sah, daß sie nasse Kleider an hatte und am ganzen Körper zitterte. „Was war denn nur, Fräulein Randolf?" Käthe sagte es ihm. Aber sie konnte kaum sprechen, so schüttelte es sie. Da nahm Arndt von Berken das Mädchew in seine Arme. Nach Hause jetzt! So schnell als möglich nach Hause! Er dachte es und drückte das Mädchen, das vor Kälte zitterte, fester an sich. Der Hund lief winselnd nebenher. Mit großen Schrillen ging Berken zu seinem Pferde zurück, nahm die Zügel über den Arm, schritt wcirer, immer schneller und schneller. Der Baron Gleiberg be gegnete ihm mit seinem leichten Jagdwagcn Er machte große Augen und setzte nachher ein verkniffenes Lächeln auf, als Arndt von Berken ihn bat, schnell nach Berken hofen zu fahren. Der Baron tat es sofort! Tas war doch selbstverständ lich! War Ehrensache. Man mußte sich helfen. Denn hier war doch soeben eine kleine Tragödie vor sich gegangen. Durch seine Frau war er ja inzwischen längst von allem genau unterrichtet. Das war doch sicherlich das kleine Mädel aus Berkcnhofcn, das der Arndt sich ans Berlin mitgebracht haben sollte. Und seine Frau hatte gesagt, das sei ein Skandal, und man müsse die Berkens eigentlich schneiden. Und von der Brigitte sei es einfach unglaublich, zu so etwas die Hand zu bieten, wo man immer so viel von ihr gehalten habe. Der Baron grinste vor sich hin. Warum hatten die Damen von Brigitte von Berken so viel gehalten? Weil sic in Aktion trat, wenn andere auf der Männerjagd waren, und weil sie freimütig erklärt hatte, daß sie nicht heiraten wolle. Es würde ja doch immer nur ein Mann sein können, vor um sie warb, der sie nur nm ihres Geldes willen haben wolle. Denn für eine Liebesheirat sei sie viel zu häßlich. Das war cs, dieser Ausspruch, der Brigitte den Damen so lieb und wert gemacht hatte. Ja, aber jetzt fiel sie seiner Frau aus Vic Nerven. Eben wegen dieses kleinen Mädels. Nee, so was! Da hatte seine Frau doch recht, die das Gerücht mit von Henigs heimgebrachl Halle, daß der Arndt von Berken wieder mit Nora von Stellen geborene Marlens an- gcbandell habe. Man halte die zwei zusammen reiten sehen. Uno nun schien sich das Mädel aus Berlin ins Wasser gestürzt zu haben, weil man es sicherlich fortschickcn wollte. Und da hatte der Arndt nun eben die Kleine voch. noch schnell hcrausgeholt. So war die Sache, und seine Damen würden sich sehr freuen, daß er ihnen auch mal eine Neuigkeit mit nach Hause brachte. War das Mädelchen niedlich! Viel konnte er nicht sehen. Aber immerhin sah er, wenn er den Kopf ein bißchen drehte, eine Fülle nassen, goldblonden Haares und ein feines Profil. Hm! Hm! Und der Arndt von Berken sah aus, als ob er die ganze Aßclt Niederschlagen wollte. Na, man war in Berkenhofen. Man bekam ein kurzes Danke. Man konnte heimfahren und die Neuigkeit brüh warm überbringen. Und der Arndt trug das Mädchew auf seinen Armen noch ins Schloß hinein. Das gehörte sich auch nicht. Das hätten die Mädchen tun können. Es gab genug weibliches Personal im Schloß. Das konnte man daheim auch noch mit vermerken. Der Baron Gleiberg grüßte, blieb noch ein Weilchen stehen, und dann sah er gerade noch, wie Brigitte hcraus- kam, sich über das Mädelchen beugte. Vielleicht tonnte er noch etwas erspähen. Er wollte doch mal sehen, ob Und ganz weit beugte sich. Baron Gleiberg vor. Aber da klang eine Stimme neben- ihm: „Wünschen der Herr Baron hinauszufahren, oder sind Herr Baron heute hier zu Gast? Ich muß nämlich das Tor schließen." ' Herrgott noch mal, fuhr der Baron da zusammen. Und er knurrte dann: „Heim will ich." Und er fuhr zurück. Aber er dachte wütend: Was der Berken für ungehobelte Bande als Personal hat! Mich regelrecht hinauszubefördern, nachdem ich doch so nett war und die beiden heimgefahren habe! — „Ja — aber Arndt, nun sag mir doch nur..." Brigitte sah auf den Bruder, sah auf das Mädchen, das sie in das Zimmer gebracht hatten, das Käthe gehörte. Brigitte hatte ihr die nassen Sachen heruntergestreift, wäh rend Arndt den Arzt anrief von seinem Zimmer aus! Dann kam er wieder, von Sorge gequält. Und Brigitte stellte ihre Fragen. Käthe aber lag still da. War wieder ohnmächtig, und blaue Schatten lagen unter ihren Augen. Arndt sagte der Schwester, wo er Käthe gefunden hatte. Er verschwieg ihr aber, daß ihn eine sonderbare Macht geradezu nach dieser Richtung getrieben hatte. Und daß er doch eigentlich ganz woanders hatte htnreiteq wollen. „Ins Wasser gestoßen? Ja, wer soll denn das getan haben? Die kleine Käthe hat doch nicht einen solchem Feind, daß man so etwas befürchten müßte?" . IFortsetzuno stügi"